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Wahlperiode 13, Band IV/1, Seiten 156 und 157
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Protokoll der 12. Sitzung

desländer auf wirkliche Strukturveränderungen zurückzuführen waren, so daß
man, glaube ich, einen Fehler begehen würde, diese Evaluierung und Hoch-
schulerneuerung zentral als einen politischen Akt oder eine Abrechnung mit
dem DDR-Regime qualifizieren zu wollen. Dies war nicht der Fall, es hat keine
Hexenjagd stattgefunden, es hat keine politischen Säuberungen im eigentlichen
Sinne gegeben, jedenfalls nicht auf breiter Front. Die Ehrenkommissionen
waren übrigens im wesentlichen durch Ostmitarbeiter besetzt. Was in dieser
Hochschulerneuerung geschehen ist, war im wesentlichen die Anpassung der
ostdeutschen Hochschullandschaft an die Strukturbedingungen des vorgegebe-
nen westlichen Systems. Das war allerdings in der Tat eine politische Grun-
dentscheidung, und die Angehörigen der Universitäten, ob West oder Ost,
hatten sich diesen Grundbedingungen zu fügen. (Beifall)

Stellvertretender Vorsitzender Siegfried Vergin: Auch Ihnen herzlichen
Dank, Herr Professor Görtemaker. Wir kommen jetzt zu dem Teil Podiumsge-
spräch/Expertenbefragung zu den beiden Referaten. Wir haben also hier keine
allgemeine Besprechung mit den beiden Referenten, sondern wir werden diese
ergänzen um die Herren Professor Dr. Michael Beintker aus Münster, Dr.
Ulrich Fickel, Professor Dr. Gerhard A. Ritter, Dr. Armin Mitter und Dr.
Rainer Benndorf. Die Gesprächsleitung hat Professor Dr. Peter Maser.

Gesprächsleiter Prof. Dr. Peter Maser: Meine Damen und Herren, wenn wir
uns am Vormittag dieser Anhörung zunächst noch sehr stark der Vergangenheit
zugewandt haben, sind wir jetzt im Begriff, uns der unmittelbaren Vergangen-
heit und hoffentlich in dieser Podiumsrunde auch der Zukunft zuzuwenden. Ich
möchte zunächst die Teilnehmer an diesem Podium kurz vorstellen, bevor ich
dann in der alphabetischen Reihenfolge, so, wie ich auch die Vorstellung
mache, die Teilnehmer an dem Podium um kurze Statements bitte.

Ich beginne mit Professor Michael Beintker, Geburtsjahrgang 1947, Theologe,
promoviert in Halle, zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter in Halle, danach
dort Dozent, 1984 Habilitation in Halle, 1990 Berufung auf eine systematische
Professur in Halle, von 1991 bis 1992 – also in schwierigen Zeiten – Prorektor
für Geisteswissenschaften der Universität Halle, 1992 Berufung nach Münster
und dort jetzt Universitätsprofessor für Reformierte Theologie. – Der Zweite in
der Runde ist Dr. Rainer Benndorf, Geburtsjahrgang 1950, Abitur in Plauen,
Biowissenschaftler, Forschungsstudium in Halle, dann Promotion 1978, danach
Aufenthalt für zwei Jahre an der Akademie der Wissenschaften in Ungarn im
Rahmen eines internationalen Trainingsprogramms, von 1981 bis 1991 wissen-
schaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften der DDR und seit
1992 nun wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Delbrück-Centrum für Mole-
kulare Medizin in Berlin. – Der Dritte, Dr. Ulrich Fickel, Geburtsjahrgang
1941, Lehrer, 1970 außerordentlicher Dozent für Anorganische Chemie an der
Pädagogischen Hochschule Mühlhausen/Thüringen, von 1990 bis 1994 Mini-
ster für Wissenschaft und Kunst des Landes Thüringen und seit 1990 stellver-
tretender Landesvorsitzender der F.D.P.. – Schließlich Professor Dr. Dr. h.c.

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Instrumentalisierung von Wissenschaft/ Bildung

Gerhard A. Ritter, geboren 1929, von 1962 bis 1965 Professor für Politische
Wissenschaften an der Freien Universität Berlin, dann Professor für Neuere
Geschichte an der Universität Münster bis 1974, von 1974 bis 1994 Ordentli-
cher Professor für Neuere Geschichte an der Universität München, Mitglied
des Senats und des Hauptausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
von 1976 bis 1980 Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands,
von 1991 bis 1992 Vorsitzender der Struktur- und Berufungskommission für
Geschichte und Ethnologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mit-
glied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. – Dr. Armin Mitter ist
sozusagen „Alt-Mitglied“ in Sachen Enquete-Kommission; er war tätiges
Mitglied der ersten Enquete-Kommission für die Aufarbeitung von Geschichte
und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland, Berliner Historiker, tätig im
Unabhängigen Historikerverband.

Wie gesagt – das Thema ist ebenso wie bei den Vorträgen von Herrn Neidhardt
und Herrn Görtemaker immer noch Evaluierung und selbstverständlich auch
Hochschulerneuerung. Ich würde gern diesen Gesichtspunkt mit ins Blickfeld
rücken – Hochschulerneuerung eben auch in der zukünftigen Perspektive. Als
ersten möchte ich Herrn Beintker um seinen Beitrag bitten.

Prof. Dr. Michael Beintker: Wer die Hochschulerneuerung als aktiver Insider
miterlebt und mitgestaltet hat, blickt heute auf rasante, konfliktreiche und
emotional aufwühlende Abläufe zurück. Ich kann also nicht ganz so ruhig
berichten wie meine Vorredner.

Drei Aufgaben mußten gleichzeitig in Angriff genommen und möglichst um-
fassend gelöst werden: erstens die Überwindung der universitären Fehlent-
wicklungen und Deformationen der DDR-Zeit, zweitens die Entwicklung
zukunftsfähiger Hochschulstrukturen und neuer Ausbildungs- und Forschungs-
profile und drittens die kontinuierliche Weiterführung des kompletten Univer-
sitätsbetriebs unter den komplizierten Bedingungen starker Personalfluktuatio-
nen und unsicherer Lehrressourcen. Handlungsspielräume, die eine geduldige
sach- und menschengerechte Konzeptualisierung eigenständiger, neuer Wege
ermöglicht hätten, bestanden fast nicht, zumal jedes der drei genannten Aufga-
benfelder schon für sich eine überdurchschnittliche Leistungskraft erforderte.
Das Verfahren ähnelte dem Versuch, einem Automobil bei voller Fahrt Räder
und Motorkolben zu wechseln – ohne anhalten zu dürfen. Die Beratung durch
Sachverständige und Gründungsbeauftragte aus den alten Ländern ist in dieser
Situation nicht als Fremdbestimmung, sondern als unentbehrliche, kooperative
Hilfe empfunden worden.

Vor allem haben nicht nur die Privatdozenten, sondern auch die Studierenden
von der Hochschulerneuerung profitiert. Die Studierenden dürften sogar die
eigentlichen Gewinner sein, obwohl gerade sie zwischen 1990 und 1992 zu den
oft lautstarken Kritikern der Entwicklung gehört hatten. Sie können heute in
der Regel an größenmäßig überschaubaren Fachbereichen mit günstigen Be-
treuungsrelationen studieren, und sie treffen auf überwiegend gut motivierte,