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Wahlperiode 12, Band II/1, Seiten 494 und 495
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Protokoll der 25. Sitzung

ihrer Verzahntheit, mit ihrer Kompliziertheit. Wenn wir nicht bereit sind, sie
anzunehmen, werden wir auch der Wahrheit immer nur ein viel zu geringes
Stück näherkommen.

Gesprächspartner Karl Wilhelm Fricke: Danke, Dr. Modrow. Es ist
sicherlich so, wie Sie sagen. Es gab auch den Mut von Robert Havemann, das
muß man auch einmal sehen. Den hätte man sich natürlich, wie ich meine,
auch in der SED gewünscht. (Beifall)

Ich darf nunmehr die Führung der Diskussion an Rainer Eppelmann zurück-
geben.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Bisher 15 Mitglieder der Enquete-
Kommission möchten Fragen an die Zeitzeugen stellen. Wie abgesprochen,
gebe ich Herrn Fricke und Herrn Schwarz die Möglichkeit, jederzeit mit
einzusteigen. Der erste: Markus Meckel.

Abg. Meckel (SPD): Ich habe mehrere, aber sehr kurze Fragen in bezug auf
Aussagen von Herrn Uschner, der sagte: Außenpolitische Fragen, das heißt,
was in Ungarn oder in der Sowjetunion innenpolitisch passierte, wurden bei
uns nicht diskutiert. Ich habe die Frage an Herrn Schirdewan: Wie wurden die
Ereignisse 1956 in Ungarn im Politbüro reflektiert?

Die zweite Frage betrifft die Kommunikation nach Moskau. Herr Modrow hat
jetzt schon einiges dazu gesagt. Wie lief für das Politbüro, das heißt für die
wirklichen Entscheidungsträger, die Kommunikation nach Moskau? Über die
Botschaft, über Direktkontakte? Wer waren hier die Kommunikationsträger?

Dritte Frage: Wie war die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Ministerien?
Herr Uschner sagte in bezug auf das Außenministerium: Wir bekamen das
Material „Zur Lage“, machten daraus eine Vorlage, und dann ging sie mit
den entsprechenden Anweisungen zurück. War das der übliche Weg bei allen
Ministerien, oder gab es da Unterschiede?

Letzte Frage: Herr Schürer, ich hörte als Nebenbemerkung: Aus der Sowjet-
union bekamen wir den Rohstoff, machten hier die Industriewaren, und die
gingen zu einem großen Teil dorthin zurück. Wie waren die Einflüsse in bezug
auf die Entscheidungsstrukturen der Industrieproduktion aus Moskau in den
letzten 20 Jahren?

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Danke schön. Als erstes bitte die Antwort
von Herrn Uschner und dann drei Antworten von Herrn Schirdewan.

Dr. Manfred Uschner: Die Praxis in der Außenpolitischen Kommission
war nicht typisch. Es war aber so, daß dieser Riesenapparat, dem Sie, Herr
Meckel, auch einmal eine Zeitlang vorstehen durften, natürlich eine Fülle
von Länder- und Sektoreninformationen brachte und daß nach Arbeitsplan
alle Länderbereiche einmal durchgegangen wurden, möglichst jene, die den
heiklen Problemen der Situation in der Sowjetunion nicht nahekamen. Das
hat man der Abteilung Internationale Verbindungen überlassen, die sich

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Machthierarchie der SED

dann in Abstimmung mit der Grundsatzabteilung des Außenministeriums
auf einem Mittelweg bewegte. Wir haben auch vor jedem Parteitag eine
gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem Außenministerium gehabt und – das kann
ich wirklich beschwören – im kleinen Kreis Analysen gemacht, die auch in
der westlichen Welt Bestand gehabt hätten. Sie fanden sich nur nicht wieder,
nachdem wir sie abgegeben hatten, nachdem sie von Axen begrüßt wurden,
sondern es kamen dann die zehn Punkte der Strategie von Mittag, der Einheit
von Wirtschafts- und Sozialpolitik, wir blieben weg, und es wurde weiter
gewurstelt. In unserem Gremium waren das MfS, die militärische Abwehr,
alle internationalen Bereiche dieses Landes vertreten.

Ich habe vielleicht die Frage vorhin nicht genau beantwortet: Es gab über die
Nomenklatur natürlich eine systematische Kontrolle in allen Bereichen. Es
gab die Politbüronomenklatur, da mußte einmal im Jahr berichtet werden, wie
sich der Betreffende verhält, ob Minister oder ZK-Mitglied; es gab die Sekre-
tariatsnomenklatur usw. Und das betraf auch das Feld der Außenpolitik.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Danke. Herr Schirdewan, bitte.

Karl Schirdewan: Die Ereignisse in Ungarn haben natürlich eine äußerst
beunruhigende Situation bei uns herbeigeführt, daran besteht kein Zweifel. Das
erste war, daß man zunächst bei uns unterscheiden mußte in der Einschätzung
der ungarischen Situation, daß es eine Differenz gab zwischen Ulbricht und
mir und einigen wenigen Politbüromitgliedern, weil Ulbricht, natürlich zutiefst
erschrocken, jedes Jahr wieder an den 17. Juni dachte und voller Ängste war,
daß das Ganze sich weiterentwickeln würde. Wir waren der Meinung, daß das
nicht der Fall sein wird, sondern daß nach dem 17. Juni 1953 eine tiefe
Erfahrung in dem Volk der DDR war, daß so etwas zu nichts führen kann. Ich
nenne nur den Ausnahmezustand, der in der DDR eine Zeitlang existiert hat.
Das ist eine wesentliche Frage gewesen.

Ich war etwa drei Wochen vorher mit einer Delegation zum Freundschafts-
besuch in Ungarn, es ging um dringende Wirtschaftsprobleme. Wir flogen
morgens hin und am Abend zurück. Kádár war damals schon da. Das Wich-
tigste war, daß Kádár zunächst bemüht war, eine Änderung der Politik von
Rakosi herbeizuführen, was mich veranlaßte, im Jahre 1956 in der Ausein-
andersetzung mit Ulbricht zu sagen: „Ich möchte nicht, daß er den Weg von
Rakosi geht.“

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Die letzte Frage ging an Herrn Schürer.

Dr. Gerhard Schürer: Der Warenumsatz zwischen der DDR und der UdSSR
war mindestens fünfmal so groß wie der zwischen der DDR und der BRD. Der
Kunde bestimmt die Produktionsstruktur, der Kunde bestimmt die Grundlinien
seiner Abnahmebereitschaft für die Güter, die er im Austausch für Rohstoffe
bezieht. Wir waren daran interessiert, möglichst hochveredelte Produkte zu
liefern, um das Material, das kontingentiert war und über lange Entfernungen
herangeschafft werden mußte, als Export veredelt zurückzuschicken. Wir