schließen

Fehler melden / Feedback

Angezeigte SeitenWahlperiode 12, Band V/3, Seiten 2340 und 2341 (wp12b5_3_0339)
betrifft 1)
Fehlerart 1)Seiten-Überschrift falsch
Seiten-Nummer falsch
Seiten-Nummer-Position falsch (rechts/links)
falsches Bild / Bild fehlt
Seite wird nicht angezeigt
Fehler im Text
Formatierung falsch
nicht aufgeführter Fehler / nur Feedback
Ihr Name
Erklärung/Feedback 1)
(nur erforderlich, falls
nicht aufgeführter
Fehler
oder nur Feed­back)
Ihre E-Mail-Adresse 2)
1)  erforderlich
2) für Rückfragen, empfohlen
   
Wahlperiode 12, Band V/3, Seiten 2340 und 2341
2340
Peter Schütt

Am Beispiel der Medien wird deutlich: Die SED duldete innerhalb der DKP
und ihres Umfeldes keine Abweichungen von der Parteilinie. Sie nutzte
das kulturpropagandistische Instrumentarium der westdeutschen Kommunisten
ausschließlich im Interesse ihrer eigenen Machtpolitik. Darum war die heim-
liche Sorge mancher DKP-Führungsmitglieder, der große Bruder im Osten
könnte den kleinen Anhang im Westen einfach fallen lassen, wenn es die
SED-Interessen erforderten, nicht ganz von der Hand zu weisen.8 Tatsächlich
war der SED trotz ihrer millionenschweren Subventionen zu keiner Zeit ernst-
haft an einer starken, selbstbewußten und selbstbestimmten Kommunistischen
Partei im Westen Deutschlands, die gegebenenfalls mit eigener Stimme sprach,
gelegen. Sie benötigte für ihre taktischen und strategischen Interessen eine
ihr bedingungslos ergebene, ideologisch, ökonomisch und politisch restlos
abhängige Kaderpartei, „keinen losen auseinanderlaufenden Haufen, sondern
eine schlagkräftige und geschlossene Truppe“, wie sich der Vorsitzende der
DKP-Bundesschiedskommission Otto Hans auszudrücken pflegte. Die angebli-
chen „Kommunistenverfolgungen“ in der Bundesrepublik, die „Berufsverbote“
und „Wahlbehinderungen“ gegenüber DKP-Aktivisten paßten der SED durch-
aus ins Konzept, ließ sich an diesen Beispielen doch demonstrieren, daß es
im Westen Deutschland weder Freiheit, Demokratie noch Menschenrechte
gab. Mehr noch: Die Kulturpropaganda der SED benutzte vor allem den
Radikalenerlaß, der den Kommunisten den Zugang zum öffentlichen Dienst
erschwerte, als Rechtfertigung für die Unterdrückung der Dissidenten im
eigenen Machtbereich. Die von der SED 1988 ausgebürgerte Bürgerrechtlerin
Freya Klier hat in mehreren Interviews noch vor der Wende die Beobachtung
wiedergegeben: „Immer dann, wenn sich im ’Neuen Deutschland’ die Mel-
dungen über immer neue Berufsverbote für die westdeutschen Kommunisten
häuften und sich wiederholten, dann wußten wir, jetzt plant die SED wieder
einen Schlag gegen die Opposition im eigenen Land.“9

Für die SED-Führung war die DKP lediglich ein in die Bundesrepublik
verlängerter Arm ihres Parteiapparates. Zwar nahm der DKP-Vorsitzende
Herbert Mies nicht mehr wie ehedem der KPD-Vorsitzende Max Reimann
an allen wichtigen Sitzungen des SED-Politbüros teil, aber seine einzelnen
Mitglieder wie Hager, Krenz, Axen und Honecker selber nahmen sich immer
wieder das Recht, der DKP-Führung Weisungen zu erteilen, als handelte es
sich um eine Unterorganisation der eigenen Partei. Dabei kam es gelegentlich
zu regelrechten Kuriositäten. Schon bald nach seinem Amtsantritt übermittelte
Erich Honecker der DKP-Führung den „Wunsch“, die Partei möge doch
wie in den guten alten Klassenkampfzeiten wieder „Schallmeienkapellen“
aufspielen lassen – in seinem saarländischen Heimatort Wiebelskirchen und

