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Wahlperiode 13, Band VIII/1, Seiten 234 und 235
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Protokoll der 38. Sitzung

juristisch auf einer klaren Grundlage standen und gesagt haben, die internatio-
nalen Verpflichtungen der KSZE haben Vorrang vor den bilateralen Ver-
pflichtungen; die nämlich hätten die Ungarn eigentlich gezwungen, die
Flüchtlinge in die DDR zurückzuschicken. Ein zweiter Punkt noch, ebenfalls
in diesem Zusammenhang: Die Diskussion über die NATO-Mitgliedschaft
wurde von unseren westlichen Kollegen in diesen Gremien absolut verstanden,
nämlich daß wir gesagt haben, ohne sie geht es nicht. Die Frage der Vereini-
gung war als solche nicht zwingend, wenn man es logisch betrachtete und von
den anderen zu hören bekam: Wenn die Freiheit erreicht wird, ist das ja ei-
gentlich in Ordnung. Müßt ihr unbedingt die Einheit haben? Da haben wir
dann immer gesagt, wir müssen nicht, die Freiheit ist das wichtigste. Wenn sie
erreicht und abgesichert werden kann, ist das in Ordnung. Aber wenn unsere
Landsleute in der DDR sagen, wir wollen die Einheit, wer sind wir denn, ihnen
zu sagen, wir wollen euch nicht. Das war dann im Grunde die letzte Logik, daß
wir das auch verständlich machen konnten, daß wir gesagt haben, die Leute
sind über Jahrzehnte lang bevormundet worden, jetzt sagen sie selber, was sie
wollen, und wenn sie sagen, die Einheit gehört dazu, dann haben wir das ein-
fach zu respektieren. – Ich hoffe, das war kurz genug. Danke.

(Beifall)

Gesprächsleiter Prof. Dr. Bernd Faulenbach: Meine Damen und Herren, in
der Fraktionsrunde habe ich jetzt notiert Frau Brudlewsky, Herrn Hilsberg und
Herrn Jacobsen. Es folgen dann später noch Herr Wilke, Herr Maser, Herr
Faulenbach und Herr Gutzeit. Frau Brudlewsky, Sie haben das Wort.

Abg. Monika Brudlewsky (CDU/CSU): Schönen Dank. Auch ich war Mit-
glied der ersten freien Volkskammer und möchte gerne die Betonung auf „frei“
legen. Mit Herrn Kollegen Meckels Vortrag war ich weitgehend einverstanden,
aber etwas hat bei mir doch Widerspruch ausgelöst, und zwar seine Kritik dar-
an, daß in Bundestagsreden davon gesprochen wird, daß 16 Millionen durch
Einheit in Freiheit gekommen sind. Ich meine, warum soll man das nicht sa-
gen? Meines Erachtens kommt es immer darauf an, aus welcher Sicht man das
sieht. Der normale, einfache Bürger der ehemaligen DDR, nicht SED-Mitglied,
sieht es schon so. Auch Ihre eigene Biografie, Herr Meckel, wir haben beide
ähnliches erlebt, spricht eher dafür. Wir wissen um die Demonstrationen, daß
Leute mit der Kerze auf dem Marktplatz gestanden haben in Angst, daß sie
hinterher zwei Jahre Gefängnis bekommen, für Stillschweigen, oder Abschie-
bung unliebsamer Leute wie Freya Klier. Nicht Leistung hat bei der Karriere
gezählt, sondern die Willfährigkeit gegenüber dem Staat. Ich brauche das nicht
erzählen. Aber ich bin der Meinung, ich selber war natürlich frei in meinem
Gewissen und in meinen Gedanken, aber äußerlich war ich eben nicht frei. Die
Reisefreiheit, die Redefreiheit, die gab es eben nicht. Und die Karriere im Be-
ruf, diese Freiheit, die gab es eben auch nicht. Dann fehlte mir noch eins bei
der Befreiung, die nicht unbedingt von außen kam, sondern von innen, mit Hil-
fe von vielen verschiedenen Faktoren. Die Rolle der Kirche, fand ich, hätte
noch erwähnt werden müssen, weil die ja auch eine sehr wichtige Rolle ge-

