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Wahlperiode 12, Band VII/2, Seiten 2008 und 2009
 

Peter Siebenmorgen

Fortwirkende Maßnahmen der Regierung Modrow

 

 

Wem es gegeben ist, nach Herrn Prof. Thaysen zu sprechen, hat das Glück,
sich relativ kurz fassen zu können. Ich möchte nur ganz wenige Bemerkungen
eingangs auch zur Begrifflichkeit der Fragestellung machen. „Fortwirkende
Maßnahmen“ ist ein Begriff, der in der Tat erläuterungsbedürftig ist, und
ich finde insbesondere die letzte Klärung von Herrn Thaysen sehr hilfreich,
daß man nicht nur auf Handlungen abzielen sollte, sondern auch auf Un-
terlassungen. Ich würde noch einen dritten Punkt hinzufügen: unintendierte
Entwicklungen. Worauf ich später eingehen und was ich an ein paar Bei-
spielen deutlich zu machen versuchen werde, ist, daß die Verfahrensweise der
Modrow-Regierung durchaus gewisse Züge von panikartigem Ballastabwerfen
hat, so daß eigentlich nicht von einer sehr zielstrebigen Strategie, die kleine
Schritte auf ein langfristiges Ziel hin definiert, die Rede sein kann. Das
relativiert nicht das, was Herr Thaysen zum Schluß gesagt hat, was Sie im
Sinne von Kolakowski ausgeführt haben. Aber diese nichtintendierten Dinge,
die aufgrund des beschleunigten Prozesses und der vielen Unwägbarkeiten
hinzukommen, sind sicherlich ein Punkt, der mit berücksichtigt werden soll.
Denn warum ist die Frage der fortwirkenden Maßnahmen eigentlich überhaupt
spannend? Wenn man diese Frage beantwortet, wird es deutlich, warum alle
drei Dinge hinzugehören. Es ist zum einen wichtig, sowohl die Intention
als auch den Charakter der Modrow-Regierung zu erklären. Es ist zum
zweiten sicherlich auch wichtig zu sehen, welche fortwirkenden Resultate
und damit auch gewissermaßen Beschwernisse das vereinte Deutschland im
Marschgepäck mit sich herumtragen muß, die unmittelbar auf die Regierungs-
zeit Modrow zurückzuführen sind. Wenn man unter dieser Perspektive der
Sinnhaftigkeit der Frage „Was sind fortwirkende Maßnahmen der Regierung
Modrow?“ an das Thema herangeht muß man eben auf alle drei Elemente
schauen.

Ich möchte auch Herrn Thaysen dahingehend zustimmen, daß man sehr
klar unterscheiden muß zwischen der Person Modrow und der Funktion,
die er innehatte. Es ist natürlich völlig klar, daß die Person uns hier gar
nicht interessieren muß, sondern es geht tatsächlich um das, was er positiv
zu verantworten hat bzw. wofür er steht. Dazu muß man wiederum zwei
Vorbemerkungen machen: Zum einen muß auch für die Modrow-Regierung in
einem allgemeinen Sinne „schuldmindernd“ geltend gemacht werden, daß die
enorme Beschleunigung und Geschwindigkeit des Prozesses, der im Grunde

2009
Fortwirkende Maßnahmen der Regierung Modrow

im Spätsommer 1989 losging, natürlich auch hier häufig von der Hand in
den Mund leben ließ und daß man eben von vielen Dingen einfach schlicht
überrascht wurde. Das ist allerdings ein nur sehr allgemeiner schuldmindernder
Vorbehalt, der im einzelnen konkreten Falle auf seine tatsächliche Relevanz
geprüft werden muß, denn umgekehrt ist natürlich im Zusammenhang mit der
Regierung Modrow auch die Frage interessant, inwiefern bewußte Handlungen
in diesem beschleunigten Prozeß zu schon damals relativ klar absehbaren
Fehlentwicklungen und Belastungen, die wir teilweise heute noch haben,
führten.

Ich will da nur ein Stichwort nennen – die Treuhand. Die Treuhandanstalt
scheint mir deswegen ein schönes Beispiel zu sein, weil sie in ihrem Ursprung,
in dem die Einrichtung der Treuhand tatsächlich noch der verklausulierten und
verdeckten Bewahrung alter Vorstellungen sowohl von Wirtschaft als auch von
Eigentum diente, ein Faktum gesetzt hat, an dem die späteren Regierungen
aufgrund der unglaublichen Beschleunigung des Prozesses so ohne weiteres
gar nicht mehr vorbeigehen konnten. Insofern ist das schon ein Beispiel dafür,
daß man trotz dieser allgemeinen Frage der geminderten Schuld aufgrund der
rapiden Beschleunigung im Falle der Modrow-Regierung die Sache eigentlich
eher umgekehrt sehen muß, ob nicht eine besondere Schulderschwernis darin
liegt, innerhalb dieses beschleunigten Prozesses mehr oder weniger irreversible
Fakten zu schaffen, die sehr schnell geschaffen sind, deren Abbau aber sehr
lange dauert. Deswegen ist das Beispiel der Treuhandanstalt besonders gut.

Wenn man – und auch da kann ich Herrn Thaysen nur variieren – nach dem
entscheidenden Begriff in den Modrow-Regierungen – und ich finde auch
wichtig, daß man unterscheidet, daß es zwei waren – fragt, so gilt dennoch für
beide als Grundcharakteristikum die Suche nach einem festen Ankerplatz für
das, was an Sozialismus noch möglich ist. Das ist relativ schwierig deswegen,
weil jeder Versuch, den Anker zu setzen, scheiterte und daher auch gewisse
panikartige, immer neue Versuche, Sozialismus zu bewahren, unternommen
wurden.

Veränderungen in diesem Sinne, die natürlich während der Modrow-Regierung
stattgefunden haben, sind nicht als Reformen zu charakterisieren, sondern als
Versuche, soviel wie möglich als Aufbauposten für eine Zeit, wo man wieder
vorangehen kann mit dem Sozialismus, zu bewahren. Der Begriff der Reform
greift einfach nicht, sondern es war in der Tat eine Strategie, soviel zu retten
wie eben möglich, und das, was an „Reformen“ ins Werk gesetzt wurde, war in
der Tat häufig eher dann – wie vorhin schon gesagt – ein kopfloses Abwerfen
von Ballast.

Ich will ein weiteres Stichwort, das Herr Thaysen vorhin schon erwähnt hat,
etwas ausführlicher beleuchten, das mir in der Tat eine interessante Innovation
der Modrow-Zeit zu sein scheint, die auch bis in die Probleme unserer Tage
hineinreicht. Das ist das, was ich mit der Überschrift „Politische Instrumen-