Fehler melden / Feedback
keine Verfolgungsverjährung eingetreten. Das heißt, die Verjährung solcher
Straftaten hat nicht begonnen, sondern die Verjährung hat geruht. Dies gilt
auch für Straftaten, die – ich sage es einmal ganz grob – politisch veranlaßt
gewesen sind und in der DDR begangen worden sind.
Das Problem des Ruhens der Verjährung ist also meines Erachtens jedenfalls
soweit geregelt, wie man da etwas regeln konnte.
Ein zweites Problem beschäftigt aber die Länder derzeit im Bundesrat.
Die SPD-Fraktion hat einen Antrag in ähnlicher Richtung im Bundestag
eingebracht; wir werden uns wohl bald mit dem Bundestag darüber unterhalten
müssen: Das ist die Frage der jetzt neu eintretenden Verjährung. Das heißt,
wenn die Verjährung bis zur Wiedervereinigung, bis zum 3. Oktober 1990,
geruht hat, beginnt von diesem Tage an die Verjährung neu zu laufen. Wir
haben in § 78 Strafgesetzbuch Verjährungsfristen von drei Jahren, fünf Jahren,
zehn Jahren und zwanzig und dreißig Jahren.
Die dreijährigen Verjährungsfristen laufen jetzt im Herbst ab. Wir haben uns
lange überlegt, ob man das einfangen muß, ob man es einfangen kann. Wir –
also die Länder – werden im Bundesrat wahrscheinlich zu dem Ergebnis
kommen, daß wir relativ geringfügige Taten, bei denen eine nur dreijährige
Verjährungsfrist läuft – es sind relativ wenige laufende Verfahren; dort, wo
man es kann, soll man die Verjährung noch unterbrechen –, verjähren lassen.
Wir schaffen es anders zeitlich kaum, und es gibt auch politisch dagegen
einigen Widerstand; das muß man auch deutlich sagen.
Aber wir werden wahrscheinlich dazu kommen, die fünfjährige Verjährungs-
frist – und in dieser Legislaturperiode haben wir dann noch etwas Luft, um
uns auf die Modalitäten zu einigen – zu verlängern, so daß die nach wie vor
noch im Aufbau befindlichen Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizeien in
den neuen Ländern dann auch ausreichend Zeit haben zu ermitteln. Denn eines
geht nicht – das ist jedenfalls meine feste Überzeugung –, daß wir die gan-
zen Stasi-Akten allen Betroffenen zur Einsicht zugänglich machen, 300.000,
400.000 Anträge – ich weiß nicht, wie viele Anträge es jetzt eigentlich sind –
(Präsident des Oberlandesgerichts Hausmanns: 1,7 Millionen!)
1,7 Millionen Anträge stellen lassen, ohne die Menschen dort bei der
Einsichtnahme überhaupt bedienen zu können. Das dauert zwei, drei Jahre,
bis sie hineingucken können; dann finden sie ihre Peiniger, und dann sagt der
Staat: April, April, alles verjährt! Das wird wahrscheinlich niemand politisch
aushalten – und ich halte es auch nicht für richtig.
Aus diesem Grunde gibt es diese Bemühungen um die Verlängerung der
Verjährung, und ich nehme an, daß Länder und Bundestag da an einem
Strang ziehen werden und möglichst bald damit fertig werden, damit dann
Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizeien für ihre Ermittlungstätigkeit eine
Rahmenvorstellung haben, in welcher Zeit sie die Arbeit weitgehend erledigen
müssen.
Das war ein ganz kurzer Überblick über das, was die Justiz, was der
Justizminister, was die Länder und der Bundestag an Aufarbeitung sowohl
bei der Rehabilitierung als auch bei der Kassation von Urteilen bei der
Wiedergutmachung leisten, aber auch über das, was sie bei der strafrechtlichen
Aufarbeitung leisten.
Und da wir uns ja nicht so oft sehen, ist es ganz gut, daß wir so ein bißchen
voneinander wissen, was wir denn tun, denn der Staat ist so groß geworden und
die Gremien sind so vielfältig, daß man Mühe hat zu wissen, was eigentlich
wo passiert – deshalb dieser kleine Bericht von mir über die Tätigkeit der
Länder, die Tätigkeit der Gesetzgebung und die Ermittlungsverfahren. Vielen
Dank!
(Beifall)
Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, Herr Minister Helmrich,
für Ihr berichtendes Grußwort.
Aus Berlin ist Herr Professor Dr. Hubert Rottleuthner zu uns gekommen.
Wir haben ihn darum gebeten, damit er uns zum Generalthema ein Stück
mehr in den institutionellen Rahmen einführt und uns allgemeine Erkenntnisse
vermittelt.
Bitte schön, Herr Professor!
Prof. Dr. Hubert Rottleuthner: Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich danke zunächst für
die Einladung zu diesem Vortrag, und ich bitte gleich um Verständnis
dafür, daß mit mir ein „Externer“ über etwas redet, was er selbst nicht
erlebt hat. Allerdings habe ich bei dem Projekt, das ich im Auftrage des
Bundesjustizministeriums durchführe und über dessen wichtigste Ergebnisse,
was die Justizsteuerung angeht, ich im folgenden hier berichten möchte, vor
allem mit Wissenschaftlern aus der DDR zusammengearbeitet. Die wiederum
haben bei dieser Arbeit auch so ihre neuen Erlebnisse gehabt.
Außerdem bin ich kein Anhänger der These, daß man nur das verstehen
kann, was man selbst erlebt hat. Das wäre die Bankrotterklärung jeder
Geschichtsschreibung. Die müßten wir dann jetzt mittlerweile irgendwo um
1900 abbrechen. Ich bin nur sehr vertraut mit dieser These, weil sie mir
immer wieder vorgehalten wurde auf meinem Spezialgebiet, der Justiz im
Nationalsozialismus; da hört man diese These sehr häufig von der älteren
Generation.
Jede Gesellschaft, in der die Unterscheidung zwischen Rechtsetzung und
Rechtsanwendung, zwischen Gesetzgebung und Justiz, in irgendeiner Weise
existiert – und das sind alle neueren Gesellschaften, steht vor dem Problem,
wie die Konformität des Rechtsstabes zu sichern ist, also die Konformität
der Personen, die mit der Interpretation, Anwendung und Durchsetzung
von vorgegebenen Rechtsnormen befaßt sind. Die Frage ist: Wie gelingt