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Wahlperiode 13, Band VIII/1, Seiten 150 und 151
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Protokoll der 38. Sitzung

Denkens“, das zur Auflösung von geostrategischen „Vorposten“ und Kon-
fliktherden, zur Kooperation anstelle von Konfrontation mit den demokrati-
schen Gesellschaften, vor allem mit den USA, begründet worden war. Zur
Analyse der subjektiven Faktoren gehört unbedingt eine Wertung der drei un-
terschiedlichen Denkschulen, der traditionalistischen Schule, der zentristischen
Schule und der progressiven Schule, sowie eine Einschätzung der tragenden
sowjetischen Persönlichkeiten. Herr Professor Jacobsen hat dies ja auch gefor-
dert. Dabei könnte deutlich werden, daß in der Deutschlandfrage Außenmini-
ster Schewardnadse noch vor Gorbatschow einen Wechsel vom zentristischen
zum progressiven Flügel vollzog. Gorbatschow, dem meiner Meinung nach
dennoch die zentrale Rolle zukommt, prägte einen Stil großer Gesten, die
nachträglich der Detailausgestaltung bedurften und zu widersprüchlichen und
komplizierten Nachverhandlungen zwangen. Das führte nun wiederum zu ei-
nem ungewöhnlich intensiven diplomatischen Austausch zwischen den westli-
chen Alliierten und der Bundesrepublik, bei dem stets die Gefahr bestand, die
UdSSR könne sich erneut isolieren und den Ereignissen nachlaufen.

Nicht unterschätzt werden sollte ein neues Herangehen an die internationalen
Probleme, ich möchte das immer wieder unterstreichen, weil dies die partner-
schaftlichen Beziehungen zwischen den Allianzen und die Transformation der
Militärblöcke förderte. Letztlich aber waren die innenpolitische Entmachtung
der Partei, d. h. der führenden Gremien der KPdSU, und die autokratische Ent-
scheidungsmacht des Präsidenten ab Juli 1990 die personelle Voraussetzung
für ein kaum erwartetes Nachgeben der sowjetischen Seite in der NATO-Bei-
trittsfrage.

Ein wichtiges Motiv für die finale Zustimmung zur Vereinigung im Juli 1990
und in der Ratifikationsphase März/April 1991 war die durchaus begründete
Zuversicht, Deutschland werde als Brücke nach Westeuropa, zur Integration in
die Weltwirtschaft, zur Mitgliedschaft in den G-7 dienen. Aber auch weitere
realpolitische Motive mögen eine Rolle gespielt haben. Nach notierten Be-
richten Falins, die Sie im PDS-Parteiarchiv nachlesen können, glaubte Gorba-
tschow, durch die Vollmitgliedschaft Deutschlands in der NATO dem alten
sowjetischen Ziel näher zu kommen, die westliche Allianz zu zerstören. Das
mag eine Interpretation von Falin sein, aber sie könnte durchaus Gorbatschows
Denken widerspiegeln. Berater im Umkreis Gorbatschows geben die damals
gehegte Illusion einer „Achse Moskau-Berlin“ wieder, über die zwischen Kohl
und Gorbatschow gesprochen worden sei; so Tschernjajew in einem Zeit-
schriftenartikel im August 1997.

Ich komme damit zum Schluß. Unter dem Eindruck der Implosion der SED-
Herrschaft und entgegen vorherrschender Prognose in Politik und Wissen-
schaft, und ich schließe mich dabei nicht aus, hob die Sowjetunion im Zeit-
raum Februar-Juli 1990 ihre vierzig Jahre vorgetragene prioritäre Teilungsop-
tion auf und paßte ihre Handlungsspielräume so weit an, daß das zuvor über-
wiegend als bedrohlich empfundene Deutschland beim Abschluß des Vereini-

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Handlungsspielräume im Vereinigungsprozeß

gungsprozesses zum wichtigsten Kooperationspartner der UdSSR und schließ-
lich des neuen Rußlands werden konnte. Ich danke Ihnen.

(Beifall)

Gesprächsleiter Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Adolf Jacobsen: Herr Oldenburg,
sehr herzlichen Dank für Ihre so differenzierte Analyse. Wir werden hoffent-
lich dann nach dem Mittagessen die Möglichkeit haben, den einen oder ande-
ren Aspekt hier zu diskutieren. Wir fahren gleich in unserer Präsentation fort.
Herr Wolfgang-Uwe Friederich von der Universität Hildesheim ist soeben aus
Chicago eingeflogen und sitzt neben mir und hat das Wort.

Professor Dr. Wolfgang-Uwe Friedrich: Herr Vorsitzender, meine sehr ge-
ehrten Herren Abgeordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich dan-
ke Ihnen zunächst für die Einladung und will im folgenden fünf kurze Thesen
zur amerikanischen Deutschlandpolitik und staatlichen Wiedervereinigung
Deutschlands 1990 vorstellen und dann in der Kürze der Zeit knapp begrün-
den.

These 1

In keinem Land ergab sich seitens der Regierung, des Parlaments und der öf-
fentlichen Meinung ein vergleichbar hohes Maß an Zustimmung zur deutschen
Wiedervereinigung wie in den USA.

These 2

Die deutsche Einheit in Frieden und Freiheit und unter Beibehaltung der
Westbindung der Bundesrepublik, einschließlich der NATO-Mitgliedschaft,
entsprach den vitalen Interessen und den Grundwerten der amerikanischen
Außenpolitik.

These 3

Die USA haben sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges stets zur deut-
schen Einheit bekannt und, als die Chance zur Realisierung bestand, diese ent-
schlossen genutzt.

These 4

Die amerikanische Deutschlandpolitik orientierte sich in ihren Zielen und In-
halten an der Bundesrepublik Deutschland. Die USA entwickelten zwar seit
1984 eine eigene DDR-Politik, diese scheiterte jedoch an der Intransigenz der
DDR. Die polnische Westgrenze galt den USA seit 1945 als politisch und seit
der KSZE-Schlußakte von 1975 auch als juristisch geregelt.

These 5

Die schnelle Lösung der äußeren Probleme der deutschen Einheit wurde unter
der Voraussetzung der Erosion der sowjetischen Macht nur durch die strategi-
sche Partnerschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Verei-
nigten Staaten von Amerika möglich.