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Wahlperiode 12, Band VIII, Seiten 84 und 85
84
Protokoll der 23. Sitzung

darüber zu reden und zu diskutieren und es zu vervielfältigen. Das habe ich
auch schön gemacht, weil das ein hochinteressantes und gutes Papier war und
das genau war die Falle. Ich bin also kurze Zeit später inhaftiert worden. Die
Haftzeit dauert ein Vierteljahr. Ich bin dann mit Hilfe des beherzten Einsatzes
von Petra Kelly und Gerd Bastian entlassen worden.

Ich habe dann, wie soll ich sagen, schade, daß Roland Jahn nun nicht hier ist.
Ich habe hier so eine schöne Geschichte, wo also über Roland Jahn berichtet
wird. Der „Feind“ Roland. Der Jahn aus Jena, mit wem der alles Kontakt
hatte, mit Jürgen Fuchs, Peter Rösch, Rüdiger Rosenthal und eben auch mit
uns in Halle und mit den Grünen. Ich habe ganze Listen von IMs und ihren
Einsatzplänen. Das unterteilt sich in Freizeitbereich, in Arbeitsbereich und in
Teilaufgaben. So finde ich es bei mir vor. Ich habe in diesen Akten ca. 40
IMs gefunden und weit über das Doppelte an hauptamtlichen Mitarbeitern. Ich
habe mal die ganzen Namen einfach, die vorkommen in den Akten, die also
irgendetwas unterschrieben haben, und meistens haben zwei bis drei Beamte
unterschrieben, das mal alles aufgelistet. Es sind fast 100. Also, so vielen
Leuten haben wir Brot und Arbeit und natürlich auch Verdienstmöglichkeiten
verschafft. Ja, ich habe natürlich eine Menge IM-Berichte, die da eine eigene
Sprache sprechen. Man kann auch ganz gut differenzieren. Nun ist heute schon
sehr viel zu dieser Problematik der IMs gesagt worden. Hier sehe ich gerade,
es war ein Treffen mit Franz Alt, was wir gemacht haben, bei Bärbel Bohley
ist natürlich auch genau berichtet. Dann funktionierte die Zusammenarbeit
zwischen Berlin und Halle, da kam natürlich von Berlin ein Telegramm von
Mielke nach Halle an die Hauptabteilung und da wurde dann mitgeteilt „Ihr
müßt jetzt aufpassen, setzt die fest, die wollen nach Berlin zu Bärbel Bohley,
wo der Franz Alt kommt und das muß verhindert werden“. So, ich will das
wirklich kurz machen, aber ich denke, es ist nicht uninteressant, Ihnen einmal
meinen Persilschein kurz zu verlesen, wenn Sie noch Kraft haben:

Das ist der Abschlußbericht zum letzten OV, also „Inspirator“, von drei
Obersten in Halle unterzeichnet und da steht:

„Die im OV „Inspirator“ erfaßte Person Katrin Eigenfeld wird seit März 1984
auf der Rechtsgrundlage gemäß §§ 214, 219 Strafgesetzbuch operativ bearbei-
tet. Im Verlaufe der operativen Bearbeitung war zu verzeichnen, daß sich die E.
in verschiedensten Formen mit anderen gleichgesinnten Personen zusammen-
geschlossen hat, um politische Forderungen, ihrer Einstellung entsprechend
zu diskutieren und zu formulieren. Dabei bestand der Verdacht, daß die E.
im Zusammenwirken mit Mitgliedern von nicht genehmigten Vereinigungen
(das war das Neue Forum), gegen bestehende Rechtsvorschriften verstößt.
Die Prüfung aller vorliegenden Informationen ergab, daß die E. nicht gegen
die verfassungsmäßigen Grundlagen verstoßen hat. Aus diesem Grunde wird
vorgeschlagen, den OV „Inspirator“ in der Abteilung 12 der BV-Halle zu
archivieren.“

85
Ministerium für Staatssicherheit

Wichtig ist dabei tatsächlich das Datum: der 1. Dezember 1989. Also nach drei
Wochen Mauerfall und da frage ich, was haben die sich wohl noch gedacht
in den Büros, daß sie noch so viel Zeit hatten.

Gesprächsleiter Gerd Poppe (Bündnis 90/Die Grünen): Herzlichen Dank,
Katrin Eigenfeld. Die nächsten beiden Zeitzeugen müßten wir uns im Zu-
sammenhang anhören. Es sind zwei Brüder, die zehn Kilometer voneinander,
der eine im Westen, der andere im Osten, gelebt haben, die zwei operative
Vorgänge haben, wovon sich der eine auf den anderen bezieht. Und ich bitte
zunächst Herrn Vinzenz Gerlach zu beginnen und dann ohne längere Pause
mit Herrn Benno Gerlach gleich fortzusetzen.

Vinzenz Gerlach: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Her-
ren. Ich wohne in Duderstadt im Eichsfeld, in einer kleinen Stadt, in die ich bis
zu meiner Einberufung 1941 täglich mit einem Linienbus der Post zur Arbeit
gefahren bin und in die ich, kurz nach meiner Heimkehr aus sowjetischer
Kriegsgefangenschaft 1949, quer durch den Wald illegal zurückkehrte. Das
Eichsfeld hat mich geprägt. Die Landschaft entspricht in ihrer Größe etwa
der Insel Rügen und wird von 170.000 Menschen zwischen Harz und Werra
bewohnt. Schon seit Bonifatius, dem ersten Erzbischof von Mainz, gehörte das
Land zu diesem Bistum und wurde im Laufe des Mittelalters auch politisch
mit dem Kurfürstentum verbunden. Aus der Reformation ging das Eichsfeld
deshalb als katholische Enklave im mitteldeutschen Raum hervor. 1802 an-
nektierte uns Preußen, 1816 teilte man das Land unter Hannover und Preußen
auf. Nach 1866 gehörten wir zwei verschiedenen Verwaltungseinheiten, näm-
lich den preußischen Provinzen Hannover und Sachsen, an. 1945 wurde die
Provinzialgrenze zur Demarkationslinie zwischen sowjetischer und britischer
Zone. 30 Orte des Kreises Duderstadt gelangten so 1949 an Niedersachsen,
der größere Teil aber, die Kreise Heiligenstadt und Worbis, an die DDR.

In meiner langjährigen sowjetischen Kriegsgefangenschaft hatte ich die Wi-
dersprüche zwischen kommunistischer Ideologie und realer Wirklichkeit am
eigenen Körper erlitten. Ich hatte auch immer wieder frappierende Ähnlich-
keiten zwischen dem Nazi-Reich und dem sowjetischen Imperium feststellen
müssen. Als überzeugter Demokrat, der sich für Freiheit, Einheit und Frieden
einsetzte, war ich heimgekehrt. Ich konnte mich deshalb niemals mit der
Teilung der Heimat abfinden und engagierte mich aus innerer Überzeugung
für die Wiederherstellung der Einheit und Freiheit in Deutschland und Eu-
ropa. Als ich 1963 die Leitung des städtischen Verkehrsbüros in Duderstadt
übernahm, organisierte ich deshalb bei zahlreichen Informationsfahrten aus
dem nördlichen und westlichen Deutschland an die gewaltsam errichtete
Grenze. Nachdem der Kreis Duderstadt im Zuge der Gebietsreform aufgelöst
wurde, übernahm ich zusätzlich die Geschäftsführung des 1972 gegründeten
Landschafts–, Heimat- und Verkehrsverbandes Eichsfeld, 1973 die Redaktion
der Monatsschrift „Eichsfelder Heimatstimmen“ vom Bund der Eichsfelder