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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 436 und 437
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Protokoll der 25. Sitzung

Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren: Hierüber – das, was
Hermann Weber vorgetragen hat, und natürlich viel mehr, als ich in dieser
kurzen Zeit vortragen kann – habe ich, haben andere vor dreißig Jahren
geschrieben, und es gibt über das, was wir bis zu diesem Zeitpunkt wußten,
ein umfangreiches Schrifttum, das ich über Jahre – tätig im Gesamtdeutschen
Institut in Bonn – auch noch selber mit begleitet und vertrieben habe, so
daß ich eigentlich mit einem Appell enden möchte, der vielleicht von der
Enquete-Kommission ausgehen könnte: Wir müssen, soviel ich weiß, nicht
alles völlig neu entdecken. Ich hielte es für wichtig, wenn von hier der
Impuls ausginge, eine Menge von diesem Bekannten in erschwinglichen,
preiswerten, vielleicht sogar vom Staat initiierten Sonderschriften unseren
neuen Bundesbürgern zur Kenntnis zu bringen. Denn bei dem herrschenden
Nichtwissen über so viele Details, über die wir ja nicht reden durften – gerade
die Emigranten- und Flüchtlingsliteratur stand ja auf dem Index und gehörte
zu der Literatur, die ihm am härtesten unterworfen war –, könnte man dadurch
noch eine Menge an Informationen erst einmal vorgeben. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, Herr Schenk, auch für
Ihren Hinweis auf den unterschiedlichen Wissensstand Ost /West, was Details
und Interna der SED angeht.

Wir kommen zum dritten Zeitabschnitt, und zwar zu den sechziger und
siebziger Jahren. Wir hören dazu Herrn Professor Seiffert aus Kiel. Danach
haben die Mitglieder der Enquete-Kommission die Möglichkeit, alle drei
Referenten zu befragen.

Bitte, Herr Professor Seiffert!

Prof. Dr. Wolfgang Seiffert: Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Die sechziger und siebziger Jahre, über die ich hier etwas sagen
soll, sind angefüllt mit Ereignissen, die das Schicksal der DDR in sehr
wichtigen Fragen und Entscheidungen betroffen haben, wie der Mauerbau
1961, das „Neue Ökonomische System“ – von etwa 1963 bis 1971 –,
die Annahme der zweiten Verfassung der DDR 1968 und ihre Revision
1974, der Wechsel von Ulbricht zu Honecker 1971, der neue Freundschafts-
und Beistandsvertrag der DDR mit der UdSSR 1975, der Abschluß des
Grundlagenvertrages mit der Bundesrepublik Deutschland 1972, die neue
Krise der DDR 1976 bis etwa 1979/1980.

Ich selbst habe in dieser Zeit zunächst an der Juristischen Fakultät der
Berliner Humboldt-Universität, später als ordentlicher Professor für interna-
tionales Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung und Direktor des Instituts
für ausländisches Recht und Rechtsvergleichung an der Akademie für Staats-
und Rechtswissenschaft der DDR in Potsdam-Babelsberg gearbeitet, war
Vizepräsident der Gesellschaft für Völkerrecht der DDR und habe in der
„Rechtsberatung“ – wie es offiziell hieß, aber vielleicht in besserer deutscher

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Machthierarchie der SED

Übersetzung: in der juristischen Kommission – des Rates für Gegenseitige
Wirtschaftshilfe in Moskau von 1967 bis 1977 gewirkt.

Es ist natürlich nicht möglich, auf alle diese Ereignisse hier einzugehen.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß ich keine staatlichen Funktionen
hatte, sondern aus dieser Tätigkeit im Wissenschaftsbereich der DDR heraus
auf speziellen Gebieten die Dinge etwas subjektiv sehe. Aber als Wissenschaft-
ler insbesondere auf dem Gebiet des Staats-, Völker- und Wirtschaftsrechts
versuche ich natürlich, die Dinge etwas prinzipieller auf den Punkt zu bringen.
Auch deshalb nutze ich die Gelegenheit dazu, weil jetzt ja viel Literatur
erscheint und sich viele mit der vergangenen DDR befassen – da hat Herr
Schenk als mein Vorredner völlig recht –, die vieles nicht gelesen haben, was
darüber alles schon erschienen ist, und man trifft da auf alle möglichen neuen,
längst widerlegten und eigentlich unhaltbaren Thesen über die Entwicklung
und das Schicksal der DDR.

Vielleicht kann ich bei dieser Gelegenheit meiner persönlichen Biographie
noch eines hinzufügen, was in der Öffentlichkeit manchmal völlig falsch
dargestellt worden ist: Ich bin nicht aus der DDR geflohen; ich bin kein
Republikflüchtling gewesen. Ich bin auch nicht bei einer wissenschaftlichen
Veranstaltung in der Bundesrepublik einfach weggeblieben, sondern ich hatte
eine offizielle Einladung zu einer Professur an der Universität Kiel erhalten.
Die habe ich angenommen und habe sie dann – da lernen Sie gleich ein
Beispiel kennen, wie die Hierarchie „SED-Staat“ in der damaligen DDR
funktioniert hat – offiziell dem Rektor der Akademie in Babelsberg vorgelegt;
der hat – als ich daruntergeschrieben hatte: „Ich nehme diese Einladung an.“ –
die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gemeint, das könne er
nicht entscheiden.

Es ist dann auch in diesem Hause entschieden worden – nicht in diesem
Saal, aber eben in diesem Gebäude –, und zwar von drei Personen in einer
gemeinsamen Sitzung: Herr Honecker, Herr Mielke und Herr Mückenberger.
Bei den ersten beiden brauche ich nicht darzustellen, wer das gewesen ist.
Manche werden vielleicht nicht wissen, wer Herr Mückenberger war: das
war der Vorsitzende der SED-Parteikontrollkommission, und da ich der SED
angehörte, lag es sozusagen auf der Hand, daß auch dieser Herr an der
Entscheidung mitwirkte.

Ich will jetzt keinen Roman über diese ganze Sache erzählen – das würde auch
viel zu lange dauern –, aber man hat sich dort darauf geeinigt, es sei besser,
diesen Wissenschaftler aus der DDR herauszulassen, als ihn weiter in der DDR
zu behalten. Denn nachdem er der Universität Kiel schon mitgeteilt hatte,
daß er die Professur annehme, würde das nur einen politischen Eklat geben,
und wenn man ihn hier behielte und nicht reisen ließe, könnte man ihn ohnehin
nicht mehr als Professor herumlaufen lassen, und wahrscheinlich – dieser
Meinung war Honecker damals – würde er ein neues Oppositionszentrum