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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 96 und 97
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Protokoll der 18. Sitzung

zu folgen, dem jedoch eigene Handlungsspielräume eingeräumt worden waren,
die er situationsabhängig auch nutzte. Belege für diese Wechselbeziehung sind
nicht nur die Durchsetzung des sozialistischen Realismus, sondern auch die
innerverbandliche Auseinandersetzung um den 17. Juni 1953, bei der es für
DDR-Verhältnisse verhältnismäßig offen und kontrovers zuging.

Auch die Tatsache, daß der Kulturbund im Juni 1992 immerhin noch 100.000
Mitglieder zählte – 1988 waren es 277.327 –, mag als Indiz dafür gelten, daß er
zumindest für einen Teil seiner Mitglieder mehr war als nur ein Instrument
der Partei zu ihrer Fremdbestimmung.

Dieses Fazit deckt sich in seinen Grundzügen mit der Einschätzung, zu der
ich schon 1989, vor der Öffnung der Archive, gekommen war. Das lag vor
allem daran, daß die gedruckten Quellen, Zeitungen und Zeitschriften aus
diesen Jahren, aber auch die übrigen Überlieferungen im Vergleich zu späteren
Phasen der DDR-Entwicklung relativ ergiebig sind und auch die Publikationen
des Kulturbundes einen guten Einblick ermöglichten. Natürlich ist das Bild
seit dem Zugang zu den Archiven sehr viel dichter und bunter geworden.
Gerade deshalb erscheint es mir wünschenswert, auch in diesem Bereich
weitere Forschungen zu ermöglichen.

3. „Funktion und Rolle der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft
und ihrer Vorgängerorganisationen“

Prof. Dr. Lothar Dralle: Vor der Beschreibung der Funktionen der Gesell-
schaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (GDSF bzw. DSF) will ich einen
kurzen Blick auf das Verhältnis der Deutschen zu den Russen werfen, wie es
sich in den tausend Jahren vor ihrer Gründung entwickelt hat.

Die meisten Deutschen interessierten die Russen oder Rußland in der Regel
nicht. Wurde ihre Aufmerksamkeit aber durch irgendwelche spektakulären
Ereignisse geweckt, dann entwickelten sie gegenüber den Russen eine
ambivalente Einstellung. Interesse wie Einstellung nahmen übrigens vom
deutschen Nordosten nach Südwesten hin in ihrer Intensität ab.

Die Ambivalenz in der unterschiedlich stark präsenten Einstellung der Deut-
schen gegenüber den Russen wird durch zwei gegensätzliche Merkmale be-
wirkt. Einerseits fühlten sich die Deutschen den Russen überlegen, andererseits
hatten sie Angst vor ihnen. Diese Zustandsbeschreibung gilt für 95 % der
Deutschen oder mehr.
Eine weitere Vorbemerkung: In der Zeit der Weimarer Republik entstanden
zwei Gesellschaften, die die Deutschen zu Freunden der Russen bzw. der
Sowjets machen wollten. Hinter beiden, der „Gesellschaft der Freunde des
neuen Rußland“ wie dem „Bund der Freunde der Sowjetunion“, stand die
Kommunistische Internationale. Von beiden kennen wir Mitgliederzahlen. Da

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Veränderung des Parteiensystems 1945–1950

sie von DDR-Historikern ermittelt wurden, haben wir keinerlei Anlaß zu
befürchten, daß sie etwa zu niedrig angesetzt seien. Die „Gesellschaft der
Freunde des neuen Rußland“, die sich an die bildungsbürgerlichen Schichten
Deutschlands wandte, zählte maximal 1.500 Mitglieder, das sind 0,002 % der
deutschen Bevölkerung, angesetzt mit 80 Millionen. Der „Bund der Freunde
der Sowjetunion“ sollte sich um Arbeiter jeder linken politischen Couleur
kümmern. Diese Gruppe sah vielfach im sowjetischen System ihre Zukunft.
Sie soll die Höchstzahl 50.000 Mitglieder gehabt haben. Das entspricht einem
Anteil von 0,06 % der Bevölkerung. Unter zwangfreien Bedingungen war
nur eine lächerlich kleine Zahl von Deutschen so stark an der Sowjetunion
und deren Menschen interessiert, daß sie einer Freundschaftsgesellschaft
beitraten.

Die Grundstimmung der Masse der Deutschen gegenüber den Russen, das
Überlegenheitsgefühl wie die Angst, sie wurden durch die skrupellose Propa-
ganda der Nazis in den dreißiger und vierziger Jahren kräftig angeheizt. Die
Rote Armee entsprach bei ihrem Vormarsch nach Deutschland auch durch-
aus diesen klischeehaften Vorstellungen. Ihr Barbarentum im ostpreußischen
Nemmersdorf, ihr Verhalten, als sie dann endgültig im Reichsgebiet eindrang,
das alles bestätigte, vergrößerte die Angst der Deutschen.

Trotzdem gab es Menschen unter ihnen, die dieses Gefühl entweder nie geteilt
hatten oder sehr schnell überwanden. Die ersten von ihnen – und das ist das
früheste Datum, das sich im Zentralarchiv der DSF ausmachen ließ- fanden
sich Mitte August 1945 „schon etwa sieben Wochen nach dem Einmarsch
der Roten Armee“ in Leipzig zusammen. Die Gruppe organisierte kulturelle
Vorträge und hörte russische Musik.

Der Leipziger Vereinigung folgten später andere. Sie agierten innerhalb des
Kulturbundes. Es gab nicht viele von ihnen. In der DDR-Literatur wird die
Zahl 14 genannt, sie weiß aber sonst kaum etwas über sie zu berichten.
Die Gründe dafür sind einsichtig: Die meisten Deutschen waren damals mit
dem nackten Überleben beschäftigt, und darüber hinaus wollten sie „sich
keine Liebe zu Rußland oktroyieren lassen“; so deutlich formulierte das ein
Kulturbundmitglied.

Neben den Kulturbundzirkeln entstanden noch Vereinigungen, die offenbar
formal selbständig waren. Eine dieser Gruppen erreichte eine gewisse Be-
kanntheit. Es ist der „Deutsch-Russische Club“ in Weimar gewesen. Er wurde
im Frühsommer 1946 gegründet.

Bei der Formierung wie bei der Arbeit hat die SMAD diesen Zirkeln Hilfe ge-
leistet. Die Sowjets verfolgten dabei, wie bei ihrer eigenen Propagandaarbeit,
im wesentlichen ein imagologisches Ziel. Wenn die Offiziere der politischen
Abteilung der SMAD in Vorträgen vor deutschem Publikum in makellosem
Deutsch mit ihren umfassenden Kenntnissen über Goethe, Schiller, Heine,
Kant, Feuerbach oder Hegel und natürlich Marx brillierten, dann wollten