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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 88 und 89
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Protokoll der 18. Sitzung

Fällen drängte die SED-Spitze auf raschen Vollzug – hier noch mit einem
Verweis auf die Order der Besatzungsmacht, bald aber unter Berufung auf
den „demokratischen Zentralismus“.

In welchem Maße und auf welche Weise die SMAD auch auf den Um-
bau der SED in eine stalinistische Partei direkt einwirkte, soll ebenfalls an
einen Beispiel demonstriert werden: Es handelt von der Auflösung des SED-
Kreisvorstands Altenburg im April 1949 und der Maßregelung des Zweiten
SED-Landesvorsitzenden Kurt Lessig (ehemals KPD). Sowohl er als auch
einige Mitglieder der Altenburger SED-Leitung waren gegen einzelne, vor-
wiegend personalpolitische Entscheidungen der Besatzungsmacht aufgetreten,
verlangten ein Selbstbestimmungsrecht in kommunalpolitischen Belangen und
betonten die deutschen Parteitraditionen der KPD.

Am 26. März 1949 wurden deshalb der SED-Landesvorsitzende Hoffmann und
Ministerpräsident Eggerath zu Gardegeneralmajor Kolesnitschenko bestellt.
In Gegenwart des Chefs der SMA-Abteilung Information und des Dolmet-
scherleutnants überreichte er ihnen zunächst „ein umfangreiches Schriftstück“
in russischer Sprache, das sich auf Minister Dr. Georg Appell (SPD/SED)
bezog. Eggerath erhielt den Auftrag, es „diskret“ übersetzen zu lassen und
„zum Gegenstand einer Beratung“ im Landessekretariat der SED zu machen.
Mit anderen Worten: Appell wurde abgesetzt. Dann empfahl Kolesnitschenko,
das Mitglied der NDPD Dr. Walter König „im Range eines Ministerialrats
in das Ministerium für Volksbildung einzugliedern“, was ebenso umgehend
erledigt wurde. Nachdem er die Genossen noch über weitere „Aufdeckungen
von Agenten des Ostbüros der SPD und anderer Spionagezentralen“ informiert
hatte, kam der General zu seinem wichtigsten Anliegen: Sie betrafen das politi-
sche Verhalten des SED-Kreisvorstands Altenburg und von Kurt Lessig. Ihnen
wurde vorgeworfen, „kein Verständnis für das Prinzip des demokratischen
Zentralismus“ aufzubringen und eine „offene Abneigung gegen sowjetische
Offiziere“ zu zeigen, also Verhaltensweisen, so das Verdikt Kolesnitschen-
kos, die auf eine „sowjetfeindliche und nationalistische Einstellung schließen
lassen.“ Die sowjetische Militärverwaltung könne diesen Zustand „nicht mehr
länger tatenlos hinnehmen.“ Eggerath und Hoffmann sollten mit dem Politbüro
der SED den ganzen Sachverhalt klären.

Nachdem Walter Ulbricht am Rande einer Vollversammlung der Deutschen
Wirtschaftskommission informiert worden war und daraufhin selbst den SMA-
Chef Thüringens konsultiert hatte, beriet am 7. April 1949 das Politbüro über
den Fall. Lessig, so wurde beschlossen, sollte zu den Vorwürfen schriftlich
Stellung nehmen und nach dem Willen von Ulbricht als Schüler in den lau-
fenden Kursus an der Parteihochschule eingegliedert werden. Das Kleine Se-
kretariat der Thüringer Landesorganisation wurde angewiesen, selbstkristisch
über seine mangelhafte politische Arbeit Gericht zu halten. Dieser Prozedur
mußten sich am 5. April 1949 zunächst die Altenburger Sekretariatsmitglieder

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Veränderung des Parteiensystems 1945–1950

unterziehen. Im Weimarer Parteihaus erhielten sie eine Lektion über die
„führende Rolle der KPdSU im Kampf der deutschen Arbeiterklasse.“ Es habe
den Anschein, „daß sie manchmal sehr selbstbewußt Entscheidungen fällen.“
Statt dessen müßten sie einsehen, daß „das Verhältnis zu den Kommandanturen
(...) und zu den einzelnen Offizieren (...) sich wesentlich gewandelt“ hat. „Wir
müssen klar erkennen“, argumentierte Innenminister Willy Gebhardt (KPD/
SED), „daß die russischen Genossen uns durch ihre Erfahrung weitaus über-
legen sind, auch wenn es sich um junge Offiziere handelt.“ Die in Altenburg
geübte „Selbstherrlichkeit“ bedeute „eine große Gefahr des Abrutschens in
den Opportunismus.“

Dieses Delikt und Nachforschungen, die von der Zentralen Parteikontroll-
kommission bei „intensiver Mitarbeit durch eine Kommission der Freunde“
in Altenburg vorgenommen worden waren, führten letztlich zur Auflösung
des Kreisvorstandes, zum Parteiausschluß ihres Vorsitzenden durch das Polit-
büro und zu einer breiten innerparteilichen Kampagne gegen „nationalistische
Abweichungen“ und „Opportunismus“.

Zusammenfassend zeigt sich mithin folgendes:

  • Auch in Thüringen vollzieht sich die Vereinigung von KPD und SPD
    unter Druck und Zwang der Besatzungsmacht gegenüber einer keineswegs
    politisch homogenen SPD.
  • Auch in Thüringen gelingt es der SED sehr früh, die Blockparteien für
    ihre Zwecke zu instrumentalisieren, nicht zuletzt dank der Mitwirkung von
    sogenannten „fortschrittlichen“ Kräften aus CDU und LDP.
  • Auch in Thüringen hat die SED in allen wesentlichen Fragen kaum eine
    Chance, sich gegen Entscheidungen der Sowjetischen Militäradministration
    durchzusetzen.
  • Auch in Thüringen wird der hier nicht besonders thematisierte Prozeß der
    Transformation der SED in eine bolschewistische Kaderpartei eingeleitet
    durch das Hinaussäubern von Parteimitgliedern. Davon betroffen sind vor
    allem diejenigen mit noch virulentem sozialdemokratischem Hintergrund,
    aber auch Kommunisten, die im Verdacht stehen, wie in den dreißiger
    Jahren eigenständig und selbstbewußt zu handeln.

2. „Die Rolle des Kulturbundes 1945 bis 1950“

Dr. Magdalena Heider: Der Verband, über den hier kurz zu berichten
sein wird, gehört zur Gruppe der Massenorganisationen. Stark vereinfacht
lassen sie sich als Verbände charakterisieren, die – zumeist ab 1948/49
unter strikter politischer und personeller Kontrolle der SED – arbeitsteilig
als Transmissionen zwischen dem politisch-ideologischen Zentrum und so-