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Handlungsspielräume im Vereinigungsprozeß

spielt hat in der Zeit vor der Wende und auch während der Wende, daß die Tü-
ren geöffnet wurden. Viele Wege führten in die Freiheit, die Auswanderung
von Hunderttausenden und dann auch dies, daß seit Afghanistan 1979, wo zum
letzten Mal die russischen Panzer rollten, keine Panzer mehr rollten, in Polen
1980 rollten die sowjetischen Panzer nicht mehr. Darüber war man sehr ver-
wundert.

Zwischenruf: In Afghanistan rollten sie noch bis 1989.

Das habe ich doch eben gesagt. Afghanistan, gut, in Afghanistan rollten sie
weiter, aber in Polen rollten eben keine Panzer mehr. Und den Punkt meinte
ich hier. Nicht, daß wir uns falsch verstehen. Das sind Dinge, die dann auch
ein Stück dazu beigetragen haben, den Mut zu behalten, die Furcht zu verlie-
ren. Meine Frage ist einfach: Was waren wir in der DDR, wenn wir nicht un-
frei waren? Diese Frage wollte ich einfach stellen.

Gesprächsleiter Prof. Dr. Bernd Faulenbach: Herr Hilsberg.

Abg. Stephan Hilsberg (SPD): Angesichts dieser langen Diskussionsbeiträge,
Statements und Vorträge, die wir heute gehört haben, ist es, glaube ich, nicht
passend, hier in die Detaildiskussion zu treten. Da könnte man sehr viel sagen.
Ich kann nur sagen, ich finde es sehr wichtig, daß hier auch eine konträre Po-
sition dargestellt wurde. Mein Eindruck ist, daß insbesondere die Rolle der
politischen Kräfte in der damaligen DDR auch nach eingehender Erforschung
dargestellt werden muß, gerade angesichts der noch vorherrschenden Meinung,
Kohl und Gorbatschow hätten die Einheit betrieben. Deshalb finde ich es rich-
tig, was hier insbesondere von Markus Meckel und Gerd Poppe gesagt wurde.
Herrn Irmer kann ich nur zustimmen, wenn er sagt, wenn die Volkskammer
die Einheit nicht gewollt hätte, wäre sie nicht gekommen. Selbstverständlich,
nur war das eine rein theoretische Diskussion. Denn die Volkskammer wäre
bekloppt gewesen, etwas nicht zu wollen, was die große Mehrheit der DDR-
Bürger wollte. Wir standen immer für Selbstbestimmung, wir wollten sie
durchsetzen. Wir hatten klare Programme, die sahen eben die Einheit der Na-
tion vor. Dann muß ich eines noch einmal ganz klar sagen, gerade nach dem,
was heute vormittag von unseren Referenten, auch Herrn Kornblum, dem ame-
rikanischen Botschafter, hier erklärt wurde. Er hatte den Eindruck anläßlich
des Honecker-Besuchs hier in Bonn, die westdeutsche Politik glaube gar nicht
an die Einheit, sie wolle sie im Grunde genommen gar nicht mehr. Wenn ich
da auch verschiedene andere Sachen höre, dann, muß ich sagen, brauchen wir
uns als ehemalige Oppositionelle aus der DDR mit unseren Vorstellungen in
keinster Weise, aber wirklich in keinster Weise zu verstecken. Und einen Tag
vor dem 4. Dezember, als Bush seine Pressekonferenz gab und sagte, die Deut-
schen sollen Selbstbestimmung haben, sollen die Einheit verwirklichen in frei-
er Selbstbestimmung, hatte der SDP-Vorstand seine Erklärung zur deutschen
Einheit verabschiedet, die mit den Worten beginnt: Wir bekennen uns zur Ein-
heit der deutschen Nation, und sie muß organisiert werden. Auch verschiedene
andere Passagen kann man danebenhalten. Das war angesichts der Entwick-
lung, die hinter uns lag, und der Offenheit der Entwicklung und insbesondere