 

  1. Unveröffentlichte Schlußbemerkungen von Herbert Mies auf der 2. Tagung des DKP-Parteivorstandes im Juni 1986.
  2. Rede Freya Kliers am 29.11.1989 im „Philosophenturm“ der Hamburger Universität.
2341
Kulturpropaganda der DKP

anderswo. Mit einiger Mühe gelang es schließlich den Genossen, im Saarland,
in München, Kiel und Hamburg altväterliche Schallmeienzüge zum Lobe
des Proletariats und seiner Avantgarde aufzustellen. In Hamburg wurden
die „Wilhelmsburger Jungens“, die vorher vor allem auf Fußballplätzen und
eher am rechten Rand aufgespielt hatten, regelrecht aufgekauft und dank
Ferienplätzen in der DDR, neuer Uniformen und Instrumente dazu gebracht,
die Fahnen zu wechseln. Als Ende 1989 schlagartig die Finanzquellen der SED
versiegten, tauschten die Hamburger Schallmeien von neuem die Fronten und
machten fortan „Arbeitermusik“ für die rechte Szene.

1974 wurden auf ausdrückliche Empfehlung von Margot und Erich Honecker
die „Jungen Pioniere“ gegründet, die „proletarische Kinderorganisation“ der
DKP. Praktisch hatten die „Juppis“ allerdings keine höhere Aufgabe, als
alljährlich Tausende bundesdeutsche Kinder zu kostenlosen Propagandaferien
in die Pionierlager der FDJ zu schicken. Sie SED kannte keine Hemmungen,
im Rahmen ihrer „Kinderferienaktionen“ auch Zehnjährige in ihre Desin-
formationskampagnen einzubeziehen und sie an Fahnenappellen und FDJ-
Aufmärschen gegen die „Mordpläne der NATO-Kriegsbrandstifter“ teilneh-
men zu lassen. Auf direkte Weisung des SED-Generalsekretärs versuchte die
DKP auch im Westen Deutschlands die Jugendweihe hoffähig zu machen.
Sie nutzte ihre Kontakte zur Freidenkerbewegung, zur Naturfreundejugend
und zu Teilen der Gewerkschaftsjugend, um „Arbeitsgemeinschaften für Ju-
gendweihe“ ins Leben zu rufen. Sie waren dem äußeren Anschein nach
„unparteilich“ oder „parteilich nicht gebunden“, aber ihr Schulungsmaterial
kam ausschließlich vom „Zentralausschuß für Jugendweihe“ in der DDR. In
einigen Bundesländern wie Hamburg gelang es den „Arbeitsgemeinschaften“
zeitweise, ihre Vorbereitungskurse auch offiziell über die Schulen anzubieten,
als Alternative zum konfessionellen Religionsunterricht.

Die Kulturpolitik und -propaganda der DKP wurde von der SED zentral
gelenkt und angeleitet. Zweimal im Jahr, im Juni und im Dezember, wurden
die Mitarbeiter der Kulturabteilung des DKP-Parteivorstandes ins Haus des
ZK der SED bestellt. Sie wurden dort über die aktuelle Lagebeurteilung
und die Schwerpunkte der SED-Agitation informiert, und zum Abschluß der
Beratungen wurde in detaillierten „Arbeitsvereinbarungen“ Punkt für Punkt
festgelegt, welche kulturpolitischen Vorhaben die SED mit Hilfe der DKP
in den folgenden sechs Monaten im Westen Deutschland durchführen wollte.
Entsprechende „Maßnahmepläne“ gab es außerdem auf bezirklicher Ebene
zwischen den Kulturabteilungen der betreffenden „partnerschaftlich verbun-
denen“ Parteiorganisationen, die sich ebenfalls ein- bis zweimal im Jahr zu
gemeinsamen Arbeitsberatungen in der Regel auf dem Boden der DDR trafen.
In den letzten Jahren vor dem Zusammenbruch der DDR fühlten sich die
SED-Anleiter ihrer Sache jedoch so sicher, daß sie keine Scheu kannten,