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Wahlperiode 13, Band VIII/1, Seiten 226 und 227
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Protokoll der 38. Sitzung

deutsch-polnische Grenze völkerrechtlich verbindlich anzuerkennen, erweckte
nicht nur bei uns Vorbehalte, sondern sorgte auch innerhalb der Bundesregie-
rung für Streit und schuf international Irritationen und Unverständnis. Im
Hintergrund stand bei ihm offensichtlich das Kalkül, bestimmte Wählerstim-
men nicht verprellen zu wollen. Franzosen wie Amerikaner versuchten, die
Polen zu beruhigen und vorsichtig auf Helmut Kohl einzuwirken. Später
stimmte der Bundeskanzler einer identischen Erklärung des Deutschen Bun-
destages und der Volkskammer zu, in der der Bestand der deutsch-polnischen
Grenze garantiert wurde. Bald danach konnte beim Außenministertreffen in
Paris eine für alle Seiten akzeptable Lösung gefunden werden. Für die Pariser
Tagung war wichtig, daß die Trennung vollzogen wurde zwischen dem Grenz-
vertrag und dem Grundlagenvertrag, wie wir damals den späteren Nachbar-
schaftsvertrag nannten. Ursprünglich wollten das weder die Polen noch die
Bundesrepublik, jeweils aus unterschiedlichen Gründen. Wir hatten diese
Trennung vorgeschlagen. Die Polen wollten möglichst auf einmal und ganz
schnell alles. Die Bundesrepublik wollte den Grenzvertrag nicht so früh. So
ergab sich eine Blockade. Der Durchbruch wurde dann Anfang Juli bezie-
hungsweise in Paris vollzogen. In Paris hieß es dann, daß der Grenzvertrag
unmittelbar nach der Vereinigung geschlossen werden solle, weshalb wir wie-
derum danach forderten, er solle in der ersten Sitzung des Parlamentes nach
der Vereinigung ratifiziert werden. Dies war nicht der Fall. Daß nach der Ver-
einigung Helmut Kohl im Einvernehmen mit Mazowiecki diese Entkoppelung
teilweise zurücknahm, indem man beschloss, den Grenzvertrag zwar zu unter-
schreiben aber erst gemeinsam mit dem Nachbarschaftsvertrag zu ratifizieren,
das haben wir damals sehr skeptisch betrachtet. Trotz aller Schwierigkeiten,
Verwicklungen, Fragen und auch Verdächtigungen, die es in dieser Frage ge-
geben hat, haben sich alle diese Sorgen, so muß ich heute klar sagen, in den
Jahren darauf nicht bestätigt.

Die Veränderungen der DDR-Positionen, die es dann im Laufe der Zeit natür-
lich gegeben hat, denn in so schnell sich wandelnder Zeit waren Positionen
nicht von Anfang bis zum Ende durchzuhalten, die kann ich hier im einzelnen
nicht beschreiben. Ich wollte aber die Grundlinien beschreiben. Der unmittel-
bare Einfluß der DDR auf die Ergebnisse war naturgemäß gering. Nicht nur
wegen mancher Fehler und Unerfahrenheit, sondern insbesondere durch die
oben angesprochenen Rahmenbedingungen. Zu den Fehlern zähle ich das, was
dann unter dem Stichwort Sicherheitszone kursierte. Es war ein Fehler sowohl
in der Art, das Konzept nach außen zu geben, ohne vorher Absprachen getrof-
fen zu haben, als auch in der Form.

