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Debatte des Deutschen Bundestages am 2. April 1998
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Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 und den Zusatzpunkt 6 auf:
TOP 5
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hartmut Koschyk, Rai-
ner Eppelmann und der Fraktion der CDU/CSU, den Abgeordneten Markus
Meckel, Siegfried Vergin und der Fraktion der SPD, den Abgeordneten Gerald
Häfner, Gerd Poppe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den
Abgeordneten Dr. Rainer Ortleb, Dr. Max Stadler, Ina Albowitz und der Frak-
tion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung ei-
ner Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
– Drucksache 13/9870 –
(Erste Beratung 219. Sitzung)
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)
– Drucksache 13/10325 –
Berichterstattung: Abgeordnete
Hartmut Koschyk
Markus Meckel
Gerald Häfner
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
ZP 6
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4.
Ausschuß)
- zu dem Antrag der Abgeordneten Gerald Häfner, Gerd Poppe und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sicherstellung und Fortführung des gesellschaftlichen Aufarbeitungspro-
zesses durch Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung - zu dem Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Überwindung der Fol-
gen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“
Teilbericht zu dem Thema
„Errichtung einer selbständigen Bundesstiftung des öffentlichen Rechts zur
Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutsch-
land“ - Drucksachen 13/4353, 13/8700, 13/10325 –
Berichterstattung: Abgeordnete
Hartmut Koschyk
Markus Meckel
Gerald Häfner
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
Es liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe
Stunde vorgesehen. – Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so
beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Abgeordneten Hartmut
Koschyk.
Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung einen Gesetzent-
wurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, F.D.P. und Bündnis 90/Die Grünen, der
die Errichtung einer Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur vorsieht. Das
für mich Schönste an diesem Gesetzentwurf – das will ich deutlich sagen – ist,
daß wir ihn heute nach monatelanger Beratung als Entwurf der vier genannten
Bundestagsfraktionen wirklich vorlegen können.
Es geht bei der zu errichtenden Stiftung nicht, wie einige Spötter in diesen Ta-
gen gerne sagen, um die Fortsetzung der Enquete-Kommission aus der 12. und
13. Legislaturperiode des Bundestages zu den Nachwirkungen von Geschichte
und Folgen des SED-Staates mit anderen Mitteln. Nein, es geht vielmehr dar-
um, der Aufarbeitung dieser Diktatur, die eine gesamtgesellschaftliche Aufga-
be ist und bleibt, Beständigkeit und Stetigkeit zu verleihen.
Das ist auch dringend notwendig. Für die weitere Entwicklung Deutschlands in
einem zusammenwachsenden Europa sind nämlich die Diktaturerfahrungen
des 20. Jahrhunderts entscheidende Lernerfahrungen. Daß nach 1945 in einem
Teil Deutschlands auf die nationalsozialistische Diktatur eine kommunistische
Diktatur folgte, darf nicht vergessen werden. Das Kredo der Deutschen nach
diesen geschichtlichen Erfahrungen kann nur lauten: Nie wieder Diktatur!
Wer aber die zweite Diktatur auf deutschem Boden nicht thematisieren will,
trägt zur Schwächung des demokratischen und antitotalitären Selbstbewußt-
seins bei. Das öffentliche Bewußtsein über den Diktaturcharakter des SED-
Staates scheint heute noch nicht ausreichend gefestigt. Häufig wird nur das
NS-Unrechtsregime in den Blick genommen, obwohl es geraten scheint, gera-
de die doppelte Diktaturerfahrung zu reflektieren. Vor allem die Opfer der
SED-Diktatur beklagen, daß dieses Unrechtssystem zwischen Elbe und Oder
im öffentlichen Bewußtsein oftmals nicht mehr hinreichend präsent ist.
Ich meine, liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann durchaus negative Folgen
für die rechtsstaatliche und freiheitliche Demokratie in Deutschland haben,
wenn die SED-Diktatur als legitime Alternative zum Rechtsstaat Bundesrepu-