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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 50 und 51
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Protokoll der 18. Sitzung

Dann hat man auch noch einen sogenannten Kampfauftrag erteilt, indem
man Leute hierher geschickt hat, um mich auszukundschaften. Ich glaube,
dies wird wohl eine Sache des Bundesanwalts sein. Die Klarnamen sind mir
mittlerweile geläufig. Ich mußte danach nur noch mal die kopierten Akten
durcharbeiten. Wenn man als junger Mensch den Einsatz gewagt hat, in der
Politik mitzuhelfen – ich bin ja kein Mann, der ein Amt oder irgend etwas
angestrebt hat, ich wollte nur ganz einfach mit einen Beitrag leisten –, um
dann im nachhinein festzustellen, daß man über Jahre hinweg aus dieser
Umklammerung des Kommunismus – das war eine Krake – nicht mehr
herausgekommen ist, dann ist das eine fürchterliche Situation.

Aber Sie können sicher sein, daß ich solange über diese Dinge reden werde,
wie ich es geistig und körperlich vermag. Dies bin ich den Leuten schuldig, die
heute nicht mehr für ihre Sache einstehen und reden können. Ich muß sagen:
Ich bin ein bißchen stolz darauf, daß ich Glück gehabt habe und heute vor
Ihnen sitzen kann, um Ihnen das zu berichten. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Ganz herzlichen Dank, Herr Dieter Rieke.
Der nächste Redner wäre dann Herr Wolfgang Schollwer.

Wolfgang Schollwer: Ich bin Jahrgang 1922. 1946 trat ich in die LDPD ein.
Bis zum Oktober 1950 war ich Mitglied dieser Partei. Dann bin ich nach
West-Berlin geflüchtet. Ich kann also nur über die Zeit von Herbst 1946 bis
zum Herbst 1950 Zeitzeugenschaft ablegen.

Was hat mich oder viele andere bewogen, in diesen Jahren in die LDPD
einzutreten? Dazu kann ich natürlich keine verbindliche Auskunft geben,
sondern ich kann nur sagen, was mich selbst und was meine Freunde
wahrscheinlich veranlaßt hat, in dieser Partei tätig zu sein.

Zunächst war das die Hoffnung, daß es bald eine Einigung der Vier
Mächte in bezug auf Deutschland geben würde. Damals gab es ja noch die
Viermächtekonferenzen bzw. die Außenminister- und Regierungskonferenzen,
und man konnte sich einfach nicht vorstellen, daß der Zustand, der in den
Jahren 1946/47 herrschte, lange andauern würde.

Zweitens ging es – das klingt fast noch illusionärer als das erste – um
die Hoffnung, daß die sowjetische Führung auf die Dauer mehr Interesse
daran haben würde, zum gesamten deutschen Volk ein gutes Verhältnis zu
haben, als sich allein auf die SED zu stützen. Insofern wollten wir als
Liberaldemokraten sozusagen bereitstehen, um in Zusammenarbeit mit der
sowjetischen Besatzungsmacht – später sollte es der sowjetische Partner sein –
Deutschland anders zu gestalten, als es die Kommunisten dann getan haben.

Drittens war unsere Bereitschaft für dieses Parteiensystem in der sowjetisch
besetzten Zone dadurch bestimmt, daß wir eine gewisse Abneigung gegen
das Parteiengezänk hatten, das man im Westen schon wieder feststellen
konnte. Wir waren der Meinung, daß die Parteien in einer schwierigen

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Veränderung des Parteiensystems 1945–1950

Zeit zusammenarbeiten müßten, um die Probleme zu lösen, die vor einem
standen.

Wenn ich die zweite Hoffnung als besonders illusionär bezeichnet habe, dann
möchte ich zu unserer damaligen Rechtfertigung doch ein Beispiel nennen.
Im Februar 1949 wurde auf dem Parteitag der Liberaldemokratischen Partei
in Eisenach ein Parteiprogramm verabschiedet, das sich dadurch auszeichnete,
daß es wirklich noch ein demokratisches und liberales Programm war, welches
von der Besatzungsmacht genehmigt wurde. Es gab eigentlich in diesem
Parteiprogramm nur wenige Passagen, die man als eine Konzession an die
politische Situation von 1949 betrachten konnte. Vielleicht könnte man sogar
sagen: Es war eigentlich nur eine Konzession an die Sozialdemokraten, denn
wir verlangten damals die Verstaatlichung der Bodenschätze, der Großbetriebe
und der Grundstoffindustrie, und wir wünschten eine zweck- und sinnvolle
Lenkung der Volkswirtschaft. Das war die Konzession, die die Partei damals
in bezug auf den Kurs in der sowjetisch besetzten Zone machte.

In dem halben Jahr bis zum Herbst 1949 – also bis zur Gründung der
Deutschen Demokratischen Republik – war es uns möglich, dieses Programm
im ganzen Land zu verbreiten. Das geschah in unzähligen Reden, die wir
in Städten, Gemeinden und Kreisen hielten. Darin propagierten wir liberale
Politik. Erst mit der Errichtung der Deutschen Demokratischen Republik und
der offiziellen Übernahme der Macht durch die SED in Ostdeutschland wurde
dem ein Ende bereitet. Ab Herbst 1949 durfte dieses Programm nicht mehr
verkündet werden. Unter dem Zeichen der sowjetischen Besetzung waren für
uns noch gewisse Spielräume gegeben.

Wir hatten drei besondere Schwierigkeiten. Erstens ging es um die Einbindung
in sogenannte überparteiliche Gremien. Dazu gehörte ja nicht nur die
Blockpolitik. Dabei ging es um die Block-Sitzungen, die vom Kreis bis hinauf
auf die Zonen-Ebene stattfanden. Vielmehr war es so, daß in steigendem Maße
auch noch die Volkskongreßbewegung hinzukam, die dann zur Nationalen
Front mutierte. In dieser Volkskongreßbewegung bzw. Nationalen Front waren
eine Anzahl von Ausschüssen gebildet worden, in denen auch die LDPD
vertreten sein mußte.

Es war so, daß ich vor dieser Zeit – also im Frühjahr 1948 – als LDPD-
Kreissekretär in dieses System eingebunden war. Neben den Parteiausschüs-
sen, denen ich selbstverständlich angehören und in denen ich tätig sein
mußte, war ich in neun überparteilichen Kommissionen tätig. Sie werden
sich vorstellen können, daß da natürlich kaum noch Zeit blieb, sich der
eigentlichen Parteiarbeit zu widmen. Das war bewußt so gemacht worden,
um die bürgerlichen Parteien an eigener Tätigkeit zu hindern.

Ich komme zur zweiten Schwierigkeit. Obwohl es damals noch keinen Erich
Mielke gab, waren doch Spitzel en gros vorhanden. In der Landesleitung, in
der ich ab Juni 1948 tätig war, hielten sich zwei Mitarbeiter des sowjetischen