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Wahlperiode 12, Band IV, Seiten 118 und 119
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Protokoll der 40. Sitzung

„Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat“ in diesem wunderschönen Sitzungs-
saal des Oberlandesgerichts Rostock begrüßen. Ich hoffe, daß wir uns hier alle
wohlfühlen und immer der Würde dieses Hauses entsprechend miteinander
umgehen.

Es ist eines der Hauptanliegen der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von
Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Anhörungen dort
durchzuführen, wo die Geschichte, deren Aufarbeitung wir uns vorgenommen
haben, auch stattgefunden hat. Deshalb sind wir froh, daß wir nach unseren
Besuchen in Leipzig, in Halle und in Berlin nun ganz oben im Norden bei
Ihnen zu Gast sein dürfen. Stadtluft macht bekanntlich frei – gerade in einer
Hansestadt –, und die frische Seeluft soll – so habe ich mir sagen lassen – dem
Nachdenken und aufmerksamen Zuhören sehr förderlich sein. Somit finden wir
hier beste äußere Bedingungen für ein Gelingen unserer Anhörung.

Daß wir bei der Behandlung zweier so wichtiger juristischer Themenkreise wie
der Justizlenkung und der Ausreiseproblematik in einem Gericht tagen können,
ist – so finde ich – zusätzlich Anlaß zur Freude. Ich möchte deshalb Ihnen,
Herr Hausmanns, Präsident des Oberlandesgerichts Rostock danken, daß Sie
die massiven Eichentüren dieses herrlichen Saales mit großer Gastfreundschaft
für uns so weit geöffnet haben.

Das Ständehaus, dessen Einweihung sich am 2. Oktober 1993 – also fast am
Tag der Deutschen Einheit – zum hundertsten Male jährt, hat bereits eine
bewegte Vergangenheit hinter sich. Ursprünglich im Auftrage der mecklenbur-
gischen Ritterschaft als Verwaltungs- und Gerichtssitz der Landstände erbaut,
wurde es zu Zeiten der DDR von der NVA genutzt. Davon habe ich als
Minister für Abrüstung und Verteidigung leider nichts gewußt, sonst wäre ich
sicherlich schon einmal hierhergekommen.

Beginnen möchten wir unsere Doppelveranstaltung heute mit dem Problem-
kreis

Die Lenkung der Justiz in der DDR.

Wir haben dazu eine Reihe von Wissenschaftlern und Praktikern eingeladen.
So werden wir zum einen über die theoretischen Grundlagen ins Bild gesetzt,
zum anderen sind wir auch besonders gespannt darauf, von damals in der DDR
praktizierenden Juristen zu erfahren, was es eigentlich genau mit dem Begriff
der „Lenkung“ ihrer beruflichen Tätigkeit auf sich hatte. Welche Spielräume
hatte zum Beispiel ein Rechtsanwalt, wenn er engagiert die Interessen seines
Mandanten wahrnehmen wollte? Wie kam er mit dem Spannungsfeld zurecht,
wenn ihm Parteilichkeit bei der Rechtsanwendung vorgegeben wurde?

Aufarbeitung unserer Geschichte bedeutet immer wieder auch ein Sich-
Erinnern an Zeitabläufe, die, obwohl noch nicht einmal vier Jahre zurück-
liegend, für viele bereits irreal weit entfernt zu sein scheinen.

Anhörungen wie diese sollen auch dazu dienen, transparenter zu machen, was

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Lenkung der Justiz

das Wesen des Rechtsstaates ausmacht, nämlich die Bindung aller Staatsgewalt
an Recht und Gesetz. Mit diesem Ziel möchte die Enquete-Kommission ihren
Beitrag zum Zusammenwachsen in Deutschland leisten.

Nun möchte ich den Herrn Justizminister des Landes Mecklenburg-Vor-
pommern, Herrn Herbert Helmrich, vielen unter unseren Kollegen auch
noch bestens bekannt als ehemaliger Vorsitzender des Rechtsausschusses des
Deutschen Bundestages, sehr herzlich unter uns begrüßen und ihn darum
bitten, ein Grußwort an uns zu richten. Bitte, Herr Minister!

Herbert Helmrich, Justizminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern:

Herr Vorsitzender Eppelmann, liebe – das kann ich mir noch nicht abgewöh-
nen; so lange bin ich aus dem Bundestag ja noch nicht heraus – Kolleginnen
und Kollegen aus dem Bundestag! Meine sehr geehrten Damen und Herren
Sachverständigen! Meine Damen und Herren! „Lenkung der Justiz in der
DDR“ – hierzu kann, da die Sachverständigenanhörung vor Ihnen liegt, von
mir kein Sachbeitrag erwartet werden. Ich kann Sie zunächst nur recht herzlich
hier in Rostock begrüßen. Ich freue mich, daß die Enquete-Kommission zur
Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur diese Aufarbeitung
der Vergangenheit nicht nur in Bonn vornimmt, sondern sich auch in die neuen
Länder begibt. Dafür sind wir Ihnen dankbar.

Die Anwesenheit so vieler Menschen in diesem schönen Saal heute zeigt, auf
welch großes Interesse diese Arbeit stößt.

Da Sie sich gerade für Ihre Arbeit hier in Rostock das Thema „Lenkung der
Justiz in der DDR“ ausgesucht haben, darf ich nur daran erinnern – wir bauen
ja hier von der Justiz aus die Justiz wieder neu auf –, daß es in Artikel 96 der
Verfassung der DDR hieß:

Die Richter, Schöffen und Mitglieder der gesellschaftlichen Gerichte sind in
ihrer Rechtsprechung unabhängig. Sie sind nur an die Verfassung, Gesetze
und andere Rechtsvorschriften gebunden.

Obwohl dies in der Verfassung stand, hat die DDR im Grunde genommen
nie ein Hehl daraus gemacht, daß sie sich daran nicht halten will. Schon im
Gerichtsverfassungsgesetz hieß es dann:

Die Rechtsprechung und die damit verbundene Tätigkeit der Gerichte haben
zur Lösung der Aufgabe der sozialistischen Staatsmacht bei der entwickelten
sozialistischen Gesellschaft beizutragen.

Und der frühere DDR-Justizminister Wünsche führte im Jahre 1970 in aller
Deutlichkeit aus:

„Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, daß die Unabhängigkeit der
Rechtsprechung im Sinne der bürgerlichen Theorie der Gewaltenteilung dem
Sozialismus und dem in ihm erstmalig verwirklichten Prinzip umfassender
Volkssouverränität wesensfremd ist und daß die sozialistische Rechtsprechung