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Wahlperiode 12, Band I, Seiten 46 und 47
46
Enquete-Kommission

nisterium für Staatssicherheit, gegenüber der Justiz und gegenüber einzelnen
Personen. Es geht um die Ergründung und Untersuchung der Einflußnahme
der SED und des Staates auf die Kirche. Es geht um die Aufdeckung der
tatsächlichen Funktionen der Blockparteien und Massenorganisationen sowie
um die Ergründung ihres Umfangs der Teilhabe an der Macht.

Zur Absicherung ihrer umfassenden politischen Herrschaft war es für die SED
lebensnotwendig, Unterdrückungsapparate aufzubauen, die es ihr ermöglich-
ten, selbst nicht als Unterdrückungsorgan in Erscheinung treten zu müssen.
Hier geht es für die Kommission vorrangig darum, den Umfang, die Formen
der Repressionen und die Vielfalt der Repressionsorgane zu ergründen und
deren Arbeitsweise aufzudecken.

Eine Aufgabe der Kommission muß folglich darin bestehen, diese Repressi-
onsmechanismen darzustellen und hierbei folgende Sachverhalte aufzuklären
und zu ergründen: Strukturen und Arbeitsweise des Ministeriums für Staatssi-
cherheit in der Innen- und Außenwirkung; Repressionen durch die Organe
der Justiz, insbesondere Mißhandlungen und Haftbedingungen; Menschen-
rechtsverletzungen, selbstverständlich unter Einbeziehung der Unterlagen von
Salzgitter; Maßnahmen der Repression an den Grenzen durch alle dort tätigen
Organe; Strukturen bzw. Organisationsstrukturen der Organe des nationalen
Verteidigungsrates; Auftrag und Arbeitsweise der Sonderabteilung K 1 der
Kriminalpolizei; repressive Funktionen der Kampfgruppen, der Zivilverteidi-
gung und der Nationalen Volksarmee.

Des weiteren geht es um die Klärung der Informations- und Kontrolltätigkeit
der Kaderleitungen in den Betrieben, um Untersuchungen der Auswirkungen
der Repressionsfunktion von politischen Schulungen, Kampagnen sowie von
politischer Agitation und Propaganda. Es geht um die Ergründung der Rolle
der SED-dominierten Bereiche wie Bildung, Kultur, Sport und Medien. Und es
geht schließlich um die Ergründung der Rolle untergeordneter Strukturbereiche
wie der Wohngebietsausschüsse und der Nationalen Front.

Neben der Kenntnis der SED-Strukturen, der Hierarchie in dieser Partei,
der Organisationsstrukturen untergeordneter Organe, neben dem Wissen um
einzelne Unterdrückungsmechanismen geht es natürlich, wie eingangs schon
gesagt, um die spezifischen Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Diese
Bedingungen haben die Mitbürger über 40 Jahre geprägt und deren Lebens-
inhalte bestimmt. Eine Untersuchung der Bedingungen ist für das eigene
Erkennen und gegenseitige Akzeptieren von außerordentlicher Bedeutung.
Deshalb sollte die Kommission einen wesentlichen Teil ihrer Arbeit gerade
dieser Untersuchung widmen.

Es geht hier, wie schon geschildert, um die Offenlegung des Umfangs und
der Form des politischen Widerstandes, der politischen Verfolgung. Es geht
um Beziehungen zwischen politischem Widerstand und Kirche, zwischen
Kirche und Staat – denn schließlich reifte die friedliche Revolution unter

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Debatte des Deutschen Bundestages 12.3.1992

dem Dach der Kirche –, und es geht um die Darstellung des Lebens in der
Diktatur, insbesondere um die Klärung bestimmter Phänomene, die durch
Anpassung, Desinteresse, Lethargie, Mitläufertum, Fanatismus, Verhetzung
und Verdummung geprägt waren.

Die Beschäftigung mit der Geschichte der letzten 40 Jahre Ostdeutschlands
läßt sich eben nicht nur auf die Stasi-Frage und den Umgang mit dem riesigen
Aktenberg, den diese Behörde hinterlassen hat, reduzieren. Vielmehr geht es
bei der Beschäftigung mit der Geschichte darum, die von der SED maßgeblich
und dominant gestalteten Prozesse im Osten unseres Vaterlandes zu ergründen,
ihre Auswirkungen auf die Menschen darzustellen und die Geschichte von der
Vergewaltigung und der Zwangsdeutung durch die SED zu befreien.

Die Geschichte des Lebens der Bürger in der ehemaligen DDR in ihren inneren
Zusammenhängen und in ihrer Wechselbeziehung innerdeutsch und mit dem
Umland ist eigentlich eine weitestgehend unbekannte Geschichte. Helfen Sie
mit, meine Damen und Herren, diese Geschichte ehrlich aufzuarbeiten, zu
analysieren und damit transparent zu machen. Die F.D.P. ist dazu bereit. Es
ist unsere Geschichte, ein Bestandteil der Geschichte des deutschen Volkes.

Danke.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Abgeordnete Gerd
Poppe.

Gerd Poppe: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Geschichte hat das Urteil über die SED-Diktatur gesprochen. Jedoch
mit der bloßen Feststellung des Zusammenbruchs eines mehr als 40 Jahre
aufrechterhaltenen Herrschafts- und Unterdrückungssystems können wir nicht
einfach zur Tagesordnung übergehen, sprich, den mühevollen Weg zur
demokratischen Erneuerung der neuen Bundesländer und zur Angleichung
der Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland gehen. Das können wir
schon deswegen nicht, weil es sich um einen Vorgang von weltpolitischer
Dimension handelt, in seiner Bedeutung bei aller Unterschiedlichkeit allenfalls
vergleichbar mit dem Ende des NS-Regimes und dessen Folgen.

Das Verschwinden der DDR von der politischen Weltkarte ist ein Bestandteil
des Niedergangs des gesamten sowjetischen Imperiums, der Beendigung der
Blockkonfrontation und des mit ihr verbundenen politischen und militärischen
Status quo. Für die Deutschen brachte der Zerfall des östlichen Imperiums die
langersehnte, wenngleich etwas hastig vollzogene Einheit, für die europäischen
Völker des vormals sowjetischen Einflußbereiches immerhin die Aussicht auf
eine baldige Rückkehr nach Europa. Und selbst die Menschen in der Dritten
Welt, so weit sie in ihrer großen Mehrheit auch von einem menschenwürdigen
Dasein noch entfernt sind, könnten nun, da sie nicht mehr Spielball der
geopolitischen Interessen zweier Supermächte sind und sich darüber hinaus