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Wahlperiode 13, Band V, Seiten 10 und 11
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Protokoll der 32. Sitzung

Wir tagen in Eisenhüttenstadt. Zu diesem Ort, der auch einmal den Namen des
sowjetischen Diktators Stalin getragen hat, ließe sich gewiß viel sagen, ich
überlasse das aber sehr gerne dem Bürgermeister dieser Stadt, der sich gleich
mit einem Grußwort an uns wenden wird.

Bürgermeister Rainer Werner: Meine sehr geehrten Damen und Herren,
sehr geehrte Anwesende! Ich freue mich, Sie im Namen der Stadt Eisenhütten-
stadt hier im Sitzungssaal der Stadtverordnetenversammlung im Rathaus be-
grüßen zu dürfen. Insbesondere möchte ich dabei die Mitglieder der Enquete-
Kommission unter Vorsitz von Herrn Bundestags-Abgeordneten Rainer Ep-
pelmann recht herzlich begrüßen, und in ein paar wenigen Minuten werde ich
auch den Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Bran-
denburg, Herrn Steffen Reiche, recht herzlich begrüßen können, der noch un-
terwegs zu uns ist. Ein Willkommen gilt ebenso den anwesenden Sachverstän-
digen, den Vertretern von Presse und Medien, natürlich auch den Gastrednern,
die mit verschiedenen Vorträgen in Eisenhüttenstadt hier die Anhörung inhalt-
lich bereichern werden.

Meinen kurzen Redebeitrag möchte ich auf die Entwicklung der Stadt Eisen-
hüttenstadt seit ihrer Gründung im Jahr 1950 ausrichten. Aber vorher noch ein
paar Worte zur Historie bzw. zum Nimbus, der diese Stadt begleitet hat. Sie
müssen sich die Situation 1945, nach dem 2. Weltkrieg, vorstellen, dann 1949
die Gründung der Bundesrepublik Deutschland, danach Gründung der DDR.
Die junge DDR hatte keine metallurgische Basis, die Schwerindustrie fehlte.
Man suchte einen Standort und fand dann letztendlich im Osten Deutschlands
diesen Standort. Hier wurde ein Stahlwerk, ein Roheisenwerk und später auch
ein Warmwalzwerk zu errichtet. Der Ort gewann den Nimbus, daß an der
Oder-Neiße-Friedensgrenze aus polnischem Steinkohlenkoks und sowjeti-
schem Eisenerz deutscher Friedensstahl geschmolzen wurde. Letztendlich ist
das auch so in Erfüllung gegangen und ist dieses Stahlwerk errichtet worden,
und der metallurgische Prozeß ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Die
Stadt ist in besonderer Art und Weise Produkt und Abbild der vergangenen
DDR. Eisenhüttenstadt ist die einzige Stadt-Neugründung im Osten Deutsch-
lands nach dem Jahr 1945. Und diese ist im Zusammenhang mit der Entwick-
lung der Schwerindustrie im ehemals geteilten Deutschland zu sehen. Ich habe
Ihnen gerade etwas dazu gesagt. Die politische Entscheidung zur Wahl des
Standortes zwischen der historisch gewachsenen Stadt Fürstenberg an der Oder
und dem Dorf Schönfließ wurde sowohl unter geographischen als auch unter
infrastrukturellen Gesichtspunkten getroffen. Dabei spielte aber auch die Ver-
fügbarkeit von Arbeitskräften eine gewisse Rolle. Mitbestimmt wurde diese
Entscheidung von der Überlegung, neue wirtschaftliche und gesellschaftliche
Zentren in der bis dahin industriell äußerst schwach entwickelten Oderregion
zu entwickeln, die nach Ende des 2. Weltkrieges durch die Teilung Deutsch-
lands auch Grenzregion war. Gestalt und Größe der damaligen Stalinstadt
wurden durch den politischen Anspruch dieser Stadtgründung deutlich geprägt.
Entgegen dem herkömmlichen Charakter einer reinen Wohnsiedlung im Sinne
einer Werkssiedlung wurde von einem homogenen, geschlossenen Stadten-

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Selbstbehauptung und Anpassung

semble mit integrierten sozialen und kulturellen Einrichtungen ausgegangen.
Also es war nicht nur eine einfache Wohnsiedlung, sondern es war von kom-
plexem Charakter, mit allem was dazu gehört, angefangen von der Gaststätte
bis hin zum Kindergarten, zu Schulen und so weiter. Wer Gelegenheit hatte,
konnte sich vielleicht schon in den wenigen Stunden ein kleines Bild von Ei-
senhüttenstadt machen.

