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Wahlperiode 12, Band VII/1, Seiten 108 und 109
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Protokoll der 67. Sitzung

informieren wollten, ein Thema, das damals in der DDR tabu war. Aber
wir hatten das irgendwie geschickt gemacht, und diese Veranstaltung fand
statt. Anschließend gab es natürlich mächtige Probleme. Uns wurde von den
staatlichen Funktionären vorgeworfen, wir wollten der Partei Diskussionen
aufzwingen. Gut, das ging noch mal glimpflich ab.

Die nächste Veranstaltung, die wir auch noch in dem Klubhaus machen konn-
ten, war eine Informations – und Diskussionsveranstaltung zum Thema Ar-
beiterselbstverwaltung am Beispiel des jugoslawischen Modells. Wir hatten
zu diesem Zwecke einen Vertreter der jugoslawischen Botschaft in der DDR
eingeladen, einen Attaché. Wenige Tage vor dem Termin, an dem diese
Veranstaltung stattfinden sollte, wurden die staatlichen Funktionäre doch offen-
bar stutzig und sagten: „Moment mal, diese Veranstaltung können wir nicht
zulassen.“ Sie kamen und verlangten von uns, diese Veranstaltung abzusa-
gen. Wir haben gesagt: „Das können wir nicht machen. Wir haben diesen
Botschaftsattaché eingeladen, der hat zugesagt.“ Es hieß dann, wir sollten
uns irgend etwas einfallen lassen, z. B.. daß der Klub baufällig sei oder so.

Wir haben das jedenfalls nicht gemacht, wir haben darauf bestanden, daß die
Veranstaltung stattfindet. Man wollte wohl von seiten der staatlichen Funk-
tionäre der DDR auch keine diplomatischen Schwierigkeiten riskieren, und
wir haben diese Veranstaltung wirklich durchgeführt. Das war damals ein
wesentlich kleinerer Raum als dieser hier, es paßten vielleicht 50 Leute
hinein. Von denen waren 40 irgendwelche staatlichen Funktionäre oder von
der Staatssicherheit. (Beifall)

Gesprächsleiter Prof. Dr. Alexander Fischer: Vielen Dank, Herr Molt.
Ich habe jetzt aus der Runde acht Wortmeldungen. Ich bin geneigt, die
Frageliste für geschlossen zu erklären. Herr Weisskirchen, Herr Jacobsen,
Herr Weber, Herr Poppe, Herr Faulenbach, Herr Hilsberg, Herr Wilke und
Herr Passauer. – Auch noch Herr Gutzeit, dann ist Schluß.
Herr Weisskirchen, bitte schön.

Abg. Prof. Weisskirchen (SPD): Sie haben in der letzten Runde sehr schön
das Wechselverhältnis von Systemzwang – um einen Begriff aufzunehmen,
den Sie gebraucht haben, Herr Molt – und der Chance, den Systemzwang von
innen, von unten zu verändern, zu erweitern, auszutesten, dargestellt. Wenn ich
Herrn Bierwisch richtig verstanden habe, dann hat er die Perspektive von den
dramatischen Erlebnissen und Erfahrungen her aufgebaut und gesagt: „Das
war nur begrenzt möglich“, während Edelbert Richter von den persönlichen
Erfahrungen her gesagt hat: „Wir hätten mehr machen können, als wir gemacht
haben.“ Das sieht auf den ersten Blick widersprüchlich aus; ich glaube, daß es
gar nicht widersprüchlich ist. Dennoch vielleicht an alle die Frage: Welche
Möglichkeiten haben Sie aufgenommen aus dem Westen, um Ihre jeweiligen
Grunderfahrungen umzusetzen? Haben Sie irgend etwas im Jahre 1968 als
Ermutigung aufgefaßt – nicht nur beim „Prager Frühling“, sondern da gab

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Widerständiges und oppositionelles Verhalten

es ja auch noch etwas anderes, oder 1975 beim KSZE-Prozeß, auf den sich
Edelbert Richter mit berufen hat – gab es irgendwo eine Vernetzung oder gab
es einen Impuls oder eine Reflexion auf das, was im Westen vorgegangen ist,
was Sie entweder ermutigt oder aber auch entmutigt hat?

Gesprächsleiter Prof. Dr. Alexander Fischer: Die Frage ist so konkret, Herr
Weisskirchen – ich begrüße das außerordentlich –, daß wir die Runde gleich
um Antwort bitten.

Bernd Eisenfeld:
Für mich war eigentlich charakteristisch, daß ich meine
Informationen weniger aus dem Fernsehen bezog als vielmehr aus westlichen
Rundfunksendungen. Da war für mich im Grunde genommen der Deutsch-
landfunk sehr prägend. (Beifall)

Das betrifft übrigens weithin die Sachsen, also auch die Dresdner, die ohnehin
keinen Zugang hatten, aber auf diese Weise, glaube ich, sehr viel bessere, sehr
viel fundiertere Informationen, auch historische Informationen bekamen, als
das über das Fernsehen gelaufen ist.

Für mich war die Bundesrepublik insofern immer ein Bezugsfeld, als ich
von der Argumentation ausging: Negation der Negation, also die wirklichen
Freiheiten, die müssen wir erhalten. Wie können wir denn die bürgerlichen
Freiheiten wegnehmen? Darauf können wir dann aufbauen. Da habe ich mich
natürlich auch auf die Bundesrepublik und auf die entsprechende Diskussion
beziehen können. Helsinki 1975 war für mich ein sehr starkes Motiv und
außerdem eine öffentliche Einforderung. Man konnte sich auf etwas stützen,
was auch die DDR schwarz auf weiß sanktionierte.

Aber nach 1975, muß ich sagen – ich spreche jetzt nicht nur für mich –,
trat doch zunehmend Resignation ein. Das heißt, man stellte eigentlich fest,
daß die Bundesrepublik sich immer stärker auf das Gespräch auf der oberen
Ebene einließ, was nicht mehr nach unten durchschlug. Ich habe z. B. versucht,
eine Reihe von Abgeordneten dazu zu bewegen, etwa nach Dresden zu
Friedenskreisen zu fahren. Es war auch von der Bundesrepublik her ungemein
schwer, etwas zu bewegen. Das führte, glaube ich, auch zu Resignation. Ich
glaube generell – diese Frage muß man sich stellen –, daß die Zunahme der
Ausreisewilligkeit letztlich Ausdruck der Resignation war. Deutschlandpolitik
sollte eigentlich dafür sorgen, daß die Menschen bleiben, und auch die
Kirchenpolitik war davon geprägt, daß man langsam reformieren wollte. Wenn
aber das Ergebnis dieses Prozesses darin bestand, daß immer mehr weg
wollten, dann hätte man sich fragen müssen: „Was machen wir eigentlich
falsch?“ Da, meine ich, ist eine Menge falsch gemacht worden. (Beifall)

Dr. Edelbert Richter, MdEP: Wenn ich es mir richtig überlege, haben wir
permanent im Kontakt mit den ideellen oder kulturellen, aber eben auch mit
den politischen Bewegungen in der Bundesrepublik oder in der westlichen
Welt gestanden. Das ist nicht nur durch das Fernsehen, sondern bei mir auch
dadurch bedingt, daß ich diesen Sonderraum der Kirche nutzen konnte. Man