Knapp 70 öffentliche Anhörungen in fünf Jahren
Beide Enquete-Kommissionen veranstalteten in insgesamt fünf Jahren 69 öffentliche Anhörungen mit über 600 Zeitzeugen und Expertinnen und Experten. Allein die erste Enquete-Kommission führte in nur 27 Monaten 44 öffentliche Anhörungen durch. Die zweite Enquete-Kommission organisierte 25 weitere öffentliche Anhörungen in ihren drei Jahren. Mehr als 600 Zeitzeugen kamen zu Wort. Orte der öffentlichen Anhörungen waren Bonn, Berlin, Halle, Rostock, Erfurt, Dresden, Magdeburg, Jena und Eisenhüttenstadt.
Die „Berliner Abendschau“ berichtet am 30. November 1992 über die öffentliche Anhörung „Die SED-Diktatur – politische, geistige und psychosoziale Unterdrückungsmechanismen/Erfahrungen im Alltag“ in Berlin. Quelle: rbb.
Öffentliche Anhörungen als wesentliche Informationsquelle
In den öffentlichen Anhörungen spiegelten sich die Themenfelder der Enquete-Kommissionen wie Deutschlandpolitik, Opposition und Widerstand, die Rolle der SED oder der Alltag in der DDR wider. Die Berichterstattergruppen, die zur besseren Bewältigung des Arbeitspensums zu jedem Themenfeld eingerichtet wurden, erarbeiteten Vorschläge für die Themen der öffentlichen Anhörungen und die personelle Besetzung. Sobald eine mehrheitliche Zustimmung der Gesamtkommission vorlag, kümmerten sich die Berichterstattergruppen mit Hilfe der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kommissionssekretariats um die Organisation und Umsetzung der Anhörungen. Aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes wurden einige öffentlichen Anhörungen von eigenen Projektgruppen vorbereitet.
In den öffentlichen Sitzungen ging es wie auch in anderen Enquete-Kommissionen darum, ein möglichst breites Personenspektrum zu einem bestimmten Thema anzuhören. Neben der Vergabe von Expertisen dienten vor allem die öffentlichen Anhörungen als wesentliche Informationsquelle, um die komplexen Themen, die im Einsetzungsbeschluss festgelegt wurden, zu bearbeiten. Durch die öffentlichen Anhörungen war es den Enquete-Kommissionen zudem möglich, verschiedene Auffassungen und Sichtweisen in ihre Arbeit mit einzubeziehen und der breiten Öffentlichkeit ein differenziertes Bild der DDR zu vermitteln.
Jürgen Schmieder spricht über die Arbeitsorganisation vor Öffentlichen Anhörungen und erinnert sich an Anhörungen, die für ihn besonders prägend waren. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2019.
Johannes Selle berichtet, welche Themen in den Öffentlichen Anhörungen verhandelt wurden und wie die Veranstaltungen von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2019.
Experten und Zeitzeugen
Im Falle der öffentlichen Anhörungen der Enquete-Kommissionen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur wurden neben wissenschaftlichen Vorträgen vor allem die Erfahrungen von Zeitzeugen einbezogen. In den öffentlichen Anhörungen traf der Sachverstand von Expertinnen und Experten auf die Aussagen der ehemaligen Bürgerinnen und Bürger der DDR, die über ihre Alltagserfahrungen in der Diktatur sprachen und ihre Sicht auf 45 Jahre kommunistischer Herrschaft einbrachten. Den Enquete-Kommissionen ging es dabei insbesondere darum, die Menschen zu Wort kommen zu lassen, die in der kommunistischen Diktatur unter mannigfaltigen Repressionen zu leiden hatten.
Neben vielen Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft hörten die Kommissionen auch einige ehemals führende Partei-, Staats- und Wirtschaftsfunktionäre der SED-Diktatur an. Darunter waren Gerhard Schürer, Mitglied des Politbüros seit 1973 und Vorsitzender der Staatlichen Plankommission, Günter Schabowski, seit 1981 Mitglied des Zentralkomitees der SED und seit 1984 Mitglied des Politbüros, und Hans Modrow, 1. Sekretär der Bezirksleitung Dresden der SED und Mitglied des Politbüros seit 1989. Die Zahl dieser Zeitzeugen war jedoch im Vergleich zur Gesamtzahl der angehörten Personen gering, was zum einen an ihrer geringeren Bereitschaft zum Dialog lag. Zum anderen wurden die Funktionäre mit viel Bedacht ausgewählt, da ihnen keine Bühne geboten werden sollte. Der Fokus bei den Zeitzeugen lag vorrangig auf denjenigen, die unter Repressionen zu leiden hatten.
Rainer Eppelmann erinnert sich an die Diskussion in der Enquete-Kommission, ob Funktionäre des SED-Regimes in den öffentlichen Sitzungen angehört werden sollten, sowie an Begegnungen mit Zeitzeugen. Quelle: Bundestiftung Aufarbeitung, 2018.
Hartmut Koschyk berichtet über Zeitzeugen in den öffentlichen Anhörungen. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.
Ehemalige hochrangige SED-Funktionäre wie Hans Modrow oder Günter Schabowski werden im Rahmen der öffentlichen Sitzung „Die Machthierarchie der SED“ am 26. Januar 1993 in Berlin angehört. „Brandenburg akutell“ berichtet darüber. Quelle: rbb.
Großes Medieninteresse
Insbesondere bei der ersten Enquete-Kommission gab es ein großes Medieninteresse an den öffentlichen Anhörungen. Durch die rege Berichterstattung konnte sich eine breite Öffentlichkeit über die Arbeit der Enquete-Kommissionen und über Fragen der historisch-politischen Aufarbeitung der DDR-Geschichte informieren. Der öffentliche Charakter der Anhörungen bot zudem Interessierten die Möglichkeit, einen eigenen Eindruck von der historisch-politischen Aufarbeitung durch den Deutschen Bundestag zu gewinnen. Auch wenn es teilweise auf Unverständnis stieß, besaßen die Besucher der Anhörungen wie bei allen öffentlichen Anhörungen des Bundestages kein Rede- und Fragerecht.
Die „SpätAbendschau“ berichtet über die öffentliche Anhörung „Der Volksaufstand am 17. Juni 1953“ am 16. Juni 1993 in Berlin. Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth und der Vorsitzende Rainer Eppelmann äußern sich zur Anhörung. Quelle: rbb.
Zur öffentlichen Anhörung „Phasen der Deutschlandpolitik“ am 3. November 1993 in Berlin geben Politiker verschiedener Parteien über die Entwicklung der innerdeutschen Beziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg Auskunft. Quelle: rbb.
Liste der Öffentlichen Anhörungen der Enquete-Kommission 1995–1998
Themen 1992–1994