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Wahlperiode 12, Band V/2, Seiten 1922 und 1923
1922
Hans-Peter Müller

aufgebracht habe. Der Zeuge Wildenhain gab jährliche Zuwendungen an die
DKP in Höhe von 50 bis 60 Mio. DM und an die SEW in Höhe von 12
bis 15 Mio. DM an, die aus seinem Bereich nach bestätigten Jahresplänen an
die beiden Parteien flossen. Zusätzliche Finanztransfers aus anderen Quellen
mochte er nicht ausschließen. Der Zeuge Ahrend gab an, daß nach seinem
Kenntnisstand die Beitragsmoral der DKP-Mitglieder außerordentlich zu
wünschen übrig ließ und daher in Wirklichkeit als minimal und weit unterhalb
der offiziellen Angaben der Partei einzuschätzen sei. Danach wäre der Anteil
der Fremdfinanzierung am Gesamtetat der DKP auf über 95% anzusetzen
gewesen bei einem geschätzten Etatvolumen von ca. 80 Mio. DM.

Betrachtet man im Gegensatz zu dieser Quellenlage die tatsächliche Aus-
kunftskraft der bislang im Bundesarchiv zugänglichen Materialien, so läßt
sich deren Aussagebereich folgendermaßen eingrenzen:

Die im ZK-Sekretariat beschlossenen Gesamtfinanzpläne der SED geben
zwar summarisch die Aufwendungen für die Westarbeit an, jedoch nur in
Mark der DDR, und d.h. für jene Teile, die als Personal- oder in der
DDR erbrachte Sachaufwendungen dort ausgabewirksam wurden. Sämtliche
Transfers, und das wären die im Rahmen dieser Expertise interessanten
Informatioen gewesen, sind in einer solchen Bilanzierung nicht erfaßt, sondern
wurden getrennt und in der Regel verdeckt abgewickelt.

Der Vergleich der Aussagekraft dieser wenigen Angaben belegt, daß die
entscheidenden Quellen bislang alle außerhalb des bis dato gesichteten
Quellenbestandes im ehem. SED-Parteiarchiv zu lokalisieren gewesen sind.
Hinweise darauf, daß aufgrund ungesichteter Materialien hier eine dramatische
Trendwende zu erwarten wäre, haben sich bisher nicht ergeben.

9. Empfehlung: Aus den genannten Gründen wäre es ratsam, zu einem
späteren Zeitpunkt in einer gesonderten Expertise die bis dahin disparat
angefallenen Erkenntnisse über das Finanzwesen der SED im Verhältnis zur
DKP zusammenzuführen und dabei insbesondere die folgenden, z.T. bereits
erwähnten Quellen heranzuziehen:

  1. Teilberichte des 1. Untersuchungsausschusses
  2. Auskünfte der Unabhängigen Kommission Vermögen der Parteien und
    Massenorganisationen und der Treuhandanstalt
  3. Auskünfte des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Ministeriums für
    Staatssicherheit
  4. Die beim PDS-Vorstand gelagerten KPD- und DKP-Archivalien
1923
Westarbeit der SED am Beispiel DKP

Schlußbemerkung

Als Resümee dieser notwendig nur sehr skizzenhaften gutachterlichen Dar-
legungen läßt sich formulieren, daß für den Gegenstandsbereich DKP eine
dramatische Verbesserung der Quellenlage festzustellen ist, die dringend
Anlaß zu weiteren Recherchen und Forschungen bieten sollte. Dabei geht
es nicht nur darum, die Intentionen und zeitgeschichtlichen Funktionsum-
stände dieses politischen Interventionsapparates auf dem Territorium des –
aus SED-Sicht – westdeutschen Konkurrenzstaates zu verstehen. Soll das
völkerrechtliche Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten
mehr sein als eine taktisch instrumentalisierbare Floskel, dann ermöglichen
derartige Untersuchungen Beiträge zu einer Reflexion über die zulässige Band-
breite der Gegnerbeeinflussung und über Grundsätze der politischen Kultur in
einer demokratischen Gesellschaft. Die Mitgliederzahlen der DKP mögen aufs
Ganze betrachtet unbedeutend geblieben sein. Für die politikwissenschaftliche
Extremismusforschung ist es allemal von Bedeutung, bewußt zu machen,
wie es extremistischen Organisationen gelingt, bei ihren Mitgliedern eine
Immunisierung hinsichtlich der Einhaltung demokratischer Spielregeln durch-
zusetzen und trotzalledem Berührungsängste Außenstehender ihnen gegenüber
abzubauen.

10. Empfehlung: Aus denselben genannten Gründen wäre daher auch dringend
zu empfehlen, eine Expertise zu denselben Untersuchungsfeldern für den
SED-Ableger in West-Berlin, die SEW in Auftrag zu geben.

Der Auftrag dieses Gutachtens war auf die Themenfelder Parteigründung
und Vertragspolitik sowie zentrale Anleitung und Finanzierung eingegrenzt
worden. Es sollte jedoch nicht verabsäumt werden, auf weitere Untersuchungs-
felder hinzuweisen, für die die bis jetzt vorgenommene Materialsichtung
ebenfalls eine deutliche Verbesserung der Quellenlage ergeben würde:

  • Bündnis- und Wahlbündnispolitik
  • Jugendarbeit
  • Studentenarbeit
  • Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
  • Presse- und Publikationswesen
  • Good-will-Propaganda für die DDR vor allem im Bereich des Kulturbe-
    triebs
  • DKP als Reisebüro für westdeutsche Besuchsdelegationen
  • Instrumentalisierung des bundesdeutschen Hochschulausbildungs- und Prü-
    fungswesens