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Wahlperiode 12, Band V/3, Seiten 2332 und 2333
2332
Peter Schütt

Arbeiterklasse“. Er bestritt oft und gern, daß die DKP „eigene und besondere
Interessen“ hätte, und betrachtete die Partei als westdeutschen, „im Bauch der
imperialistischen Bestie operierenden Vorposten“ der SED. Sein Hauptziel,
daraus hat er nie einen Hehl gemacht, war und blieb die „Stärkung der DDR“ –
als Voraussetzung „für den siegreichen Kampf um den Sozialismus in ganz
Deutschland“.

Die Bindungen der DKP an die DDR konnten nicht enger sein. Die aller-
meisten führenden Funktionäre waren im SED-Staat zuhause. Sie waren oft
schon vor dem KPD-Verbot nach drüben übergesiedelt, hatten dort Familien
gegründet und wurden dort seßhaft. Viele von ihnen behielten auch nach ihrer
Rückkehr in den Westen in Ostberlin ihre Zweitwohnung, besaßen in Grenz-
nähe eine „Datsche“ oder verfügten über einen festen Ferienplatz in einem
Gästehaus der SED oder des FDGB. Mithilfe eines FDGB-“Ferienschecks“
konnten sie jederzeit in die DDR einreisen, konnten dort kostenlos alle
öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und in vielen Partei-“Objekten“ Gast-
recht beanspruchen. Die Mitarbeiter der Düsseldorfer Parteizentrale besaßen
zudem Sonderausweise, die sie zum Einkauf in den Nomenklaturläden und
zur bevorzugten Bedienung in allen HO-Restaurants berechtigten. So wird
verständlich, daß sich die meisten DKP-Funktionäre an jedem freien Wochen-
ende und in ihren Ferien in der DDR aufhielten und dort die „Segnungen des
Sozialismus“ genossen, ohne etwas von den alltäglichen Sorgen und Ängsten
der DDR-Bevölkerung zu erfahren. Die Weihnachtsfeiertage verbrachte das
gesamte DKP-Präsidium samt seinen Familienangehörigen in aller Regel
in einem SED-Gästehaus der Spitzenklasse, zusammen mit hochrangigen
„Kampfgefährten“ der „Bruderpartei“.

Die Funktionäre auf der DKP-Bezirksebene hatten entsprechende „Anbin-
dungen“ an die Parteiorganisationen in den SED-Partnerbezirken. Als Bei-
spiel seien die Hamburg-Rostocker Parteibeziehungen genannt, die durch die
räumliche Nähe zusätzlich begünstigt wurden. Für untere Funktionsträger gab
es gleich hinter der innerdeutschen Grenze einen Stützpunkt mit Datschen,
Wohnwagen- und Campingplätzen. Für die hauptamtlichen Parteiarbeiter stand
mit dem Haus Stolteraa in Warnemünde ein eigenes Gästehaus zur Verfü-
gung, in dem das Bezirkssekretariat auch Sitzungen und Wochenendtagungen
durchführte. Die Westabteilung der Rostocker SED, die von Georg Rechel2

geleitet wurde, verfügte über weitere vier Mitarbeiter, die ausschließlich für
die Anleitung und Betreuung der Hamburger Genossen zuständig waren.
Das wichtigste Mittel zur Anbindung der DKP-Funktionäre an die SED war
naturgemäß ihre Bezahlung. Die Mehrzahl der für die Partei hauptberuflich

 

  1. Über Georg Rechel vgl. Peter Schütt, Mein letztes Gefecht. Abschied und Beichte eines Genossen. Böblingen 1992, S. 209 ff.
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Kulturpropaganda der DKP

tätigen Genossen war formal bei einem in der Bundesrepublik tätigen DDR-
Unternehmen angestellt, in Hamburg beim Reisebüro Hansa-Tourist und bei
der Firma Richard Ihle beim Schiffstransport, der DDR-Niederlassung im
Hamburger Hafen. Als im Dezember 1989 das Wirtschaftsimperium der SED
im Westen zusammenbrach, lagen mit einem Male allein in Hamburg 29
Parteiarbeiter auf der Straße, von der SED besoldete Mitarbeiter der DKP,
der VVN, der DFU, der SDAJ und des MSB Spartakus.3

Jeder hauptamtliche Funktionär der DKP mußte entweder vor Aufnahme
seiner Tätigkeit oder zumindest nach den ersten drei, in Ausnahmefällen
fünf Jahren Parteiarbeit eine Funktionärsschule besuchen, entweder das
„Franz-Mehring-Institut“ in Berlin-Biesdorf oder die Leninschule in Moskau,
zu der jedoch nur jeder sechste Parteischüler der DKP delegiert werden
konnte. Für eine Tätigkeit auf Kreisebene war mindestens die Absolvierung
eines Jahreslehrgangs erforderlich, für alle höheren Funktionen war ein
Dreijahresstudium obligatorisch. Alle Lehrer am Franz-Mehring-Institut waren
SED-Funktionäre. Der Lehrstoff war eng an das Parteilehrjahr der SED
angelehnt. Für die „Mehrlinge“ war die Zeit in Ostberlin eine „harte Schule“.
Sie durften nur zweimal im Jahr ihre Angehörigen treffen, durften nur selten
Brief schreiben und nie telefonieren. Das Schulgelände durften sie in der Regel
nur am Wochenende verlassen. Diese klösterlich strengen Verhaltensregeln
sollten die Funktionäre zur bedingungslosen Hingabe an die Partei und an den
SED-Sozialismus erziehen. Zwischen den Absolventen der Ostberliner und
der Moskauer Parteischule bestand innerhalb der DKP eine gewisse Rivalität.
Die „Moskowiter“ argwöhnten, sie würden beim Aufstieg im Parteiapparat
benachteiligt. Insofern fällt auf, daß alle hauptamtlichen Funktionäre, die sich
1987/88 für die Erneuerung der DKP und für die „Perestroika“ einsetzten,
nicht in Ostberlin, sondern in Moskau „Marxismus-Leninismus“ studiert
hatten.

Zielstrebig und planmäßig betrieben die Führungen von SED und DKP vom
Moment der Neukonstituierung an den Aufbau eines eigenen Kultur- und Me-
dienimperiums. Die Bedingungen für die kommunistische Kulturpropaganda
wurden im Westen Deutschlands als denkbar günstig betrachtet. Die DKP
versuchte sich als „Deutsche Kulturpartei“ zu profilieren und damit unter in-
tellektuellen Anhängern der Studentenbewegung Einfluß zu gewinnen. Schon
1969 wurden 14 bereits bestehende oder neugegründete Verlagsunternehmen,
die von Kommunisten kontrolliert wurden, und anfangs zwei Dutzend, spä-
ter bis zu 39 „collectiv“-Buchhandlungen zu einer Literaturholding zusam-
mengeschlossen, der „Arbeitsgemeinschaft demokratischer und sozialistischer
Verleger und Buchhändler“. Mit dieser „AG“ stand der SED und der DKP

 

  1. VVN = „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“, seit 1980 mit dem Zusatz: BdA = „Bund der Antifaschisten“ – DFU = „Deutsche Friedensunion“ – SDA = „Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend“ – MSB Spartakus = „Marxistischer Studentenbund Spartakus“.