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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 362 und 363
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Protokoll der 22. Sitzung

Vielen Dank, daß Sie hier das Fähnlein der Liberalen gewissermaßen doch
noch aufziehen wollen.

Tom Steinborn: Ja, sie sind nicht immer in der Mehrheit, aber sie tauchen
doch noch im richtigen Zeitpunkt auf. Zunächst zu meiner Biographie: Also,
ich bin Tom Steinborn. Ich bin am 24.05.1966 in Meißen geboren, bin
auch im Elbtal aufgewachsen, habe ein erstes Fachschulstudium in Grund-
schulpädagogik absolviert, bin in dieser Zeit, 1985, der LDPD beigetreten,
habe dann die Jugendbeiräte der LDPD mitbegründet, bin, wie gesagt, dann
Gründungsgeschäftsführer der Jungliberalen Aktion geworden und nach der
Vereinigung mit den Jungliberalen der stellvertretende Bundesvorsitzende.

Worauf stütze ich den heutigen Vortrag? Zum einen natürlich auf Zeitzeu-
genaussagen, auf eigenes Erleben, und zum anderen bin ich derzeit dabei,
eine Arbeit anzufertigen im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung zum
Thema „Herausbildung liberaler Jugendstrukturen in Ostdeutschland“. Ich
denke, das Thema erfordert es, daß wir auch in diesem Bereich nicht erst
1989 beginnen, denn wir werden dann über viele Dinge, die gerade heute von
jungen Menschen ausgehen, viel größeren Aufschluß finden.

Wenn ich über Jugendbeiräte der LDPD spreche, ist es unumwunden not-
wendig, zu der Rolle der Jugendbeiräte 1945 bis 1951/52, als sie unter
direktem Einfluß der SED und der Staatssicherheit verboten wurden, kurz
einige Fakten zu nennen: 1945, mit Gründung der Liberal-Demokratischen
Partei als einer bürgerlichen, demokratischen, antifaschistischen Partei, ging
auch die Gründung von selbständigen Gremien, die sich an junge Leute
wandten, einher. Ich betone das so, weil es aufgrund des Krieges keine
einheitliche Struktur gegeben hat; wir kommen in der Forschung auf den
Namen „Jugendausschüsse“, wir kommen auf den Namen „Jugendsekretariate“
und dergleichen mehr. Diese arbeiteten in einer großen Selbständigkeit, und
schon in dieser Zeit waren meines Erachtens drei, bisher sind wir immer von
zwei Strömungen ausgegangen, drei Strömungen in diesen Jugendausschüssen
junger LDP-Mitglieder deutlich. Zum einen gab es diejenigen, die einen eige-
nen Jugendverband gründen wollten, zu denen der wohl bekannteste Vertreter
Wolfgang Mischnick aus Dresden gehörte, der dann mit Rede- und Schreib-
verbot belegt wurde und mit Hilfe von Freunden aus West-Berlin und Hessen
dann den Weg nach Westdeutschland finden mußte. Zum zweiten gab es die
Gruppierung um Manfred Gerlach, die ganz eindeutig den Zugang zur FDJ und
auch frühzeitig die Beteiligung am Aufbau der Grundlagen des Sozialismus in
diesem Jugendverband befürwortete; zu dieser Gruppe gehörte zum Beispiel
auch Manfred Brückner aus Jena. Und es gab eine dritte Gruppierung, die auch
von Anbeginn dazu aufrief, daß Mitglieder der anderen Parteien in der FDJ
wirksam werden und dazu beitragen sollten, die FDJ als eine pluralistische
Organisation auszugestalten. Zu ihnen gehörte zum Beispiel Arno Esch, der
dafür von dem sowjetischen Geheimdienst verfolgt und ermordet worden ist –

363
Blockparteien und Massenorganisationen

ein sehr tragisches Schicksal. Diese drei Gruppierungen hat es gegeben, und
es ist wichtig, an diesen Ansätzen weiter zu forschen und nicht nur mit einer
Schwarz-Weiß-Kategorie – gegen oder für die FDJ – zu arbeiten.

Zurück zu den LDP-Jugendbeiräten bzw. Jugendausschüssen. Die Jugend-
ausschüsse wurden 1949 unter direktem Einfluß der sowjetischen Besat-
zungsmacht in Jugendbeiräte umgebildet. Die Beiräte gaben nach außen hin
Erklärungen ab, daß sie nur noch beratenden Charakter für die Vorstandsarbeit
hinsichtlich einer effektiveren FDJ-Arbeit haben würden. Doch in der Praxis
realisierte sich dieses Ziel nicht. Die Jugendbeiräte behielten ihre Eigenstän-
digkeit aus den Jugendausschüssen. 1952 wurden die Jugendbeiräte gänzlich
verboten. Ich muß sagen, daß die jeweiligen Machtwechsel innerhalb der
LDP – vollzogen 1951 auf dem vierten Parteitag in Eisenach oder später
auf der ersten Parteibeauftragtenkonferenz in Weimar, die im Gefolge der
SED den Aufbau des Sozialismus propagierte – das begünstigten. Doch die
Basis war dort noch nicht soweit, sie wollte diesen Weg nicht einschlagen.
Trotz des Beschlusses wurden an der Basis die Jugendbeiräte nicht von selbst,
sondern erst unter direkter Einflußnahme der „Sicherheitsorgane“ – wie es so
schön hieß – aufgelöst. Es haben Verhaftungen stattgefunden, und ab diesem
Zeitpunkt setzte, wie auch in anderen sogenannten Blockparteien, bei denen
ich doch lieber von sogenannten „befreundeten Parteien“ sprechen möchte,
denn die SED war ja auch eine Blockpartei, der Prozeß der erbarmungslosen
Anpassung in allen Gebieten ein. Man wies den befreunden Parteien Plätze zu;
für die LDP und NDPD war es speziell der Platz des Handwerkes und unter
Umständen noch der der Intelligenz. Ich möchte hier eine kleine Seitenbe-
merkung zur Gründung der NDPD und DBD machen. Die Machtideologen
in der SED hatten meines Erachtens ihr Ziel bis 1990 verwirklicht. Die
Gründung dieser Parteien wurde von Leuten vollzogen, die in Ehren aus der
SED entlassen worden waren und regelrecht beauftragt wurden, zum einen die
DBD und zum anderen die NDPD zu gründen, um so das bürgerliche Lager
zu spalten. Die DBD war in diesem Sinne darauf angesetzt, speziell die CDU
auf dem Lande zu schwächen, und die NDPD sollte speziell die Leute um
die LDP herum, z. B. in der Intelligenz, im privaten Bereich, den wir ja bis
1972 durchaus noch hatten, ansprechen. Das kann man nicht den einzelnen
Mitgliedern, welche dann in den 80er Jahren diesen Parteien beigetreten sind,
zum Vorwurf machen. Aber ein solcher Zwist zwischen diesen Parteien –
trotz der großen, gemeinsamen Flagge der Nationalen Front –, den haben
die Genossen immer wieder schön zu pflanzen verstanden, und er ist auch
in bemerkenswerter Weise von den Mitgliedern in der Schizophrenität des
gesamten Systems verwirklicht worden.

Zurück zu den Jugendbeiräten. Jugendarbeit oder Jugendpolitik war ab 1952
kein Thema, kein wesentliches Thema mehr für die LDPD. Erst 1972
tauchen in den Akten differenzierte Beratungen mit jungen Parteimitgliedern