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Wahlperiode 12, Band IV, Seiten 82 und 83
82
Protokoll der 39. Sitzung

und der Stalin-Doktrin über die DDR-Entwicklung bis zum Ulbricht-Referat
gezeichnet. Problematisch ist allerdings die Grundthese selbst. Deformation
setzt voraus, daß es zuvor eine unverbogene sozialistische Realität gegeben
hat. Diese sucht man in der Geschichte der DDR allerdings vergeblich.
Der Vorwurf der „antimarxistischen“ Betrachtungsweise ist zu bejahen, wenn
man an den Dogmatismus Stalins, Ulbrichts und anderer denkt. Zu welchem
Ergebnis soll aber eine solche Kennzeichnung führen?

Es drängt sich die Schlußfolgerung auf, die allerdings von keinem der Autoren
prononciert formuliert wird, es hätte in der DDR einen von Deformationen
verschonten, „reinen“ Sozialismus geben können, wenn andere Personen an
der Spitze der Machtpyramide gestanden hätten. Hier liegt meines Erachtens
auch das Problem der „Opfer“, der Andersdenkenden. Sie hielten sich für
die eigentlichen, die wahren Marxisten und fühlten sich deshalb auf der
Babelsberger Konferenz ungerecht behandelt, ja unverstanden.

Typisch hierfür ist Karl Bönningers Rolle auf der Konferenz: Nach der
Ausladung Klenners war er der einzig anwesende Hauptangeklagte. Inga
Markovits beschreibt seine Haltung treffend mit den Worten: „Karl Bönninger
spielt die ihm zugedachte Rolle schlecht. Er merkt gar nicht, daß er
sich mitten in einer Säuberungskampagne befindet, deren Objekt er ist.
Vielmehr scheint er das Treffen in Babelsberg für eine wissenschaftliche
Konferenz zu halten; er widerspricht Ulbrichts Zwischenrufen, entschuldigt
sich nicht einmal, beharrt auf seinem Standpunkt und bedauert am Ende
noch, von seinem eigentlichen Thema abgelenkt worden zu sein.“ Bönninger
war eben zu sehr Kommunist, um die Babelsberger Konferenz nicht als
Auseinandersetzung unter Genossen um die reine sozialistische Rechtslehre
anzusehen. Er fühlte sich weder als Opfer noch als Widerständler, sondern
als gleichberechtigter Teilnehmer an einer parteiinternen Richtungsdiskussion.
Für die Fundamentalkritik des bestehenden Systems haben die Denkansätze
Klenners, Bönningers und anderer nicht gereicht, dafür waren sie auch
gar nicht gemacht. Bis heute werden deshalb viele Einzelfragen erhellt,
Handlungs- und Denkweisen damaliger Akteure kritisch beleuchtet. Das
beinhaltet die Gefahr, die tatsächlichen Ereignisse nicht aus der Struktur des
Systems zu erklären, sondern aus den Charaktereigenschaften und geistigen
Qualitäten der Akteure, zumal hier eine Schwarz-Weiß-Malerei zu beobachten
ist. Indes kann man davon ausgehen, daß es auch Anhänger der Babelsberger
Konferenz gegeben hat, die aus Überzeugung (sowohl wissenschaftlicher als
auch politischer) handelten. Herausragendes Beispiel hierfür ist sicherlich Karl
Polak. In diesem Zusammenhang erweist sich die Einschätzung Mollnaus,
daß die Babelsberger Konferenz den Niedergang der Rechtswissenschaft in
der DDR einleitete, als zu kurz gegriffen und nicht belegt. Beweise für eine
Blütezeit, die dem Niedergang zwangsläufig vorangehen müßte, nennt Mollnau
nicht. Zusätzlich problematisiert wird diese Aussage durch die zutreffende

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Die Babelsberger Konferenz

Feststellung Schönburgs: „Die marxistische Staats- und Rechtswissenschaft
war als Wissenschaftsdisziplin jung; sie hatte sich ja erst nach 1951 zu
konstituieren begonnen.“

Bereits 1989/90 verwiesen die Reformvorschläge zumeist auf Deformationen
in der DDR. Damit lenkten sie den Blick – im ursprünglichen Sinn des Wortes
Reform – auf die Wiederherstellung nicht deformierter, reiner Verhältnisse.
Da aber zu keiner Zeit ein solcher sozialistischer Modellstaat existierte, kann
einziges Ziel solcher Überlegungen nur die Umsetzung der marxistischen
Theorie an sich sein. Dies gilt nicht nur in der Politik, sondern ebenso in
der Rechtswissenschaft. Vielen Dank. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Vielen Dank, Herr Professor Eckert. Ich
möchte jetzt Herrn Prof. Dr. Hermann Klenner das Wort erteilen.

Prof. Dr. Hermann Klenner: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren.
Um es vorweg zu nehmen: Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt als Märtyrer
oder ausschließlich als Opfer der Babelsberger Konferenz gefühlt. Weder
damals, noch in der Zwischenzeit und in den Veröffentlichungen, die ich nach
der sogen. Wende getätigt habe, ist diese Bezeichnung enthalten. Im Gegenteil,
ich habe geschrieben, daß ich mich als Opfer und Täter, ich habe sogar die
Reihenfolge umgedreht, als Täter und Opfer, als Dulder im Doppelsinn des
Wortes wohlgemerkt dieser Konferenz und vieler anderer Ereignisse fühle und
habe so als Wissenschaftler gehandelt.

Da mir nur eine sehr beschränkte Redezeit im Verhältnis zu dem, was Herr
Eckert vortragen durfte, zur Verfügung steht, möchte ich darauf hinweisen,
daß ich mich in den letzten zwei, drei Jahren in Publikationen zur Babelsberger
Konferenz geäußert habe und zwar einmal in einem längeren Artikel unter
der Überschrift „Babelsdorf 1958“. (Ich muß bemerken, daß diejenigen, die
damals attackiert worden waren, nicht Babelsberg sagten, sondern Babelsdorf,
um unseren Widerwillen gegen diese Personenkultsakademie zum Ausdruck
zu bringen.) Ich habe also einen längeren Artikel zu „Babelsdorf 1958“ ver-
öffentlicht mit einer umfangreichen Bibliographie, der xerokopiert worden ist
und sicherlich den ehrenwerten Mitgliedern dieser ehrenwerten Kommission
zur Verfügung gestellt werden wird oder worden ist.

Ich habe zweitens bereits 1991 einen kleineren Artikel unter der Über-
schrift „Die gescheiterte Alternative“ veröffentlicht, der sich speziell mit
den ersten Jahren der sowjetzonalen und dann nachfolgend mit der DDR-
Rechtswissenschaft beschäftigt.

Drittens habe ich auf dem Ostdeutschen Juristentag, ich glaube, im Dezember
1992, es ist 1993 veröffentlicht worden, den Versuch einer Annäherung an die
Rechtswissenschaft der DDR insgesamt publiziert.

Hierzu möchte ich auf folgendes verweisen: Ich stehe zu allen drei Artikeln
auch heute noch. Anders als Herr Eckert betrachte ich die Dinge nicht nur