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Wahlperiode 12, Band II/4, Seiten 2994 und 2995
 

Alexander Fischer

Zwölf Thesen zur Geschichte der SBZ/DDR

 

Jede Erörterung kommunistischer bzw. stalinistischer Politik in Deutschland –
und die Geschichte der SBZ/DDR zwischen 1945 und 1991 gehört zu den in-
zwischen bilanzwürdigen Ergebnissen dieser Politik – hat eine unumstößliche
Prämisse zu beachten: Es ist erst die von deutscher Seite in entscheidendem
Maße zu verantwortende Auslösung des Zweiten Weltkrieges gewesen, die
im Verlaufe einer kollektiven Kraftanstrengung der internationalen Staaten-
gemeinschaft, namentlich der sog. Anti-Hitler-Koalition, die Voraussetzungen
dafür schuf, daß ein anderer Hegemonialanspruch – der des bolschewisti-
schen Rußland bzw. Stalins – in Deutschland derart virulent werden konnte,
daß heute daran gegangen werden muß, die Geschichte der daraus entstande-
nen SED-Diktatur und ihrer Folgen aufzuarbeiten.

 

I.

Der in der Vorbemerkung genannte Faktor „Sowjetunion“ spielt im Zusam-
menhang von Entstehen und Entwicklung sowie nicht zuletzt für das Ende
der Deutsche Demokratischen Republik (DDR) eine ausschlaggebende Rolle,
jedoch ist zuvörderst festzuhalten: Die Errichtung einer deutschen demokrati-
schen Republik ist eine deutsche Idee. Der 1949 geschaffene Staat DDR geht
in wesentlichen Merkmalen auf Vorstellungen und Prinzipien der KPD aus den
30er Jahren zurück. Nachdem im Jahre 1935 mit dem VII. Weltkongreß der
Kommunistischen Internationale die bis dahin gültige ultralinke Parteilinie
der deutschen Kommunisten aufgegeben worden war, ließen taktische Über-
legungen im Rahmen der eingeschlagenen Volks- und Einheitsfrontpolitik
die Forderung nach einer großen Sowjetrepublik als unzeitgemäß erscheinen.
Ohne das große Ziel eines „Sowjet-Deutschland“ gänzlich aus den Augen
zu verlieren, machten Äußerungen führender Funktionäre der KPD seinerzeit
deutlich, daß die KPD in der zweiten Hälfte der 30er Jahre für ein Deutschland
nach Hitler eine „demokratische Volksrepublik“ (oder „Volksrepublik Deutsch-
land“) favorisierte.

2995
Thesen zur Geschichte der SBZ/DDR

II.

In seiner inhaltlichen Ausgestaltung sollte sich diese „demokratische Volks-
republik“ von der Weimarer Republik deutlich unterscheiden. Dem Weimarer
Staat – dessen entscheidendes Manko es nach einem Kommentar Anton
Ackermanns war, nicht als „ein fortschrittlich revolutionäres Staatswesen“
entstanden zu sein – wurde vorgeworfen, insbesondere die Zerschlagung
des „reaktionären Staatsapparates“ und die Vernichtung „der schlimmsten
Reaktion der Monarchisten, Generäle, Junker und Großkapitalisten“ versäumt
zu haben. Demzufolge verordnete eine Ausarbeitung der KPD vom Juni 1936
einem neuen deutschen Staat nach Hitler die Auflage, sich vor allem um die –
im kommunistischen Verständnis – „feudalen Überreste“ und „kapitalistischen
Säulen“ der deutschen Gesellschaft zu kümmern: Für den agrarischen Bereich
wurde eine Bodenreform angekündigt, und auch im industriellen Sektor wur-
den schwerwiegende Eingriffe in Aussicht gestellt. Darüber hinaus war die
Rede davon, den Staatsapparat, aber auch Heer und Marine sowie alle öffent-
lichen Ämter von „volksfeindlichen, faschistischen Elementen“ zu säubern.
Bezieht man die bis zur sog. Berner Konferenz der KPD von 1939 gemachten
Aussagen der deutschen Kommunisten über ein Volksfrontdeutschland mit ein,
dann wurden mit diesem Staat u. a. die folgenden – auch für die spätere DDR
relevanten – Merkmale verbunden:

  • eine besondere außenpolitische Bindung an die Sowjetunion,
  • drastische Veränderungen in den Eigentumsverhältnissen (u. a. Enteignung
    „des faschistischen Trustkapitals“ und Durchführung einer „demokratischen
    Bodenreform“),
  • die Schaffung eines verläßlichen Beamten- und Polizeiapparates sowie
    einer zuverlässigen Armee („Volksarmee“),
  • die Schaffung der „einigen Arbeiterklasse“,
  • das Fernhalten sog. bürgerlicher Kräfte von den Schaltstellen der politi-
    schen Macht („die einige Arbeiterklasse . . . wird das Schicksal des Landes
    bestimmen“)
    und nicht zuletzt
  • die Fortsetzung des Kampfes „um den Sozialismus“ („die Mehrheit des
    Volkes für das sozialistische Ziel“ gewinnen).

III.

Die Vorstellung von einer solchen deutschen demokratischen Republik ist
offenbar auch in dem Moment präsent gewesen, als deutsche Truppen in
den frühen Morgenstunden des 22. Juni 1941 in die Sowjetunion einfielen.