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Wahlperiode 13, Band I, Seiten 24 und 25
 

Debatte des Deutschen Bundestages am 22. Juni 1995

 

[. . .]

Vizepräsident Hans Klein: Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

  1. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für
    Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß)
    zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
    und F.D.P.
    Einsetzung einer Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-
    Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“
    zu dem Antrag der Fraktion der SPD
    Einsetzung einer Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-
    Diktatur und der unterschiedlichen Entwicklungen in Ost- und West-
    deutschland in Prozeß der deutschen Einheit“
    – Drucksachen 13/1535, 13/1537, 13/1762 –
    Berichterstattung:
    Abgeordneter Dieter Wiefelspütz
  2. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ludwig Elm, Dr. Gregor Gysi
    und der Gruppe der PDS
    Einsetzung einer unabhängigen Experten-Kommission zur Geschichte der
    DDR, der Bundesrepublik Deutschland und des deutschen Einigungspro-
    zesses seit 1990
    – Drucksache 13/1615 –

Zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der PDS vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Aussprache
eine Stunde vorgesehen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Hartmut Koschyk das
Wort. – Es wäre natürlich gut, wenn einem die Geschäftsführer die richtige
Reihenfolge melden würden, aber sie sind im Gespräch vertieft. – Herr Kolle-
ge Eppelmann, wenn ich die Gesten richtig verstehe, wollen Sie als erster das
Wort. Bitte sehr.

Rainer Eppelmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Ich danke Ihnen.

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Debatte des Deutschen Bundestages 22.6.1995

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Am 8. Juni dieses Jahres war ich sehr glücklich. Da wollte pflichtgemäß der
Obergerichtsvollzieher bei der Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley Gerichtskosten
in Höhe von 3500 DM beitreiben. Weshalb diese Kosten Bärbel Bohley auf-
erlegt worden waren, wissen alle in diesem Saal und in der Öffentlichkeit. Po-
litiker aus allen Parteien außer der PDS, junge und politisch hellwache Men-
schen, Bürgerrechtler und viele andere waren gekommen, um Bärbel Bohley
ihre Solidarität zu zeigen. In diesen Vormittagsstunden des 8. Juni wurde et-
was von jenem antitotalitären Konsens lebendig, über den es im Schlußbericht
der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-
Diktatur in Deutschland“ heißt – ich zitiere –:

Im öffentlichen Bewußtsein verankerter antitotalitärer Grundkonsens ist
wesentlich für die Demokratie in Deutschland. Er schließt eine historisch
fundierte Beurteilung der SED-Diktatur ein. Eine Aufarbeitung, die die
Realitäten aufdeckt, die Verantwortlichen benennt und so den Erfahrungen
der Menschen gerecht wird, ist entscheidend für eine demokratische politi-
sche Kultur in Deutschland.

Den antitotalitären Konsens haben wir nicht als festen Besitz. Er muß tagtäg-
lich neu erarbeitet werden. Wir dürfen das politische Ziel nicht aus den Augen
verlieren, nämlich: Nie wieder eine totalitäre Diktatur in Deutschland! Kein
Gehör für diejenigen, die die Schrecken der Diktatur kleinreden und nostal-
gisch verklären wollen, kein Verwischen der Hauptverantwortung der SED für
die in 40 Jahren in der DDR angerichteten Schäden!

Wer die „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen
Einheit“ wirklich will, der wird um der Zukunft willen den Blick zurück nicht
verschließen dürfen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nicht darum, den „kalten Krieg zu beenden – fünf Jahre nach dem En-
de der kommunistischen Herrschaft“, wie ein geschätzter Kollege von der SPD
meinte. Es geht um die Auseinandersetzung mit allen Formen totalitären Den-
kens. Das sind wir den Opfern der SED-Diktatur und den Bürgerrechtlern
schuldig. Wir dürfen den Tätern und Helfern der SED keine neuen Wirkungs-
möglichkeiten eröffnen. Sehr richtig, wenn auch etwas überraschend, hat der-
selbe Kollege von der SPD, der die Beendigung des kalten Krieges einforderte,
vor etwa zehn Tagen beim Bautzenforum 1995 gesagt:

Einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen bedeutet einen klei-
nen Tod für die Demokratie.

Lieber Wolfgang Thierse, das wäre nicht nur „ein kleiner Tod“ für die Demo-
kratie, das könnte der Anfang von ihrem Ende sein.

Über die Leistungsfähigkeit einer Enquete-Kommission, die sich der Aufar-
beitung der SED-Diktatur zuwendet, ist bereits in der vergangenen Legislatur-