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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 384 und 385
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Protokoll der 22. Sitzung
  1. sätzlich bejahten, wohl aber ohne Gegenwehr hingenommenen und damit
    anerkannten politischen Situation.
  2. Vertreter der Blockparteien in den Volksvertretungen auf Gemeinde-,
    Kreis- und Bezirksebene haben sich innerhalb der gesetzten Grenzen
    in achtunggebietender Weise für die Interessen der Menschen eingesetzt
    und in den unabänderlichen, von der SED-Herrschaft geschaffenen
    Rahmenbedingungen den vorhandenen Spielraum genutzt, um Härten zu
    mildern, schroffe Gegensätze auszugleichen und die Lebensbedingungen
    insgesamt erträglicher zu machen. Während auf zentraler Ebene die
    Volkskammerfraktionen der Blockparteien an den großen Entscheidungen
    nichts ändern konnten, war es den Vertretern in den genannten Gremien
    möglich, an der Regelung der kleinen Verhältnisse mitzuwirken, in denen
    sich das tägliche Leben eigentlich vollzieht.
  3. Zwischen den Führungskräften der Blockparteien und den Parteimitglie-
    dern in den Ortsgruppen bestanden wesentliche, spürbare Unterschiede in
    bezug auf das Bekenntnis zu den politischen Verhältnissen in der DDR und
    zur führenden Stellung der SED. Während diese Gegebenheiten auf der
    höchsten Ebene voll anerkannt und bejaht und in oft peinlich wirkenden
    öffentlichen Erklärungen immer wieder beteuert wurden, herrschte im
    Parteivolk eine Stimmung, die von der Einsicht in die Unausweichlichkeit
    der gegebenen Verhältnisse getragen war. Die von der SED geschaffenen
    Machtverhältnisse gestatteten es nicht, daß die Parteibasis gegen die
    Parteispitze aufbegehrte und dadurch von unten her auf demokratischem
    Wege eine Veränderung bewirkt wurde.
  4. Das Bedürfnis der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED, in der
    DDR nach außen hin ein Mehrparteiensystem vorzuführen, und die un-
    bedingte Hörigkeit der Führungspersonen verschaffte den Blockparteien
    insgesamt ein z. B. widerwillig gewährtes, aber doch formal zugestandenes
    gewisses Ansehen innerhalb der staatlichen und gesellschaftlichen Struktur
    der DDR, so daß ihre Mitglieder in gewählten Entscheidungsgremien
    notwendig waren und im Berufsleben gewisse Aufstiegsmöglichkeiten
    bis zu einer mittleren Leitungsebene besaßen. Auf diese Weise konnten
    qualifizierte Kräfte im wirtschaftlichen, technischen, medizinischen und
    naturwissenschaftlichen Bereich unter Anerkennung ihrer Parteimitglied-
    schaft in begrenztem Maße berufliche Leitungspositionen erlangen, ihre
    Fähigkeiten nutzbar machen und mit ihrer fachlichen Kompetenz einen
    für die ganze Gesellschaft wertvollen Dienst leisten.
  5. Zwischen den Blockparteien ließ sich niemals eine Solidarität der „bür-
    gerlichen“ Kräfte gegenüber der SED erkennen, aus der heraus etwa ein
    gemeinsames Handeln für eine Beseitigung oder wenigstens Modifizierung
    des starren politischen und wirtschaftlichen Systems möglich gewesen
    wäre. Auch in der Schlußphase der DDR im Herbst 1989 kam es nicht
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Blockparteien und Massenorganisationen
  1. zu einem Zusammenwirken, aus dem sich in der offensichtlich gewor-
    denen Schwäche der SED die Übernahme der politischen Verantwortung
    durch die Parteien ergeben hätte, die sich jetzt wieder ihrer ursprüngli-
    chen Selbständigkeit hätten bewußt werden können. Die Verstrickung der
    Parteiführungen in das Herrschaftssystem der SED und das Maß ihrer
    Korrumpiertheit haben eine derartige Möglichkeit ausgeschlossen. Von
    geringen Ausnahmen abgesehen gingen von den Blockparteien der DDR
    keine Initiativen zu Kontakten mit westdeutschen politischen Kräften
    aus, während sie umgekehrt auch nicht von diesen Kräften angesprochen
    wurden. Der deutsch-deutsche Dialog war das Monopol der SED, daneben
    wurde er nur auf kirchlicher Ebene geführt.
  2. In der Mitgliedschaft der Blockparteien regten sich im Herbst 1989
    Kräfte, die auf die Rückbesinnung auf demokratische und rechtsstaatliche
    Grundsätze aus der Gründerzeit gerichtet waren und sich wirksam in
    die Vorgänge einschalteten, die zum Zusammenbruch der SED-Herrschaft
    führten. In der Asche der DDR-Verhältnisse war eine Glut liegengeblieben,
    die zum geeigneten Zeitpunkt wieder aufflackern konnte. Gegenüber
    der spontanen Bewegung aus dem Volk haben diese Kräfte aber keine
    entscheidende Rolle gespielt.
    Es bleibt eine offene Frage, ob das Fortbestehen der bürgerlichen Parteien
    nach ihrer Gleichschaltung trotz aller Anpassung an das SED-Regime als
    richtig einzuschätzen ist oder ob diese Parteien richtig gehandelt hätten,
    wenn sie es auf eine totale Konfrontation mit dem Risiko des Verbots
    hätten ankommen lassen sollen.

 

3.Zusammenfassung der Ergebnisse einer Befragung von Vertretern
unterschiedlicher Leitungsebenen und Mitarbeitern des Zentralverbandes
der LDPD

Im Vorfeld der Anhörung der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Ge-
schichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ des Deutschen Bun-
destages zur Thematik „Rolle der Blockparteien und Massenorganisationen“
am 11.12.1992 führte der Bundestagsabgeordnete Dr. Jürgen Schmieder Ge-
spräche mit dem oben genannten Personenkreis, die er zusammengefaßt für
geeignet erachtet, dem Protokoll der Anhörung als Anlage anzufügen. Die
vorliegende Niederschrift orientiert sich an einem Aufsatz eines ehemals beim
Zentralverband beschäftigten Mitarbeiters.