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Wahlperiode 12, Band IV, Seiten 68 und 69
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Protokoll der 39. Sitzung

befassen, um unser Wissen, unsere Kenntnisse hierüber erweitern zu können.

Ich freue mich, daß ich Sie zu unserer öffentlichen Anhörung, der zweiten zum
Themenfeld Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat, begrüßen kann. In unserer
Anhörung vor zwei Wochen haben wir zu der Frage, wie sich die Umwandlung
der Justiz in der SBZ und in der Frühzeit der DDR vollzogen hat, ein ganzes
Stück hinzugelernt. Heute wollen wir weitergehen und Fragen dazu stellen,
wie es um die Rechtswissenschaft gestanden hat, nachdem eine gewisse Phase
der Etablierung des Systems abgelaufen war. Es soll zur Sprache kommen,
wie das Verhältnis von Rechtswissenschaft und SED im Ausgang der 50er
Jahre zueinander war.

Anknüpfungspunkt hierfür ist die sogenannte Babelsberger Konferenz. Was
lief ab während dieser Zusammenkunft, die auf Betreiben der Parteiführung
am 2. und 3. April 1958 in der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften
stattgefunden hat? Für den Lehr- und Universitätsbetrieb muß diese Konfe-
renz erhebliche Auswirkungen gehabt haben. Ich zitiere aus einer internen
Information der SED-Kreisleitung Jena-Stadt aus der Zeit Ende 1961, Anfang
1962. Zitat: „Im September 1961 wurde der als Oberassistent und Lehrbe-
auftragter am Institut für Strafrecht der juristischen Fakultät der Uni Jena
tätige Harry Patzer inhaftiert und vom Bezirksgericht Jena mit zwei Jahren
Zuchthaus abgeurteilt“. Zur Begründung führte das Gericht u. a. aus:“ P. nutzte
seine Vertrauensstellung am Institut aus, um unter Studenten der juristischen
Fakultät und den Assistenten des Strafrechtsinstituts gegen unseren Staat zu
wühlen, indem er die Grundlagen der Rechtsordnung der DDR angriff. Seine
Vorlesung las er nach seinen eigenen Vorstellungen und benutzte dazu nicht
die Skripten, die nach der Babelsberger Konferenz erarbeitet worden sind“.
Soweit das Zitat.

Unsere Neugierde ist also, so hoffe ich zumindest, geweckt, über diesen
Abschnitt der DDR-Geschichte mehr zu erfahren. Auch heute haben wir
wieder eine Reihe von Experten und Zeitzeugen eingeladen, die zu uns
sprechen möchten und uns ein weiteres Stück beim Erinnern behilflich sein
werden. Ich danke Ihnen nochmals für Ihr Kommen, wir alle danken Ihnen
für Ihr Kommen, dieses umso mehr, als Sie so viel Geduld mit uns haben
mußten. Nun bitte ich unser Kommissionsmitglied, Herrn Prof. Dr. Schroeder,
die Reihe der Vorträge zu eröffnen und uns in die Thematik der Babelsberger
Konferenz einzuführen.

Sv. Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder: Meine sehr geehrten Da-
men und Herren. Wie schon gesagt, ist dies die zweite Veranstaltung des
Themenfeldes Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat. Wir hatten auf der
ersten Veranstaltung, bedingt durch Terminschwierigkeiten von Herrn Prof.
Alexy, bereits ein Referat gehört über den Vortrag, den Walter Ulbricht
auf der Babelsberger Konferenz über den Rechtsbegriff gehalten hat. Ich

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Die Babelsberger Konferenz

glaube, daß diese durch äußere Umstände erzwungene Terminierung ein
ausgesprochener Glücksfall für unsere Kommission gewesen ist. Nicht nur
hat uns Herr Prof. Alexy mit seinem Vortrag und vor allen Dingen seinen
Ausführungen in der anschließenden Fragerunde einen guten Eindruck über die
damalige Problematik und die religiösen und pseudoreligiösen Hintergründe
dieser Rechtsauffassung vermittelt. Er hat damit auch schon zu dem heutigen
Thema übergeleitet.

Da wir einen Einführungsvortrag von Herrn Prof. Eckert aus Potsdam hören
werden, möchte ich mir weitere Vorgriffe auf das Thema ersparen. Der
Vorsitzende hat schon auf den einschneidenden Charakter dieser Babelsberger
Konferenz hingewiesen. Die Babelsberger Konferenz wurde in der Rechtshi-
storiographie der DDR als ein einschneidendes Ereignis angesehen. Sowohl
von den Herrschenden als auch von den damaligen Opfern. Aber ist es
vielleicht so, daß die Herrschenden und die Opfer damals doch nur um gewisse
Nuancen einer letztlich gemeinsamen Auffassung rangen? Aus diesem Grunde
wohl hat Herr Eckert seinem Vortrag den Untertitel gegeben „Die Babelsberger
Konferenz – Legenden und Fakten“.

Wir werden anschließend Statements von zwei der auf dieser Konferenz
Angegriffenen hören, nämlich der Herren Professoren Klenner und Mollnau
und anschließend wird das Mitglied unserer Kommission, Herr Prof. Dr. Soell,
einen Vortrag halten über die politischen Rahmenbedingungen der Babelsber-
ger Konferenz. Es wird dann anschließend eine Fragerunde beginnen, bei der
auch vermutlich ein weiterer auf dieser Konferenz Angegriffener sich noch
zu Wort melden wird. Darf ich Sie, Herr Professor Eckert bitten, hier zu uns
nach vorne zu kommen.

Prof. Dr. Jörn Eckert: Meine Damen und Herren. Ich nehme die Gelegenheit
gerne wahr, zur Babelsberger Konferenz zu Ihnen zu sprechen, die in der Tat
von vielen Rechtswissenschaftlern der untergegangenen DDR als das zentrale
Ereignis in der Rechtswissenschaftsentwicklung des SED-Staates betrachtet
wird und auch in der veröffentlichten Meinung der DDR-Rechtswissenschaft
eine bedeutende Rolle spielte. Jedenfalls wenn man sich die einschlägigen
Publikationen zur Rechts- und Staatsgeschichte der DDR in den 80er Jahren
anschaut. Seit dem Fall der Mauer ist die Babelsberger Konferenz insbesondere
bei den Rechtswissenschaftlern aus der ehemaligen DDR in aller Munde.
Täter, Opfer, Zeugen der Babelsberger Konferenz meldeten sich zu Wort und
legten sich – jeder für sich oder gemeinsam mit Freunden – ihre Deutung
der Konferenz zurecht. Das Spektrum reichte vom ersten Erschließen von
Archivmaterialien über „voreingenommene Betrachtungen“ Betroffener bis
hin zur Distanzierung von eigenen Äußerungen auf der Konferenz. Dabei ist
der traumatische Gehalt der Babelsberger Konferenz ebensowenig übersehbar
wie das Bemühen, dieses Schlüsselerlebnis in der gegenwärtigen Diskussion
über das Scheitern des sozialistischen Staates DDR und des Sozialismus