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Wahlperiode 13, Band IV/1, Seiten 146 und 147
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Protokoll der 12. Sitzung

Maße auf der unteren Ebene der Hochschullehrerschaft, also nicht auf C-4-,
sondern auf C-3-Stellen plaziert wurden. Die Durchmischungsraten schwanken
freilich von Hochschule zu Hochschule, vor allem aber zwischen den Fakultä-
ten. Der Ostanteil lag z. B. bei der Humboldt-Universität im Fall der Mathe-
matik mit 90,5 Prozent extrem hoch, überdurchschnittlich hoch auch bei der
stark naturwissenschaftlich orientierten Psychologie, bei der Biologie sowie bei
der Informatik. Er schwankt weit unterdurchschnittlich zwischen 11 und 20
Prozent bei Erziehungswissenschaften, Sozialwissenschaften, Rechtswissen-
schaften und Geschichte. Diese Varianzen erklären sich durch das unterschied-
liche Ausmaß politisch-ideologischer Durchsetzung der Disziplinen und sind
insofern deshalb auch leicht nachvollziehbar.

In welchem Maße die mehr oder weniger vermischten Ensembles von Hoch-
schullehrern in den Instituten und Fakultäten heute von Konflikten belastet
sind, die ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, läßt sich natürlich schwer
einschätzen. Mein Eindruck ist, daß die vorhandenen Konfliktlinien weniger
ideologisch als materiell bestimmt sind und sich zunehmend zu Konkurrenzen
trivialisieren, in denen es um Ressourcen und Stellenverfügungen geht. Auf
diese Weise drücken sich auch im inneren Zustand der ostdeutschen Universi-
täten die erheblichen Mittelkürzungen aus, die den noch immer nicht abge-
schlossenen Neuaufbau ernsthaft gefährden. Es ist fatal, daß an vielen Stellen
die Entwicklungen zurückgedreht werden, bevor sie ihre sowieso knapp kalku-
lierten Ausbauziele erreicht haben.

Was bedeutet all dies für die Studenten? In den akuten Umbruchphasen der
Hochschulerneuerung ist die noch unter DDR-Bedingungen rekrutierte Stu-
dentenschaft, von wenigen eindrucksvollen einzelnen abgesehen, höchst verun-
sichert zunächst einmal in Deckung gegangen. Gelegentliche Mobilisierungen
blieben insofern defensiv, als sie gegen die Einstellung alter Studiengänge und
gegen Entlassung vorhandener Hochschullehrer, also in der Tendenz gegen die
Störung des status quo ante gerichtet waren, der ihnen für die eigene Karriere
ein hohes Maß an Sicherheit garantiert hatte. Heute sind neue Kohorten in die
Hochschulen eingetreten, und es ist erfreulich, in den Rektoratsberichten der
ostdeutschen Universitäten lesen zu können, daß Zahl und Anteil von Studie-
renden westdeutscher Herkunft von Jahr zu Jahr steigen. Auch hier findet also,
zwar langsam, aber immerhin zunehmend, eine gewisse Durchmischung statt.
Fragt man ostdeutsche Studenten und Studentinnen einige Jahre nach der
Wende nach ihrer Zufriedenheit mit der Studiensituation – das hat das Hoch-
schul-Informationssystem (HIS) 1994 getan –, dann wird insgesamt zwar nur
ein mäßiger Grad an Zufriedenheit erkennbar. Bemerkenswert aber ist, daß die
Zufriedenheit im Vergleich zur Stimmung an westdeutschen Universitäten
etwas stärker ausgeprägt ist. Das trifft für das Urteil über Studienorganisation,
Studieninhalte, aber auch für die Bewertung von Hochschullehrerkompetenzen
zu. Feststellen läßt sich also, daß es aus der Perspektive der Hochschulklientel
zumindest zu einer weitgehenden Angleichung der Studiensituation gekommen
ist. Dabei ist freilich zu beachten, daß sich die Normalisierung im Rahmen

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Instrumentalisierung von Wissenschaft/ Bildung

eines höchst reformbedürftigen Universitätssystems abgespielt hat und daß sich
deshalb auch die Zustimmung der Studierenden auf einem Niveau befindet, das
die deutsche Hochschulpolitik nicht entlastet.

Es läßt sich bilanzieren, daß sich im Hochschulbereich über mancherlei Irrun-
gen und Wirrungen hinweg fundamentale Angleichungen zwischen Ost und
West ergeben haben. Die Anpassung ostdeutscher Hochschulen an den Zustand
westdeutscher Hochschulen ist weit fortgeschritten. Das heißt aber auch, die
ostdeutschen Hochschulen haben sich neben allen Vorteilen auch die Probleme
des westdeutschen Hochschulsystems ins Haus geholt. Jetzt ist es möglich, und
jetzt ist es an der Zeit, deutsche Hochschulpolitik gemeinsam zu betreiben.
Danke.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Wir danken Ihnen, Herr Professor Neid-
hardt, herzlich. Wir kommen zum nächsten Referenten: Jahrgang 1951, Studi-
um in Münster und Berlin, 1977 Promotion, 1990 Habilitation, dann tätig
gewesen an der Universität in Leipzig, an der Freien Universität in Berlin, an
der Universität in Potsdam, an der Duke University North Carolina, wieder in
Potsdam, dann von 1994 bis 1995 Vorstandsvorsitzender des Vereins zur
Weiterqualifizierung brandenburgischer Lehrerinnen und Lehrer e. V. und jetzt
Professor für Neuere Geschichte mit dem Schwerpunkt 19. und 20. Jahrhundert
am Historischen Institut der Universität in Potsdam. Herr Professor Görtema-
ker, bitte.

Professor Dr. Manfred Görtemaker: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Professor Neidhardt eben
ein breites Panorama der Entwicklung der ostdeutschen Hochschullandschaft in
den vergangenen sechs Jahren gezeichnet hat, will ich mich jetzt stärker auf die
Praxis der Evaluierung und der Hochschulerneuerung beziehen, auch vor dem
Hintergrund meiner Tätigkeit als Prorektor in Potsdam in den vergangenen
zwei Jahren, in denen ich zu einem ganz wesentlichen Teil meiner Arbeit mit
der Veränderung der Strukturen, auch der personellen Strukturen, dieser Uni-
versität befaßt war. Sie wissen – Professor Neidhardt hat es eben gesagt –, die
Evaluierung war ein Kernthema bei der Umgestaltung der Universitäts- und
Forschungslandschaft der ehemaligen DDR. Sie wurde von den in der Lehre
und Forschung tätigen Mitarbeitern in Ostdeutschland über Jahre hinweg als
Damoklesschwert über ihrer beruflichen Existenz empfunden und von den
Evaluatoren ebenso wie von den an den ostdeutschen Universitäten neu beru-
fenen Professoren aus dem Westen als notwendige, aber schwierige Aufgabe
gesehen, die nicht selten das akademische Klima erheblich belastete. Allzu oft
wurde dabei die politische Komponente der Evaluierung zu sehr in den Vor-
dergrund gerückt. Selbstverständlich spielte Politik eine Rolle. Die Erblast der
Diktatur war aus dem hochzentralisierten und stark politisierten Wissen-
schaftsbetrieb der DDR nicht wegzudenken. Sie zu leugnen oder zu vernach-
lässigen, hätte nicht zuletzt denjenigen, deren akademische Karrieren aus
politischen Gründen gebrochen worden waren, neues Unrecht zugefügt. Aller-