Unter Zugrundelegung einer Planungsgröße von ca. 20.000 Einwohnern ent-
standen Anfang der fünfziger Jahre die Wohnkomplexe eins bis vier, mit dem
Anspruch der architektonischen Umsetzung der als Beschluß der Regierung
der damaligen DDR vermittelten Grundsätze des sozialistischen Städtebaus.
Wer sich in der Stadt umsieht, weiß, daß wir gerade begonnen haben, diese
Wohnquartiere der fünfziger Jahre komplex zu sanieren. Mit einem großen
Aufwand, aber auch mit einem entsprechenden Attraktivitätszugewinn, und
mit äußerst preiswerten Mieten. Das mit der Stadtgründung konzipierte Eisen-
hüttenwerk wurde im Verlauf der 60er, 70er und 80er Jahre technisch und
technologisch erweitert. Wie in den Gründungsjahren der Stadt setzte jeweils
mit der Inbetriebnahme eines neuen Werkes, also mit jedem neuen technischen
Aggregat bei EKO-Stahl, in den 60er Jahren, aber auch in den 70er und in den
80er Jahren, eine Bevölkerungszuwanderung ein. Der Bevölkerungszuwachs
schlug sich dann natürlich deutlich in der Einwohnerzahl von Eisenhüttenstadt
nieder. Sie erreichte ihren Höchstwert laut Statistik im Jahre 1988 mit 53.000
Einwohnern. Wir haben heute noch in der Stadt Eisenhüttenstadt nur ca.
47.800 Bürgerinnen und Bürger. Viele haben die Stadt nach Westen verlassen,
aber viele sind auch in die umliegenden Gemeinden gezogen und haben sich
dort ein Eigenheim oder ähnliches gebaut.

Sehr geehrte Anwesende! Als Besonderheit für die Stadt Eisenhüttenstadt ist
eine durchmischte Bevölkerungsstruktur mit Bürgern aus verschiedensten Re-
gionen der ehemaligen DDR seit dem Jahr 1950 zu verzeichnen. Die Men-
schen kamen also aus Mecklenburg, aus Thüringen, aus Sachsen, aus Sachsen-
Anhalt, auch aus Westdeutschland hierher, weil es hier Arbeit und sehr, sehr
schnell Wohnraum gegeben hat. Der damit in Verbindung stehende Bedarf an
Wohnraum wird natürlich dann auch durch die Erweiterung der Stadt um die
Wohnkomplexe fünf, sechs und sieben nachvollziehbar. Die städtebauliche
Entwicklung läßt dabei deutlich den Übergang zur industrialisierten Bauweise
erkennen. Die anfänglich sehr hochgesteckten Ansprüche von Architektur und
Stadtkultur wurden nicht weiter umgesetzt. Mehr und mehr bestimmte die
Großplatte und der Radius des Baukranes die Architektur der neuen Wohnge-
biete, die Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre entstanden.

Meine kurzen Ausführungen zur Entwicklung der Stadt Eisenhüttenstadt, die
im Jahr 2000 das fünfzigste Jubiläum der Stadtgründung begeht, möchte ich
wie folgt zusammenfassen: Diese Stadt ist in direkter Art und Weise im Er-
gebnis der Gründung der ehemaligen DDR entstanden. Als metallurgisches
Zentrum der ehemaligen DDR war bis zur Wende 1989 auch ihr politischer
Stellenwert sichtbar. Bessere Versorgungsbedingungen als in anderen Regio-