Das schmale und auf wenige Verhandlungspunkte angelegte Konzept des We-
stens war strategisch auf einen schnellen Verlauf angelegt und hatte Erfolg.
Dieser schnelle und erfolgreiche Abschluß des Zwei-plus-Vier-Vertrages öff-
nete das Tor zur deutschen Einheit. Er war für Deutschland und seine europäi-
schen Nachbarn ein großer Gewinn. Und die erfolgreiche Dimension des Ver-
einigungsprozesses, der Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf
Deutschland vom 12. September 1990, machte nicht nur für die deutsche Ein-

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Handlungsspielräume im Vereinigungsprozeß

heit den Weg frei, sondern mündete auch in die Charta von Paris für ein neues
Europa vom November 1990. Wer diese Texte heute nachliest, spürt noch et-
was von der Vision eines neuen Europa, die uns und viele Menschen in Europa
damals erfüllte. Heute haben wir nicht nur in Bosnien schlimme Erfahrungen
gemacht. Der Optimismus ist gewichen, die Aufgaben, auch manche von de-
nen, die wir damals in den Verhandlungen ansprachen, sind geblieben. Ge-
meinsam mit unseren Nachbarn und Partnern werden wir heute dazu beitragen,
den heutigen Herausforderungen bei der Gestaltung Europas gerecht zu wer-
den. Vielen Dank.

(Beifall)

Gesprächsleiter Prof. Dr. Bernd Faulenbach: Meine Damen und Herren,
Sie werden bemerkt haben, daß der Zeitrahmen bei beiden Vorträgen über-
schritten wurde. Allerdings standen die beiden Referenten vor dem Problem,
die innere Entwicklung, die äußere Entwicklung und den Vereinigungsprozess
selbst darzustellen. Das Themenfeld war sicherlich sehr breit, und dementspre-
chend ist es wohl verständlich, daß der Zeitrahmen etwas überschritten wurde.
Vieles war in den Einzelheiten der Einschätzung doch auch interessant, da die
Akteure, die damals eine Rolle gespielt haben, heute ihr damaliges Tun zum
Teil kritisch oder doch ansatzweise kritisch reflektieren. Angesichts der Zeit-
probleme können wir keine Podiumsdiskussionen mehr durchführen, was wir
eigentlich wollten, doch sollten wir uns die Zeit nehmen, noch zwei State-
ments dazu zu hören, und zwar von Herrn Poppe und von Herrn Irmer, die
damit gleichsam die Diskussion der Enquete-Kommission eröffnen. Zunächst
Herr Poppe bitte. Ich weiß natürlich, daß auch Herr Poppe sehr viel aus eigener
Erinnerung darstellen kann. Aber vielleicht versucht er, sich auf einige Punkte
zu konzentrieren.

Gerd Poppe, MdB: Ich werde mir Mühe geben, Herr Faulenbach. Allerdings
möchte ich noch eine weitere Sicht hier einbringen, sozusagen den Kreis der
Akteure erweitern. Das hat sich ja heute schon einmal angedeutet mit dem,
was Janusz Reiter gesagt hat zur polnischen Solidarność und dem, was wir da-
zu diskutiert haben. Es ist auch bei Markus Meckel einiges angeklungen. Ich
will also hier noch einiges sagen zur Sicht der DDR-Opposition und -
Bürgerrechtsbewegung. Wie hat sie die Rahmenbedingungen gesehen, welche
Optionen, welche Handlungsspielräume hatte sie, und wie hat sie möglicher-
weise ihrerseits die Rahmenbedingungen mit verändert? Nun mache ich da ei-
nen Unterschied zwischen zwei sich deutlich voneinander unterscheidenden
Zeiten. Das Unterscheidungsmerkmal ist ganz einfach, das ist der Fall der
Mauer. Es geht einmal um die Zeit vor dem Fall der Mauer, und dann geht es
um den 9. November 1989 und die Zeit danach bis zur deutschen Einheit. Bei
der Fragestellung, die uns immer wieder offeriert wird, geht es immer um be-
stimmte Politiker, möglichst alle die bekannten Namen, die ihre Memoiren
schreiben, die immer die deutsche Einheit und nie etwas anderes wollten. Die
stand im Vordergrund all ihrer politischen Überlegungen, während die Oppo-
sitionsbewegung in der DDR angeblich immer nur die verbesserte DDR, den