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Wahlperiode 12, Band VII/1, Seiten 50 und 51
50
Protokoll der 67. Sitzung

Besatzungsmacht 1948 zum Tode verurteilt und dann zu 25 Jahren „begnadigt“
wurde. Warum? Er war ein Mensch, der die kommunistischen Ideale als richtig
ansah und entsetzt war, was da in Wirklichkeit herausgekommen ist.

Das hat natürlich auch für die schon erwähnte Janka-Harich-Gruppe gegolten.
Das heißt also, die Breite dieser Oppositionswelle gerade in dieser Frühphase
zeigt, wie schwierig es auch für Ulbricht und seine Leute war, diese völlige
Übertragung des Stalinschen Systems durchzusetzen – nicht nur gegen den
Widerstand breiter Kreise, die hier Freiheitsideen aufrechterhielten, sondern
bis in die eigenen Reihen hinein. Ich glaube, das hängt auch damit zusammen,
daß in der Jugend selber gerade nach dem Ende der NS-Diktatur und wegen
der Tatsche, daß viele umlernen mußten, weil sie nachgelaufen waren, eine
freiheitliche Stimmung vorhanden war. Ich wäre dankbar, wenn wir dazu etwas
sagen könnten.

Gerhard Finn: Wie Herr Fricke schon sagte – so schätze ich das ein –,
war in den ersten Jahren nach dem Kriege keine Opposition da, auch nicht
unter der Jugend. Aber es kamen dann ja immer mehr die Jugendlichen
aus den Speziallagern. Dort saß ein Haufen Jugendlicher. Die kamen heraus
und erzählten, was los war, was in den Speziallagern vorgegangen war, die
zumindest äußerlich den Konzentrationslagern ähnelten.

Wir hatten immer das Gefühl: Jetzt sind wir dran. Die etwas ältere Generation
war durch den Krieg zerschlissen, demoralisiert, traute sich zum Teil gar
nicht, weil sie sagten: „Mein Gott, wir haben ja mitgemacht!“ Es gab das
Gefühl – aus den vielen Diskussionen, die ich damals hatte, weiß ich es –,
bei den ganz Alten sowieso, aber auch bei den mittleren: „Mein Gott, wir
haben mitgemacht.“ Sie fühlten sich auch betrogen, aber sie zogen daraus die
Konsequenz: „Wir können jetzt nichts tun, wir haben die Schnauze voll.“

Wir wurden ja damals überhaupt erst einmal mit all diesen Dingen vertraut
gemacht, bekamen den ganzen Naziterror, die Judenverfolgung usw. erst
einmal mit. Das haben wir voll aufgenommen und gedacht: „Um Gottes willen,
was ist da passiert! Was haben die Älteren alles angerichtet!“

Wir fühlten uns gegenüber dem, was in der Ostzone passierte, als Fortsetzer
des Widerstandes gegen die Nazis. Ich sage es ehrlich, wir fühlten uns
geradezu verpflichtet zu diesem Widerstandskampf, der gegen die Nazis keinen
Erfolg hatte. Wir wollten Erfolg haben. Die Besatzung konnte ja nur ein paar
Jahre dauern, so schätzten wir das ein. Wir wollten uns ganz bewußt in diese
Richtung stellen.

Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Mich persönlich hat dann am tiefsten
die Agitation der SED getroffen, wir seien Faschisten. Das hat mir beinahe
die Beine weggehauen, weil wir gerade aus einem Antinationalsozialismus,
aus einem Antifaschismus heraus tätig waren und nun eigentlich diskriminiert
wurden.

51
Widerständiges und oppositionelles Verhalten

Ich bin froh, daß die jungen Leute aus dieser Zeit den Widerstand dann
weitergetragen haben. Gut, er mußte ganz andere Formen annehmen, als wir
merkten, daß die sowjetische Besatzungsmacht stand. Es wurde eine DDR
gegründet. Es war also kein schneller, unmittelbarer Erfolg zu erreichen. Wir
konnten also nur mildern, mindern, warnen vor dieser Zeit.

Aber ich muß sagen, es war damals sehr viel Enthusiasmus in den Trümmern
von Berlin und in den Trümmern der Ostzone, der uns bewogen hat, dieser
neuen Diktatur entgegenzutreten. (Beifall)

Gesprächsleiter Prof. Dr. Hermann Weber: Schönen Dank, Herr Finn. Ich
habe inzwischen von den Abgeordneten und Sachverständigen bereits acht
Wortmeldungen zu Fragen. Frau Graul, wenn Sie vielleicht ganz kurz zum
selben Thema ergänzen können? Dann bekommen Sie ja alle noch genügend
Zeit, wenn Sie gefragt werden.

Elisabeth Graul: Ich will nur noch zwei Dinge ganz kurz ergänzen. Wir
haben natürlich, so jung und voller Idealismus, wie wir damals waren, Politik
gemacht, ohne etwas von der Politik zu verstehen. Ich vermute, daß wir das
Aushängeschild im Osten für den „Bund Deutscher Jugend“ im Westen waren.
Außerdem brauchte Paul Lüth für seine Jugendorganisation ja auch Gelder,
und die mußte er bei irgendwelchen Sponsoren bekommen. Ich vermute, daß er
dann immer gesagt hat: „Seht, was wir im Osten tun!“ Das ist das eine.

Zum zweiten glaube ich, daß uns die DDR schon sehr ernstgenommen hat. Wir
haben sie sehr gestört, und wir haben sie sicherlich auch beunruhigt. Und was
Herr Fricke vorhin sehr richtig sagte: Vielleicht wäre manches noch schlimmer
geworden, wenn nicht auch wir uns eingebracht hätten. Die Höhe der Strafen,
die wir bekamen – drei von den Hauptangeklagten hatten lebenslänglich, drei
fünfzehn, drei zwölf, drei zehn Jahre, es war säuberlich verteilt –, beweist ja,
daß wir als Gegner ernstgenommen worden sind. (Beifall)

Gesprächsleiter Prof. Dr. Hermann Weber: Ich danke den Zeitzeugen
für diese erste Diskussionsrunde. Wir werden jetzt weiterfragen. Ich glaube,
gerade die letzten Anmerkungen haben gezeigt, daß hier nach 1945 dieser
Freiheitswille von der SED als ärgster Feind für den Aufbau ihrer Diktatur
erkannt wurde. Das ist etwas, was sie natürlich nicht erwartet hat, obwohl einer
der meistzitierten Autoren in der DDR, ein Mann aus dem 19. Jahrhundert,
einmal von dem den Menschen innewohnenden Freiheitswillen und der Kraft
der Demokratie gesprochen hat. Das hat die SED wohl nicht gelesen. Das
stammt von Friedrich Engels. (Heiterkeit)

Ich darf zunächst Herrn Passauer das Wort geben.

Sv. Martin-Michael Passauer: Jede Frage, die ich jetzt stelle – ich habe
vier – ist auch von Dank oder Hochachtung Ihnen gegenüber getragen. Es
ist vielleicht etwas spät, wenn Sie das jetzt hören, aber ich will zumindest