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sellschaft zwingend nach sich zog. Und aus diesem Grund hat dann ein
Großteil der intellektuellen und publizierten, nachweisbar publizierten Be-
strebungen derer, die in Babelsberg gemaßregelt worden sind, darin gelegen,
diese großartigen Leistungen bürgerlicher Rechtswissenschaft dann auch zu
publizieren. Und zwar – und das ist ein Punkt, wo es eine Formulierung
von Herrn Eckert gegeben hat, die ich nicht akzeptiere – gerade unter dem
Gesichtspunkt einer Nichtakzeptanz der Gewalteneinheit. Wir haben Mon-
tesquieu gelesen, und wir haben diese Dinge publiziert und haben die auch
in der Bundesrepublik Deutschland eine ziemliche Anerkennung erfahren. Es
sind von uns publiziert worden die großartigen rechtstheoretischen und rechts-
philosophischen Werke von Kant und Hegel. Es ist von uns publiziert worden
das Anti-Zensurpamphlet von John Milton. Und es ist von uns Humboldt, der
große demokratische Liberale, publiziert worden. Das war möglich.
Hier gibt es einen Punkt, bei dem ich Herrn Eckert Recht geben muß: Es
konnte publiziert werden, indem man in Nachworten – wir haben es genannt
„mit dem Fuchsschwanz“ – argumentierte. Die Leser haben das schon kapiert.
Insofern bin ich nicht einverstanden, daß das nicht unterscheidbar gewesen
wäre. Oh nein, das war schon sehr unterscheidbar. Das hat man an der Reaktion
gemerkt.
Und da meine Redezeit nunmehr abgelaufen ist, möchte ich mich zu einem
Satz äußern, der von Herrn Eckert zitiert worden ist. Ich bin in der Tat
der Meinung, daß die Totalabwicklung der Rechtswissenschaft der DDR,
die mich persönlich nicht getroffen hat, ich bin emeritiert, einen Bruch in
der Rechtswissenschaftsgeschichte darstellt, den ich nicht zu legitimieren
bereit bin. Und ich möchte, um auch das deutlich zu machen, sagen,
daß die moralische Legitimation über die Versäumnisse, Fehler, Verbrechen
der Vergangenheit, die moralische Legitimation, darüber zu sprechen, getragen
werden sollte und getragen werden muß von der Berechtigung und der
Legitimation, über die Dinge zu sprechen, die heute in totaler Unordnung
sind. Daß wir den inneren Frieden in Deutschland nicht haben, hängt mit
einer ungleich gewichteten Beurteilung der jeweiligen Taten und Untaten
zusammen.
Ich möchte ein letztes Wort sagen zu eigenen Versäumnissen grundlegender
Art: Ich werfe mir nicht vor, das, was da in Babelsberg gesagt worden ist,
je akzeptiert zu haben. Ich bin also, um in der Parteisprache zu sprechen,
marschiert bis hinauf zur Zentralen Parteikontrollkommission und es war für
mich eine Schande, daß ich, als ich da oben ankam, und die Tür öffnete,
genau auf die Personen traf, die auch schon auf der untersten Ebene, also
drei Instanzen zuvor, das Parteiverfahren mit durchgeführt hatten. Ich werfe
mir nicht vor, daß ich die Ergebnisse der Babelsberger Konferenz akzeptiert
habe. Weiter möchte ich anmerken und das hat Herr Eckert zu Recht gesagt:
Die Rechtswissenschaftler der DDR haben diese Babelsberger Konferenz
in ihren Ergebnissen weitgehend verinnerlicht. Und zwar ohne Zwang, von
Folter schon gar nicht zu sprechen. Was ich damit sagen will, heißt, daß ich
diejenigen weitgehend moralisch entlaste, aber intellektuell belaste. Was ich
mir selber am meisten vorwerfe und überhaupt vorzuwerfen habe, ist ein Tun
durch Nichtstun, d. h., der Versuch, immer im Rahmen eines für reformfähig
gehaltenen Systems die Grenzen nicht zu überschreiten, das ist der Punkt.
Diesen Punkt nie genau so sicher gehabt zu haben, ihn nie überschritten zu
haben oder ganz selten überschritten zu haben oder nur unter vier oder unter
sechs Augen überschritten zu haben. Man wußte ja, mit wem man sprach. Das
ist in der Tat etwas, was ich mir vorzuwerfen habe und was dazu beiträgt,
daß ich mich mitnichten etwa als Märtyrer oder Opfer, sondern bitte sehr als
Täter, Opfer und Dulder im Doppelsinn des Wortes betrachte. (Beifall)
Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, Herr Professor Dr.
Klenner. Ich erteile jetzt Herrn Prof. Dr. Karl Mollnau, ebenfalls Berlin, das
Wort.
Prof. Dr. Karl Mollnau: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und
Herren. Als ich die Anfrage erhielt, hier auftreten zu können, habe ich keinen
Moment gezögert, diese Einladung anzunehmen, wofür ich mich auch hier
noch einmal bedanken möchte.
Es wird erwartet, daß ich aus der Sicht des Zeitzeugen spreche. Das ist
richtig, aber kann doch nunmehr nicht mehr so erfolgen, denn seit 2 Jahren
beschäftige ich mich im Rahmen eines Forschungsprojekts damit, anhand
von Archivmaterialien aus dem Parteiarchiv der SED zur Geschichte der
Rechtswissenschaft und zur Geschichte der Justiz zu untersuchen, was wirklich
geschehen ist.
Es ist hier schon eingangs von Herrn Eckert gesagt worden, daß ich in bezug
auf die Babelsberger Konferenz der Meinung gewesen sei, daß es möglich
gewesen wäre, eine Reform in der DDR herbeizuführen und Zustände zu
organisieren, die mit demokratischem Sozialismus oder wie man das auch
immer bezeichnen will, etwas zu tun haben. Ich glaube, es ist dies von einem
bestimmten Zeitpunkt an eine Illusion gewesen. Darüber will ich nicht weiter
sprechen. Das ist eine Diskussionsfrage.
Nun möchte ich zu dem Gegenstand etwas sagen. Das erste, worauf ich
hinweisen möchte, anknüpfend an Herrn Eckert, ist die Tatsache, daß man
der Babelsberger Konferenz nicht gerecht wird, wenn man sie nur als
rechtswissenschaftliches Ereignis, auch als rechtswissenschaftliches Ereignis
der SED betrachtet. Ganz anders herum wird ein Schuh daraus. Diese
Konferenz war ein Politikum ersten Ranges. Sie haben einiges angedeutet.
Ich will noch einiges hinzufügen. Und zwar hinzufügen unter dem Gesichts-
punkt, daß diese Konferenz mit ein Angelpunkt in der Strategie und Taktik
gewesen ist, die Walter Ulbricht und seine Gruppierung im Politbüro im
Sekretariat und in den Parteiapparatbereichen, die ihm hörig gewesen sind,