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Wahlperiode 12, Band V/2, Seiten 1108 und 1109
 

Wolfgang Benz

Deutschlandpolitische Grundsatzpositionen und
Zielvorstellungen in den westdeutschen Besatzungszonen
1945–1949

 

Einleitung
I.Ausgangslage und Konstellation 1945/46
1.Der äußere Rahmen. Alliierte Deutschlandpolitik und deutsche Möglich-
keiten
2.Restitution des deutschen Nationalstaats als selbstverständliche Annahme
3.Traditionen und sezessionistische politische Konzepte nach dem Zusam-
menbruch des NS-Staates
4.Realismus als Konsequenz der politischen Lage. Folgen des Antagonismus
der Großmächte nach dem Bruch der Anti-Hitler-Koalition für Deutsch-
land: Frühe Prognosen der Teilung Deutschlands
5.Programme und Perspektiven. Verfassungsentwürfe und deutschlandpoliti-
sche Konzeptionen der Parteien 1945–1948/49
II.Programme und Realitäten: Kernstaat und Magnettheorie
1.Entfremdung und Stagnation. Die Münchner Ministerpräsidenten-Konferenz
1947 als Symptom
2.Diskussion der Offerte zur Weststaatgründung und Annahme des alliierten
Auftrags im Sommer 1948
3.Pragmatismus und Westbindung: Die Abkehr vom Nationalstaat, Position
Adenauers und der CDU
4.Einheitspostulat und Anti-Kommunismus: Positionen der SPD und Kurt
Schumachers Magnettheorie
Zusammenfassung

 

Einleitung

Im Schock des Untergangs des nationalsozialistischen Staates und der ab
Frühjahr 1945 offenbar werdenden Dimensionen seiner Verbrechen hatte die
Frage, ob mit dem von Adolf Hitler geführten Deutschen Reich auch der
deutsche Nationalstaat untergegangen war, aus verschiedenen Gründen für
die meisten Deutschen zunächst weder existentielle noch aktuelle Bedeutung:
Entweder reichte die Phantasie der aus innerer Emigration, zwangsläufiger

1109
Grundsatzpositionen in den Westzonen

Zurückhaltung und Untätigkeit, aus Widerstand und Haft zurückkehrenden
politisch denkende (zum Handeln erst allmählich wieder legitimierten) Men-
schen nicht aus, um sich die Aufspaltung des Deutschen Reiches in ein-
zelne Nachfolgestaaten vorstellen zu können; oder ihr Blick war ganz auf
die Territorialverluste im Osten gerichtet, woraus nicht nur für Konserva-
tive der selbstverständliche Schluß zu ziehen war, wo nach den Mustern
der Revisionspolitik der Weimarer Republik die Fronten und Konfliktlinien
künftiger deutscher Politik verlaufen würden: vermutlich im Kampf um die
Rückgewinnung der verlorenen Ostgebiete. Die auf der Potsdamer Konferenz
außerdem verkündete Vertreibung der Deutschen aus den Siedlungsgebieten
in Ostmitteleuropa, lenkte weiter den Blick davon ab, was man künftig in der
Realität unter dem Begriff der „deutschen Frage“ zu verstehen hatte, nämlich
die Wiedergewinnung von staatlicher Existenz und Souveränität ausschließlich
auf dem Territorium, das nach dem Beschluß der alliierten Siegerstaaten in
vier Besatzungszonen eingeteilt war zum Zweck der Entmilitarisierung und
Demokratisierung auf ungewisse Zeit.

Andererseits gab es auch Überlegungen, die Stunde des Zusammenbruchs zur
Neuordnung zu benutzen. Unter dem Beifall der französischen Besatzungs-
macht wurden in den Anfängen der Besatzungszeit Positionen des rheinischen
Föderalismus diskutiert, die aus der Zerschlagung des ungeliebten Preußens
unter antikommunistischer Prämisse die Rheinbundidee wieder beleben soll-
ten. Aus ähnlichem Antrieb gab es in Niedersachsen das Wiedererwachen
welfischer Traditionen und wurden in Bayern Sehnsüchte an die einstige
größere Selbständigkeit im Bismarck-Reich oder besser noch in der Zeit davor
kultiviert.

Solche Perspektiven blieben aber den im Vordergrund stehenden pragmati-
schen Problemen untergeordnet. In den Jahren 1945 bis 1948 waren deutsche
Politiker nur dazu aufgefordert, im alliierten Auftrag und unter alliierter Kon-
trolle im engen Rahmen der Landespolitik, schließlich auf Zonenebene (nicht
jedoch auf französischem Besatzungsgebiet) und, im Falle der amerikanisch-
britischen Bi-Zone ab 1947, auf geringfügig höherer Ebene an der Verwaltung
des Mangels und des Hungers, der Wiederherstellung von Infrastruktur und
Wohnraum und an der politischen Säuberung im Rahmen der „Entnazifizie-
rung“ mitzuwirken.

Die Realitäten des Besatzungsalltags lenkten die Phantasie der Menschen
in den drei westlichen Zonen auf Probleme des materiellen Wiederaufbaus
und im Zeichen des Kalten Krieges auf die Abwehr der gesellschaftlichen
und der damit verbundenen strukturellen Veränderungen in der sowjetischen
Besatzungszone. Mit diesen Notwendigkeiten war unter alliierter Kuratel der
Rahmen deutschen Wirkens abgesteckt, für Visionen darüber hinaus bestand
zunächst kein Bedarf, oder ihre Notwendigkeit wurde nicht gesehen.