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und Lemmer die Funktionen als erster und zweiter Vorsitzender der CDU
übernahmen. Von daher ging der Übergang einigermaßen friedlich vor sich.
Hermes selber ist dann sehr bald aus Berlin fortgegangen. Auf die weitere
Politik der CDU konnte er – auch wegen seines Verhältnisses zu Adenauer;
die beiden Herren liebten sich nicht besonders – dann keinen Einfluß mehr
nehmen.- Soweit meine Erfahrungen aus der damaligen Zeit. (Beifall).
Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, Frau Dr. Wolf. Verraten
Sie uns bitte noch, ob Sie Butter und Zucker wieder zurückgeben mußten.
(Heiterkeit).
Dr. Erika Wolf: Nein, daß mußten wir nicht, sondern wir haben versucht,
daß ein wenig zu verteilen.
Vorsitzender Rainer Eppelmann: Danke schön.- Herr Dieter Rieke, bitte.
Dieter Rieke: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! In gebotener
Kürze möchte ich zunächst etwas zu meiner Person sagen. Ich gehöre zu
der Generation, die noch zwei Jahre des letzten Krieges aktiv miterlebt
hat. Geboren wurde ich in Westdeutschland. Das Kriegsende habe ich in
Mitteldeutschland erlebt.
Ich bin nicht ganz frei von Bitternis und Belastung hierher gekommen. Zu tief
sind die Verletzungen, die mir die Kommunisten zugefügt haben. Und man
kann wohl sagen, daß mein Leben von drei Perioden geprägt wurde. Ich will
das mal als Schock bezeichnen. Einmal möchte ich die neunjährige Haft als
Sozialdemokrat – das möchte ich hervorheben – in Bautzen erwähnen. Dann
nenne ich Erlebnisse der Wende. Schließlich konnte ich vor zwei Wochen
meine Stasi-Akten in Berlin einsehen, aus denen hervorgeht, daß man sehr
wohl noch – bis in die achtziger Jahre hinein – daran interessiert war, mich
irgendwie ans Messer zu kriegen.
Wie ich schon sagte: Ich war 1945 im Bezirk Magdeburg. Dort traf ich nach
dem Einrücken der Roten Armee viele junge, aber auch ältere Menschen,
die sich zur Sozialdemokratie bekannten. Ich war damals 20 Jahre alt. Die
Jungen – darunter war auch ich – wollten sich irgendwie aktiv an der
Neugestaltung des Nachkriegs-Deutschlands beteiligen. Auf der anderen Seite
gab es Angehörige der älteren Generation, die entweder aus dem Krieg oder
aus den KZ-Lagern kamen.
Im Juni wurden durch den Befehl Nr. 2 antifaschistische Parteien zugelassen.
Im Bezirk Magdeburg waren wir dann gleich darum bemüht, die Partei mit
viel Idealismus und mit viel Energie aufzubauen. Wir haben einzelne Orte
besucht. Ich selber war damals in Gardelegen und Stendal ansässig. Auch
hatte ich Arbeit als Journalist gefunden.
Wir waren also von dem Ideal getragen: Es muß eine neue Zeit kommen.
Und dazu gehörte, daß auch die Sozialdemokratische Partei sich engagierte,
daß die Mitglieder mit dazu beitrugen, daß diese Zeit des Faschismus nun
endlich überwunden werden konnte.
Das Land war damals geprägt von den in endloser Zahl hereinströmenden
Flüchtlingen und vom Elend der Nachkriegszeit. Es war nicht leicht, unter-
einander Verbindung zu halten. Aber wir im Bezirk Magdeburg haben schnell
eine sehr starke Partei aufbauen können, und wir waren auch ein bißchen
stolz darauf. Was wir als junge Menschen nicht ahnen konnten, war, daß man
dies mit Wissen der SMAD zugelassen hatte, weil man das Ziel hatte, die
Sozialdemokraten irgendwie als Blutspender für die kommunistischen Ziele
und Praktiken zu nutzen.
Wir hatten kaum Verbindung untereinander. Es gab die Möglichkeit, hier
und da mal ein paar Zeitungen aus Westdeutschland oder aus Berlin zu
bekommen. Wir hörten den NWDR, den Hamburger Sender, und wir bekamen
gelegentlich auch mal Informationen von Leuten, die es gewagt hatten, nach
Westdeutschland zu gehen, um sich ein bißchen umzusehen.
Der Kreis Gardelegen lag nicht weit von der Zonengrenze entfernt. Mit meinen
Weggefährten habe ich es unternommen, bis nach Hannover zu fahren, um dort
bei der SPD vorzusprechen und mir Informationen geben zu lassen. Dort wurde
in den Monaten bis Ende 1945 eine sogenannte Flüchtlingsbetreuungsstelle Ost
aufgebaut, die direkt Kurt Schumacher unterstellt war. Das war also unsere
Anlaufstelle.
Wir meinten damals, daß wir, wenn es eine SPD auch in der damaligen SBZ
geben würde, auch frei argumentieren dürften, und wir glaubten, daß wir
parteipolitische Festlegungen in unsere Argumentation mit einbeziehen konn-
ten.
Vor Ort haben wir durch Versammlungen und durch persönliche Gespräche
versucht, eine breite Basis von Sozialdemokraten zu schaffen, die bereit und in
der Lage sein sollte, sich der Verantwortung – und zwar in den Verwaltungen,
aber auch in den sich damals bildenden Vertretungen der Bürgerschaft –
zu stellen. Das fing in den Gemeinden und Kreisen an, und es reichte
bis hin zur damaligen Provinzialverwaltung Sachsen-Anhalt. Das war die
Institution, die gegenüber der Sowjetischen Militäradminstration hinsichtlich
des Funktionierens der Wirtschaft verantwortlich war. Das war ja wohl das
Allerdringlichste.
Ich selber war Leiter eines Nachrichtenamtes der Provinzialverwaltung
Sachsen-Anhalt mit Sitz bzw. Wohnsitz in Gardelegen. Aber ich war sehr
oft in Magdeburg und Halle. Und ich muß sagen: Es war ein Schub, den
wir spürten. Denn wir glaubten endlich, daß wir am Aufbau einer – wie
man so schön sagte – neuen demokratischen Gesellschaftsordnung mitbeteiligt
seien.
Im Laufe der Wochen und Monate spürten wir aber auch, wie stark der