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Wahlperiode 12, Band V/1, Seiten 326 und 327
326
Protokoll der 48. Sitzung

Anlage

Prof. Dr. Horst Möller
Schwerpunkte der Politik Konrad Adenauers in bezug auf die
Deutschlandpolitik und die Westintegration, 1949–1963


Manuskriptfassung

In diesem Vortrag kann es sich nicht darum handeln, möglichst viele einzelne
Fakten der Politik Adenauers zu präsentieren, vielmehr geht es mir darum, die
Grundlinien in ihren historischen Zusammenhängen zu beschreiben.

 

I

Zwei Faktoren, die Aufteilung Deutschlands und der weltpolitische Gegensatz
zwischen den USA und ihren Alliierten auf der einen und der Sowjetunion
und ihren Satelliten auf der anderen Seite, wurden zu Determinanten jeglicher
Deutschlandpolitik nach 1945. Die Möglichkeiten für eine deutsche Beteili-
gung resultierten aus der Entwicklung des Dualismus von West und Ost seit
Kriegsende, setzten aber die Teilung Deutschlands faktisch voraus, da sie als
einzige Gemeinsamkeit der ehemaligen Anti-Hitler-Koalition übrigblieb: In
den Überlegungen der Westalliierten und der Sowjetunion galt die deutsche
Teilung als Unterpfand für die Sicherheit vor einem soeben besiegten aggres-
siven deutschen Nationalismus.

Ein wesentliches mentales Element trat hinzu: Ganz anders als nach dem
Ersten Weltkrieg näherten sich die Wünsche der Westdeutschen ziemlich bald
den politischen Wertvorstellungen der westlichen Welt an. Und in diesem
Sinne bilden die Deutschlandpolitik und die Westintegration der Bundes-
republik einen außerordentlich vielschichtigen Prozeß, an dem eine Fülle
politischer, ökonomischer, gesellschaftlicher und psychologischer Faktoren
beteiligt waren.

Innerhalb dieser Rahmenbedingungen gestaltete Konrad Adenaer seine
Deutschlandpolitik und trieb die Westintegration der Bundesrepublik in den
vierzehn Jahren seiner Kanzlerschaft voran.

Hatte es zwischen 1945 und 1949 weder einen außenpolitischen Spielraum
noch überhaupt eine Institution oder ein Verfassungsorgan gegeben, das legi-
timiert gewesen wäre, eine außenpolitische Linie auch nur zu formulieren, so
veränderte sich die staatsrechtliche und völkerrechtliche Ausgangslage mit der
im Herbst 1949 erfolgten Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Erst jetzt
konnte von Außenpolitik im engeren Sinne, soweit sie über theoretische Kon-
zeptionen hinausging, die Rede sein. Allerdings hatte schon das Jahr 1948 die

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Deutschlandpolitik 1949–60er Jahre

Ausgangsposition für die Politik der künftigen Bundesrepublik konkretisiert:
Die Währungsreform in den drei Westzonen am 21. Juni 1948, die Berliner
Blockade vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949, die Überreichung der Frankfur-
ter Dokumente durch die Militärgouverneuere der USA, Großbritanniens und
Frankreichs an die elf deutschen Ministerpräsidenten am 1. Juni 1948, der
Beginn der Verfassungsberatungen im Herrenchiemseer Verfassungskonvent
bzw. im Parlamentarischen Rat seit August bzw. September 1948 markie-
ren neben anderen Ereignissen die Gründungsphase der Bundesrepublik, die
allesamt eine verstärkte Westorientierung der drei Westzonen beinhalten.

Konrad Adenauer beschrieb in seiner ersten Regierungserklärung vom
20. September 1949 diesen Bedingungszusammenhang, von dem seine Außen-
und Deutschlandpolitik ausgehen mußte. Vor dem Deutschen Bundestag führte
er unter anderem aus: „Der einzige Weg zur Freiheit ist der, daß wir im
Einvernehmen mit der Hohen Alliierten Kommission unsere Freiheiten und
unsere Zuständigkeiten Stück für Stück zu erweitern versuchen ... es besteht
für uns kein Zweifel, daß wir nach unserer Herkunft und nach unserer
Gesinnung zur westeuropäischen Welt gehören.“ Und in bezug auf die Teilung
Deutschlands konstatierte der erste Bundeskanzler damals: „Diese Teilung...
ist durch Spannungen herbeigeführt worden, die zwischen den Siegermächten
entstanden sind. Auch diese Spannungen werden vorübergehen. Wir hoffen,
daß dann der Wiedervereinigung ... nichts mehr im Wege steht.“

Es ist ausgeschlossen, in der vorgegebenen Kürze das komplexe Geflecht
der Außen und Deutschlandpolitik Adenauers zu entwirren. Ich beschränke
mich daher auf wenige Grundlinien und Entscheidungspunkte, ohne eine
chronologische Nachzeichnung der Stationen zu versuchen.

Adenauers Außenpolitik ist durch Kontinuität in den Grundlinien und durch
Flexibilität in den Einzelfragen gekennzeichnet. Rückschläge in außenpoliti-
schen Gestaltungsfragen, beispielsweise das Scheitern der EVG 1954, führten
nicht zur Änderung des außenpolitischen Kurses, weil situationsbedingt Al-
ternativen zur EVG innerhalb des Gesamtrahmens seiner Politik realisierbar
waren. Nach 1945 prägte die Berufung auf die kulturelle Tradition des
Abendlandes Adenauers Koordinatensysteme für eine künftige Gestaltung
noch erheblich stärker als nach 1918. Der kulturelle, militärische und politische
Gegenspieler zu Europa hieß nun Asien: Die Sowjetunion zählte Adenauer
kaum zu Europa, Europa war für ihn das christliche Abendland. Aus der
Perspektive der Entwicklung der späten 1980er und 90er Jahre mag dies
befremden: letztlich Europa ohne Osteuropa, das nach dem Zweiten Weltkrieg
unter sowjetische Hegemonie geriet.

Adenauers Option für ein liberaldemokratisches Verfassungssystem westlichen
Typs unterlag angesichts dieser bereits 1947 in einem Brief an Paul Silverberg
benannten Frontstellungen, die dann den „Kalten Krieg“ zwischen West und
Ost prägen sollten, keinem Zweifel: Eine wie immer geartete Neutralität