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sondern für alle Mitglieder in den Vordergrund gestellt. Ich nenne zwei
Themen, um einfach einmal zu zeigen, wie die Schulung auf das Niveau
billiger Agitation gesunken war: Ein Thema vom Oktober 1949 war „Die
SPD-Führung als imperialistische Agentur“, ein anderes Thema lautete „Stalin
als Freund und Helfer des deutschen Volkes“.
Wie sich nun das Mißtrauen gegen diese jüngeren Kader auswirkte, mögen Sie
daran ermessen, daß der offizielle Bericht von Ende September 1947 über die
Gründung des Kominform von den Schülern 1949 abgeliefert werden mußte.
Als sie ihn von der Lehrmittelabteilung zurückbekamen, fehlten drin die Seiten
31 bis 50; das war nämlich das Referat des Jugoslawen Kardelj, das nun nicht
mehr gelesen werden durfte.
Ich habe aus der Bibliothek der Parteihochschule „Karl Marx“ antiquarisch
erworben „Die Einheit“ – das theoretische Organ der SED für „Theorie
und Praxis des Sozialismus“, Heft 20 vom Dezember 1951. Da ist im
Inhaltsverzeichnis etwas geschwärzt. Weiter hinten ist in diesem Exemplar
tatsächlich auch ein Artikel herausgeschnitten worden. Dieser Artikel stammte
von Franz Dahlem, der zu dieser Zeit – 1951 – gewissermaßen noch der
zweite Mann nach Ulbricht war, aber Anfang 1953 abgesetzt worden ist.
Offensichtlich wurde zu diesem Zeitpunkt dann auch das Exemplar dieser
Zeitschrift „gesäubert“.
Ich denke, ich kann es dabei belassen. Sie ersehen daraus, daß hier eine
radikale Veränderung der Vorstellungen, wie ideologische Ausbildung des
Nachwuchses der Kader sein sollte, festzustellen ist. Innerhalb kürzester Zeit
zeigt sich eben, daß wir es mit einem Schulungssystem zu tun haben, das
Wert darauf legt, auch den eigenen Kadern gewissermaßen nicht mehr die
Möglichkeit zu geben, anderes zu lesen als das, was vorgeschrieben ist, selbst
wenn es vorgestern noch die offizielle Linie war.
An der Parteihochschule „Karl Marx“ wurden dann ab 1950, als man das
ganze Parteischulungssystem auf diese Grundlage gestellt hatte, Drei-Jahres-
Lehrgänge durchgeführt. Die SED besaß dann ab 1952 15 Bezirks- und 185
Kreisparteischulen. Sie hat allein bis zum Jahre 1954 600.000 meist junge
Menschen so indoktriniert, und ich glaube, daß diese Indoktrination dann ihre
Wirkung zeigte.
Wir haben auch innerhalb des Apparates – das ist nun meine Schlußfolgerung
aus diesen Beispielen – ein System von Über- und Unterordnung, von Befehl
und Gehorsam. Auch innerhalb der Partei werden solche Verhaltens- und
Denkweisen vorgeschrieben und eingeübt, die den Anforderungen moderner
Gesellschaft zwar widersprechen, aber den Gesetzen einer solchen stalini-
stischen Apparat-Partei zugrunde liegen. Was gebraucht wird, ist – statt
Kritikfähigkeit und Konfliktbewältigung – der folgsame, doktrinäre, vielleicht
auch elitäre, auch intolerante Funktionär, der sich jederzeit den übergeordneten
Autoritäten unterstellt, sich deren Vorstellungen zu eigen macht. Er brauchte ja
nur die in seinen Kaderplänen entsprechend vorgegebenen Aufgaben auszufüh-
ren, um mit Privilegien belohnt oder korrumpiert zu werden. Andererseits aber
hat ihn eben die Furcht vor Repressalien gehindert, eigenständig zu handeln,
und ihn veranlaßt, selbst erkennbar falsche Weisungen ohne Widerspruch
hinzunehmen.
Die Folgen erwiesen sich als verheerend. Ich ende mit einem Zitat von Rudolf
Bahro aus dem Jahre 1977: „Fügsamkeit nach oben, disziplinarische Durch-
schlagskraft nach unten und erst an dritter Stelle Kompetenz.“ (Beifall)
Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, Herr Professor Weber!
Bei Ihnen – das merkte man – war das ganz anders mit der Kompetenz.
Wir bitten den zweiten Referenten, Herrn Fritz Schenk aus Mainz, zum
Zeitraum der fünfziger Jahre das Wort zu nehmen!
Fritz Schenk: Herr Vorsitzender, Meine Damen und Herren! Meine Ver-
setzung in die Staatliche Plankommission der DDR Anfang 1952 aus dem
Sachsenverlag in Dresden fiel in die Hoch- und Endzeit der Herrschaft Josef
Stalins. Ich sollte ursprünglich dort das Drucksachen- und Formularwesen für
die Planwirtschaft entwickeln, betreuen usw.; dazu ist es nicht gekommen, weil
jenes Frühjahr 1952 von zwei wichtigen politischen Ereignissen geprägt war:
Das eine war die Note Josef Stalins an die Westmächte mit dem Angebot
einer möglichen Wiedervereinigung unter dem Aspekt der Neutralisierung
Deutschlands, das zweite war der Beschluß, im Sommer 1952 die Zweite
Parteikonferenz der SED abzuhalten, die dann den Übergang zum Sozialismus
beschließen sollte.
Das erste Ereignis hat im Innenleben der Partei nach meiner Erinnerung
überhaupt keine Rolle gespielt. Dies war eine Sache der Agitatoren und Propa-
gandisten. Die große Idee des großen Stalin wurde auch in innerbetrieblichen
Schulungen und bei sonstigen Gelegenheiten erwähnt.
In der praktischen Arbeit aber stand ganz und gar die Vorbereitung der
2. Parteikonferenz im Vordergrund, und dies war nach der ersten Umwandlung
Mitteldeutschlands/der Sowjetzone hin zur DDR die zweite wirklich große
Veränderung, weil sie der Schritt war, die DDR in ihrer Gesamtstruktur,
Arbeitsweise und inneren Ordnung dem Sowjet-System stalinistischer Prägung
völlig anzugleichen.
Ich habe in dieser Zeit die Sowjetische Kontrollkommission (SKK) – später
wurde daraus die Hohe Kommission; nach 1955 übernahm deren Aufgaben
dann allein die sowjetische Botschaft, aber am Prinzip und an der Arbeitsweise
hat sich nicht geändert –, also die sowjetischen Instanzen als Ausgangspunkt
aller Initiativen für Veränderung und Entwicklung in der DDR erlebt.
Mein Chef, Bruno Leuschner, hatte seinen ständigen Partner in der SKK –
Chomjakov hieß er damals –, Leiter der Wirtschaftsabteilung der SKK.
Alle Initiativen brachte er in die Sitzungen der Staatlichen Plankommission