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Wahlperiode 12, Band V/1, Seiten 264 und 265
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Protokoll der 48. Sitzung

helfen. Der Beginn dieser Politik in Berlin nach dem Bau der Mauer war
mühsam. Nach ihrer Übertragung auf die Bundespolitik stieß sie zeitweilig auf
heftigen Widerstand der damaligen Opposition, wurde dann aber nach 1982
auch von Helmut Kohl und der christlich-demokratisch-liberalen Regierung
fortgesetzt.

Insgesamt kann keine Frage sein, daß diese Politik des „Wandels durch Annä-
herung“, wie auch Timothy Garton Ashs Buch eindrucksvoll zeigt, im Kontext
veränderter internationaler Rahmenbedingungen überaus erfolgreich war und
die Transformation des Ostens, die die Voraussetzung der Wiedervereinigung
war, ermöglicht hat.

Resümierend möchte ich folgendes zur Deutschlandpolitik der Ära Adenauer
feststellen:

  1. Die Erklärung des vollzogenen historischen Prozesses führt Historiker
    wie Zeitgenossen nicht selten dazu, die Entwicklung auf die erfolgreiche Linie
    zu verengen. Dadurch, daß man eben die erfolgreiche Linie erklären muß,
    wird sie sozusagen als die einzig mögliche Linie betrachtet. Die Frage der
    Alternativen ist jedoch vor dem jeweils vorhandenen offenen Horizont der
    Möglichkeiten mit zu sehen, wobei die Handlungsspielräume, die realen,
    d.h. die von heute her sichtbaren, und die vermeintlichen, d.h. für die
    damals Handelnden erkennbaren, zu unterscheiden sind. Es ist deshalb
    längst an der Zeit, auch Adenauers Gegnern Gerechtigkeit widerfahren zu
    lassen.
  2. Es ist schwerlich möglich, Adenauer sowohl als Vertreter der Überwindung
    des Nationalstaatsgedankens als auch als konsequenten Verfechter der
    Wiedervereinigungsidee zu bezeichnen. Adenauers Leistung ist die West-
    integrationspolitik. Seine Wiedervereinigungspolitik ist demgegenüber,
    gemessen an ihren Ansprüchen, gescheitert, jedenfalls wenn man die
    proklamierten Ziele ernstnimmt. Für Adenauers Politik gab es gute Gründe,
    insbesondere wenn man sich die Bewältigung des Erbes der NS-Zeit
    vergegenwärtigt. Doch sind ihre Schattenseiten nicht zu übersehen, um
    nocheinmal Christian Hacke zu zitieren: „Den Preis der Teilung zahlten
    die 18 Millionen Menschen in der DDR.“
  3. Es heißt die Komplexität historischer Prozesse grotesk zu unterschätzen,
    einen geradlinigen Weg von Adenauers Politik und Strategie der 50er Jahre
    zur deutschen Vereinigung 1989/90 anzunehmen. Mit gleichem, vielleicht
    sogar größerem Recht kann man die Vereinigung als Folge der neuen
    Ostpolitik bezeichnen.

Stellv. Vorsitzende Margot von Renesse: Dreimal Dank an Dr. Faulenbach,
einmal, daß er kurzfristig eingesprungen ist für den verhinderten Prof.
Niethammer; zweitens, daß er sich weitgehend an die Zeit gehalten hat; und
drittens, daß er uns bereits in eine hoch spannende Diskussion geführt hat, die
den Geräuschpegel hier hob, obgleich das nichts mit weniger Aufmerksamkeit

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Deutschlandpolitik 1949–60er Jahre

für seine Worte zu tun hatte. Aber die Diskussion steht noch bevor. Wir haben
uns dem Thema noch auf andere Weise anzunähern, und dafür wird uns Herr
Dr. Foschepoth zunächst noch zur Verfügung stehen. Vielen Dank. Herr Dr.
Foschepoth, Sie haben das Wort.

Dr. Josef Foschepoth: Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Ich bin
gerade noch einmal eindringlich gebeten worden, mich an die Zeit zu halten.
Ich will es tun. Deshalb muß ich ein bißchen pointiert formulieren. Das ist
sicherlich auch für die Diskussion hinterher sehr belebend.

Ich bin ja nun nicht bekannt als politischer Denkmalschützer Konrad Ade-
nauers und als solcher bin ich ja auch hier nicht eingeladen worden. Deshalb
können Sie jetzt sicherlich eine etwas andere Perspektive von mir erwarten.
Wir haben in den letzten Jahren häufig eine sehr populäre These gehört in der
Bundesrepublik, die lautete: „Was Adenauer wollte, hat Kohl verwirklicht.“
Herr Kollege Faulenbach ist eben ja auch schon kurz darauf eingegangen. Es
geht im Grunde darum, eine Kontinuität herzustellen, die natürlich nicht ihres
politischen Hintergrundes entbehrt. Nicht nur Kohl, sondern natürlich auch
Adenauer gewinnen auf diese Weise noch an Größe, wenn etwa Rudolf Morsey
schreibt: „Es dürfte wenige Staatsmänner, und nicht nur solche vergleichbarer
geschlagener Nationen und Völker geben, deren konkrete Visionen noch
innerhalb einer Generationsspanne politische Wirklichkeit geworden sind.“
Vergleichbare Äußerungen gibt es von Hans-Peter Schwarz, der im Nachwort
seiner Biographie betont hat, daß das politische Kalkül Konrad Adenauers von
1952 1989 aufgegangen sei. Klaus Gotto, um einen Dritten zu zitieren, titelt
etwa „Realist und Visionär“.

Die Attribute sind also sehr schnell gefunden, um den ersten Kanzler der
Bundesrepublik Deutschland doch ein bißchen zu sehr zu überhöhen, so
daß die Intention klar wird, ihn jeglicher Kritik, insbesondere was die
Haltung in der Deutschlandfrage anbetrifft, von vorneherein zu entheben.
Ich möchte einer solchen Tendenz deutlich widersprechen und möchte
fragen: Welche Rolle hat die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands
tatsächlich in der Politik Adenauers gespielt? War sie ein operatives Ziel
oder lediglich deklamatorisches Beiwerk seiner Politik? Wurden mögliche
Handlungsspielräume genutzt, um dem „sehnlichsten Wunsch aller Deutschen“
ein Stück näher zu kommen? Hätten, auch diese Frage müssen wir uns ja heute
um so eindringlicher stellen, hätten möglicherweise 40 Jahre deutscher Teilung
vermieden oder zumindest verkürzt werden können, wenn in den 50er Jahren
eine andere Politik betrieben worden wäre? Was waren also die Intentionen
und Ziele, die Voraussetzungen und Realisierungsmöglichkeiten, die Erfolge
und die Kosten der Adenauerschen Politik in Sachen Wiedervereinigung
Deutschlands?

Ich sehe auch wie Herr Möller, daß Adenauer ein sehr dichotomisches
Weltbild gehabt hat, eine Perzeption der weltpolitischen Lage nach dem