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Wahlperiode 13, Band VIII/1, Seiten 288 und 289
288
Protokoll der 38. Sitzung

Anlage 3

Markus Meckel, MdB


Die DDR im Vereinigungsprozeß

Schriftliche Vorlage

Gerade in diesen Tagen um den 3. Oktober gab es manche Rückblicke auf die
deutsche Vereinigung. Bezeichnend war die Perspektive: Da war die Rede von
den Demonstrationen durch eine plötzlich mutige DDR-Bevölkerung im
Herbst 1989 sei das SED-Regime zusammengebrochen und die Bundesrepu-
blik habe den Laden übernommen.

Wobei diese Variante noch besser ist als die auch manchmal geäußerte Rede,
daß 16 Millionen Ostdeutsche durch die Einheit die Freiheit erhalten haben,
enthält diese erste wenigstens noch die Tatsache, daß der Sturz der Diktatur
und damit der Sieg der Freiheit der deutschen Einheit vorausging und sie er-
möglichte.

Diese Beispiele, die es in unzähligen Varianten gibt, machen deutlich, wie sehr
in der Erinnerung der meisten Menschen heute die Demonstrationen, der Mau-
erfall, das Ende der DDR und die deutsche Vereinigung zu einem Ereignis zu-
sammengeschmolzen sind, das dann auch noch vielfach verharmlosend „Wen-
de“ genannt wird.

Das ist oft gar nicht böser Wille – man macht sich einfach keine Gedanken
darüber. Und natürlich sind dann auch Interessen im Spiel.

Die DDR als eigenständiger Akteur – oder besser: mit eigenständigen Akteu-
ren – im Vereinigungsprozess kommt normalerweise nicht vor. Vieles ist hier
bis heute auch nicht erforscht. Die Darstellungen und Dokumentationen der
Bundesregierung lassen diese Dimension zu großen Teilen weg.

Bis heute ist diese Geschichte auch schlecht dokumentiert. Die Akten sind
zwar zugänglich aber es gibt keine Ausgabe, welche etwa die Sitzungen der
Plenarsitzungen der frei gewählten Volkskammer dokumentiert oder die Pro-
tokolle des Ministerrats, vielleicht sind auch die des Koalitionsausschusses in-
teressant. Mir selbst sind bis heute die Akten des eigenen Ministeriums aus
dieser Zeit nicht einmal zugänglich.

Auch acht Jahre nach dem Sturz der SED-Diktatur und sieben Jahre nach der
Vereinigung lebt die Öffentlichkeit in Bezug auf diese Vorgänge mehr mit
groben Schemata und Mythen als mit klaren Bildern. Ein Rückblick braucht
aber die sehr verschiedenen Facetten dieser Geschichte, die Darstellung der
unterschiedlichen Positionen der Akteure aus Ost und West und ihrer Hinter-
gründe. Ist diese Zeit doch eine Glücksstunde deutscher Geschichte und
gleichzeitig ein wichtiges Erbe für die deutsche Demokratie!

289
Handlungsspielräume im Vereinigungsprozeß

Ich kann in der zur Verfügung stehenden Zeit hierfür nur einige wenige Linien
zeichnen.

1. Der Weg zur deutschen Einheit als Weg institutioneller Selbstbestimmung
der DDR-Bürger

Wer die historischen Abläufe der 14 Monate zwischen dem Sommer 1989 und
dem 3. Oktober 1990 genau betrachtet, wird in der DDR verschiedene Phasen
unterscheiden müssen. Zuerst die Zeit der Zuspitzung der Krise im Sommer
’89, verstärkt durch die Fluchtwelle und die Öffnung der ungarisch-österrei-
chischen Grenze, dann die Herbstrevolution unter der Führung neuer opposi-
tioneller Organisationen, die durch den machtvollen Druck der Straße mit dem
Sturz der SED-Diktatur und dem Mauerfall endete. Es folgte die Regierungs-
zeit Modrow, in der dieser die Macht von der Partei zur Regierung verlagerte
und für die SED-Genossen zu retten suchte, was zu retten ist und gleichzeitig
die Zeit des Runden Tisches, der dies zu verhindern suchte, die Regierung
kontrollieren wollte und in zentralen Fragen Modrow zum Einlenken zwang.
Seine Hauptaufgabe war jedoch die Vorbereitung der freien demokratischen
Wahlen. Anders als in Polen war bei uns das Ergebnis des Runden Tisches
nicht die Teilung der Macht, sondern die wirklich freie Wahl.

Die letzte Phase beginnt dann mit der frei gewählten Volkskammer und der
von ihr gewählten Regierung. Diese bereitete dem Wählerauftrag gemäß in
Verhandlungen und Verträgen die Vereinigung vor – im Staatsvertrag zur
Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, im Einigungsvertrag und im Zwei-
plus-Vier-Vertrag. Die gewählte Volkskammer beschloß den Beitritt zur Bun-
desrepublik Deutschland nach Art. 23 GG.

Dieser institutionelle Ablauf bis zum Tag der deutschen Einheit ist ein Weg
der Selbstbestimmung der Ostdeutschen. Wir Ostdeutschen sind nicht wie ein
maroder Apfel an die Bundesrepublik gefallen, sondern zielten die Einheit an
und vollzogen den Beitritt erhobenen Hauptes. Hier handelten von den DDR-
Bürgern frei gewählte Institutionen und Personen.

Wie hätte es eigentlich besser laufen sollen?

Der Weg der Freiheit führte geradlinig in die Einheit. Was die institutionellen
Abläufe angeht, kann ich nur sagen: Es war schwierig genug, aber hier wurden
alle Träume wahr!

Und es waren nicht nur Träume, sondern politische Strategie, der politische
Wille zur Selbstbestimmung. Ich verweise z. B. auf eine Erklärung zur deut-
schen Frage, die der SDP-Vorstand am 3. Dezember 1989 beschloß. Sie ent-
hielt folgende Momente:

  • Wir wollten die Einigung als wohlorganisierten Prozeß zwischen zwei de-
    mokratisch legitimierten, gleichberechtigten deutschen Staaten, in dem die
    Interessen des schwächeren Teils, der Bevölkerung der DDR, angemessen