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Studiums ist es, die Wissenschaftlichkeit, Parteilichkeit, den revolutionären
Geist und den optimistischen Charakter der philosophischen Theorie des
Marxismus-Leninismus und deren gesellschaftliche Funktion als Ausdruck der
Interessen der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei be-
wußt zu machen und Ihr Denken und Handeln philosophisch-weltanschaulich
zu motivieren.“ Und so zieht sich dies in gleicher Weise durch die nächsten
Abschnitte, durch einen zweiten sehr großen Abschnitt der Politischen Ökono-
mie des Kapitalismus und des Sozialismus und schließlich, als Höhepunkt, den
im 6. Semester gelesenen wissenschaftlichen Kommunismus, Grundlagen der
Geschichte der Arbeiterbewegung. Ich möchte dies hier nicht so ausführlich
vortragen, da ich, wie gesagt, diese Unterlagen der Enquete-Kommission sehr
gerne übergeben möchte.
Die Einstellung zum Grundlagenstudium Marxismus-Leninismus war ein
wenig dadurch geprägt, daß jeder Student wußte, daß die Note in Marxismus-
Leninismus den gleichen Rang, die gleiche Wertigkeit erfuhr, als ob man
in der anorganischen, organischen oder theoretischen Chemie einen Beleg
einholen mußte. Ich empfand es als nahezu unerträglich, daß dann diese
Note in Marxismus-Leninismus mit einer Wertigkeit in die Diplom-Note
einging, die Auswirkungen auf die Gesamtbewertung hatte. Viele meiner
Kollegen teilen auch heute die Meinung, daß man, wie wir damals, als wir
ein Graduiertenstudium absolvierten und an einer Promotion arbeiteten, auch
einen Kurs belegen müsse über marxistisch-leninistische Weiterbildung. Wenn
es wenigstens ein Thema gewesen wäre aus der Dialektik oder in einem
besonderen Programm, etwa zu Lernalgorithmen, in einer vielleicht besseren,
abstrakteren Form, mit entsprechenden Anwendungen auf das Fachgebiet,
den Wissenschaftsgegenstand, dann würde man dieses möglicherweise noch
verstanden haben. Aber man mußte, und das war eben der Zwang, der auch
auf ein solches Studium ausgeübt wurde, ein zweijähriges Doktorandenseminar
in Marxismus-Leninismus belegen und eine Arbeit abschließen. Diese Arbeit
war eine Promotionsnote, eine ausgewiesene Promotionsnote. Ich weiß von
einigen Kollegen, daß sie eine ganz ausgezeichnete wissenschaftliche Arbeit
verteidigt haben, letztlich dann aber ein „cum“ oder ein „rite“ bekamen, weil
die ML-Note nicht den fachlichen Leistungen entsprach.
Ich habe mich dann sehr darüber gefreut, daß wir wenigstens zur Habilitation
nicht noch eine derartige Arbeit einreichen mußten. Aber die Freude bezog
sich nur darauf, daß man zur Habilitation keine Note in ML brauchte. Wir
mußten jedoch alle gleichermaßen an einem Kolloquium Jenense an der Jenaer
Universität teilnehmen und mußten hier den Nachweis führen, daß wir auch
weiterhin das marxistisch-leninistische Studium betrieben, wie wir dies schon
als Student und dann als Promovend getan hatten.
Wir haben das als sehr unangenehm erlebt. Ich möchte an dieser Stelle
meinen Kurzbericht beenden. Ich glaube, wenn man das jetzt im Nachhinein
mit Abstand betrachtet, wie wir in diesem marxistisch-leninistischen Studium
gefordert wurden, wird verständlich, daß eine Aversion entsteht gegen diese
Lehre. Diese Aversion wird umso stärker sein, je stärker man die Lehre des
Marxismus-Leninismus zwangsweise an die Studenten und an die Kollegen
im Graduiertenstudium herangetragen hat. Mir hat sehr gut gefallen, was Herr
Leonhard vorhin in diesem Zusammenhang gesagt hat.
Stellvertretende Vorsitzende Margot von Renesse: Das Letzte hört sich
ja geradezu tröstlich an, so, als ob ein Übermaß an Indoktrination auch
eine Art von Immunität erreicht. Herr Dr. Ullmann, Sie sind der nächste.
Entschuldigung, bitte Herr Haschke.
Udo Haschke, MdB: Ich bedanke mich für das Wort und möchte eine
einleitende Bemerkung machen. Als vorige Woche hier in der Fraktion
zwei Berichterstatter vortrugen, war mir klar, daß man das Phänomen der
ideologischen Beeinflussung in der damaligen DDR nicht mit Vorträgen, und
wären sie noch so klug, heute haben wir sehr gute gehört, erfassen kann.
Ich habe mich deshalb entschlossen, ein paar Momentaufnahmen aus dem
ideologieträchtigen Alltag der damaligen DDR zu geben. Ich habe deshalb
einen Stapel von Ablichtungen von Originalen aus dieser Zeit verteilen
lassen.
Ich möchte begründen, wie ich zu diesen Momentaufnahmen gekommen bin.
Man hat früh am Morgen, in mehr oder weniger guter Wohnlage, sein Haus
verlassen in einer mehr oder weniger schmutzigen, stinkenden Stadt. Man
ist in einer überfüllten Straßenbahn gefahren, hat aus dem Fenster geschaut
und hat an grauen Fassaden große rote Losungen gelesen. Man ging in
den Betrieb oder in die Schule, im Betrieb durch die „Straße der Besten“,
wo die Bilder von Aktivisten aufgehängt waren. In der Schule ging man
an dem Eingangsspruch des jeweiligen sozialistischen Namensheiligen der
betreffenden Schule vorbei. In der Schule wurde zur Begrüßung nicht „Guten
Morgen!“ oder „Guten Tag!“ gesagt. Vielmehr brüllte ein Ordnungsschüler,
je nachdem Pionier oder FDJler, „Achtung!“ und dann sprangen alle auf und
machten ihr Stehmännchen. Danach wurde, bei den Pionieren etwa, gegrüßt:
„Für Frieden und Sozialismus, seid bereit!“. Die Klasse brüllte zurück: „Immer
bereit!“. So ging das ggf. sechsmal am Tag. Das gehörte dazu.
Ich meine, da ist verständlich, daß sehr viele Leute sich in solcher Situation
in Nischen, in höchst private Nischen, oft war es der Garten, die Datsche, der
Freundeskreis, zu Hause, zurückgezogen haben.
Ich möchte ein paar biographische Zahlen nennen, auch das ist wichtig. Als ich
1950 in die erste Klasse kam, hat meine Klassenlehrerin mich natürlich sofort
für die Organisation der Jungen Pioniere begeistert. Ich trug mit Stolz mein
blaues Halstuch nach Hause. Mein Vater, gerade erst ein Jahr aus russischer
Kriegsgefangenschaft zurück, hat mir sehr handgreiflich beigebracht, daß er
das nicht wünscht. In der 8. Klasse hat er mich entgeistert gefragt, es waren