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Wahlperiode 13, Band IV/1, Seiten 78 und 79
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Protokoll der 6. Sitzung

auf der Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vermitteln
können.

Die Situation der DDR-Kader und Lehrkräfte in den Schulen nach der Wende
aus der Sicht meiner Tätigkeit als Schulaufsicht: Im Zeitraum November 1989
bis Juli 1990 stellten an vielen Schulen die Direktoren an das jeweilige Kolle-
gium die Vertrauensfrage, und meistens wurde daraufhin ein neuer Direktor
gewählt. Bei einigen mußte zweimal die Vertrauensfrage gestellt werden, weil
beim ersten Mal die Kollegen noch nicht so richtig wach waren, sie sich nicht
so richtig trauten und dachten, beim zweitenmal klappt das dann schon besser.
Direktoren, die nicht die Vertrauensfrage stellten, wurden entweder durch die
Lehrerkollegien oder durch die politisch Verantwortlichen in den sich neu bil-
denden Kommunalverwaltungen Ost-Berlins bis Juni 1991 ihres Amtes entho-
ben. Da gab es ein Rundschreiben von der Senatsinnenverwaltung, wie das zu
geschehen hat, nicht von der Senatsschulverwaltung. Ein politischer Einfluß
der Leitungskader an den Schulen war jedoch aus meiner Sicht Ende 1989
schon nicht mehr zu spüren. Einige traten die Flucht nach vorn an und orien-
tierten sich sehr schnell im westlichen Teil der Stadt – das war ähnlich wie an
den Hochschulen wahrscheinlich. Andere verhielten sich ruhig, waren desori-
entiert und zogen sich in den Unterricht zurück. Trotz der Überprüfungen zur
persönlichen Eignung für den öffentlichen Dienst bleiben viele, die in leiten-
den Funktionen waren, an den Schulen, da ihnen eine direkte Schädigung an-
derer nicht nachzuweisen war und sie glaubhaft machen konnten, daß sie seit
November 1989 eine persönliche Entwicklung, die sie dazu befähigte, mit
Schülern unter den neuen Bedingungen zu arbeiten, vollzogen haben, und weil
uns die Arbeitsgerichte einen ziemlichen Strich durch die Rechnung gemacht
haben. Viele, die wir rausgesetzt haben, haben sich dann wieder reingeklagt.

Letzteres war und ist ebenso problematisch wie der Verbleib der ehemaligen
Staatsbürgerkundelehrer, Pionierleiter, FDJ-Sekretäre und ehrenamtlichen
Parteisekretäre an den Schulen – an die kam man nämlich wirklich nicht ran.
Durch eine langjährige politische Indoktrination geschaffene Denkstrukturen
und Weltbilder können aus meiner Sicht auch fünf Jahre nach dem Mauerfall
nicht beseitigt sein. Eine intensive Beratung und Begleitung dieser Lehrkräfte
war aufgrund der Fülle von zu bewältigenden organisatorischen Aufgaben
während des Aufbaus des neuen Schulsystems im Ostteil der Stadt Berlin nicht
möglich. Der Versuch einzelner Bezirksverordnetenversammlungen, in Berlin
Staatsbürgerkundelehrer mit einer Ausbildung in Geschichte nicht in den Fä-
chern Gesellschaftskunde, Sozialkunde, Geschichte und Politische Weltkunde
einzusetzen, war weder stellenwirtschaftlich noch arbeitsrechtlich durchsetz-
bar.

Im Januar 1994 begannen in Berlin die Feststellungen der Bewährung im öf-
fentlichen Dienst bei Lehrkräften auf der Grundlage des 3. Gesetzes zur Ver-
einheitlichung des Berliner Landesrechts. In diesem Rahmen führte ich etwa
300 Hospitationen an Berliner Oberschulen, u.a. auch bei ehemaligen Lei-
tungskräften, Staatsbürgerkunde- und Geschichtslehrern, durch. Es stellte sich

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Die Kaderpolitik der SED an Schulen und Hochschulen

gerade bei diesen Lehrkräften ein großes Bedürfnis nach fachlicher Fortbil-
dung heraus. Es gab bei nur sehr wenigen Lehrern Unterrichtssituationen, die
noch an die alte DDR-Indoktrinationspädagogik der Fächer Geschichte und
Staatsbürgerkunde erinnerten. Nach der Wende waren viele Lehrkräfte sehr
verunsichert. Der tolerante Umgang mit Schülermeinungen mußte von der
Mehrzahl der Lehrer ebenso erlernt werden wie die Erziehung der Jugendli-
chen zu mündigen Bürgern. Man hat es ja geschafft, die DDR-Bürger zu un-
mündigen Bürgern zu erziehen, wenn man es denn in der Schule geschafft
hatte und dann auch in den weiteren Institutionen. Fünf Jahre nach der Wende
ist aus meiner Sicht dies kaum noch ein Problem. Die ehemalige Kaderpolitik
und ihre Auswirkungen spielen, zumindest vordergründig oder bemerkbar, in
den Schulen keine Rolle mehr.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Karl-Wilhelm Fricke ist der erste Frage-
steller.

Sv. Karl Wilhelm Fricke: Ich habe eine kurze Frage an Herrn Dr. Braun. Sie
erwähnten vorhin in Ihrem Vortrag, daß verschiedene Diensteinheiten des MfS
Hochschuleinrichtungen, Universitäten bearbeitet haben, unter anderen nann-
ten Sie auch die Hauptverwaltung Aufklärung. Mich würde interessieren, wel-
che Interessen die Hauptverwaltung Aufklärung an den DDR-Hochschulen
und -Universitäten verfolgt hat, ob das nur um die Werbung von Nachwuchs
ging oder um Gewinnung von Experten oder ob die HV A zuständig war für
die Überwachung von Reisekadern im sogenannten Operationsgebiet usw..
Das heißt also, welches konkrete Interesse hatte die HV A an den Hochschu-
len?

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herr Professor Ortleb bitte.

Abg. Prof. Dr. Rainer Ortleb (F.D.P.): Meine Frage richtet sich ebenfalls an
Herrn Dr. Braun. Ich habe in rund 20 Jahren Mitarbeitertätigkeit an Hoch-
schulen der DDR den Eindruck gewonnen, daß es brave und weniger brave
Hochschulen und auch Fachrichtungen im Sinne der DDR gab. Hat sich das in
irgendeiner Weise in verschärfter oder weniger verschärfter Aufsicht durch die
Staatssicherheit ausgedrückt, auch in Strukturfragen? Ich wurde hellhörig, als
Sie sagten, daß es in Dresden eine andere Struktur gab als sonst üblich.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Frau Kollegin Brudlewsky bitte.

Abg. Monika Brudlewsky (CDU/CSU): Ich habe eine Frage an Herrn Tietz.
Ich bin eigentlich sehr froh, daß auch das Thema Schule angesprochen wurde,
denn es konnten ja nicht alle studieren, und für mich ist das Thema Schule nä-
her dran, denn ich z.B. durfte nicht studieren nach dem Abitur, weil ich einmal
einen Brief geschrieben habe nach dem Bau der Mauer, der wurde beschlag-
nahmt, und da war meine Karriere dann zu Ende. 1961 war so ein richtiger
Schnitt bei mir in der Schule. Ich bemerkte das, denn ich war gerade damals,
bevor dieser Brief beschlagnahmt wurde, in die ZSGL, das nannte sich Zen-