schließen

Fehler melden / Feedback

Angezeigte SeitenWahlperiode 12, Band IX, Seiten 124 und 125 (wp12b9_0128)
betrifft 1)
Fehlerart 1)Seiten-Überschrift falsch
Seiten-Nummer falsch
Seiten-Nummer-Position falsch (rechts/links)
falsches Bild / Bild fehlt
Seite wird nicht angezeigt
Fehler im Text
Formatierung falsch
nicht aufgeführter Fehler / nur Feedback
Ihr Name
Erklärung/Feedback 1)
(nur erforderlich, falls
nicht aufgeführter
Fehler
oder nur Feed­back)
Ihre E-Mail-Adresse 2)
1)  erforderlich
2) für Rückfragen, empfohlen
   
Wahlperiode 12, Band IX, Seiten 124 und 125
124
Protokoll der 14. Sitzung

begonnen, selber Studien und Dokumentationen zu erarbeiten. Nach anfängli-
chen Schwierigkeiten gewinnt diese Arbeit eigene Konturen und Perspektiven.
So waren, wie ich schon angedeutet habe, große Anstrengungen nötig, um
Einblick in die verschiedenen Archive zu erlangen, also in Stadt-, Staats- und
auch Parteiarchive, kirchliche Gemeindearchive, Gauck-Behörde. Teilweise
haben wir das bis heute natürlich noch nicht können. Modellhaft versuchen
wir, diese verschiedenen Perspektiven, die in der DDR nie zusammenkommen
konnten, in der Gesellschaft zusammenzuführen anhand der Dokumentation.
Wir versuchen, die verschiedenen Perspektiven zusammenzuführen in einer
Dokumentation über die Friedensgebete, die hier in Leipzig stattgefunden
haben in der Zeit von 1982 bis 1990. Diese Dokumentation ist kurz vor
dem Abschluß und wird 1993 erscheinen. Weitere Projekte, an denen wir uns
beteiligen, sind eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen zu verschiedenen
Problemen in der Auseinandersetzung mit regionalhistorischen Ereignissen
und sogenannte Täter-Opfer-Gespräche. Außerdem bereiten wir eine Ge-
schichtswerkstatt Leipzig vor. Die nächste Veranstaltung, die wir machen,
wird sein zum Thema „Das Geheimnis der Popularität von Manfred Stolpe“
aus Anlaß eines Abends, den Manfred Stolpe hier in der Nikolai-Kirche am
9. Oktober geben sollte, allerdings hat er zurückgezogen. Vielleicht können
Sie sich so ein Bild über unsere Arbeit machen.

Bürgerkomitee Leipzig – Museum in der Runden Ecke –: Ich vertrete das
Bürgerkomitee Leipzig. Nach mir wird noch kurz Frau Hollitzer sprechen,
wir versuchen uns kurz zu halten. Wir wollen eigentlich Sie dann ja auch
einladen in unsere Ausstellung, so daß ich denke, wir haben noch einmal
Gelegenheit, uns darzustellen. Wir danken Ihnen ganz herzlich für diese
Einladung. Wir freuen und ganz besonders, daß diese Anhörung hier in Leipzig
stattfindet, eigentlich selbstverständlich, leider ungewohnt. Hier entstanden
jenseits von viel Presserummel aus den Montagsgebeten in der Nikolai-Kirche
die Demonstrationen, die die DDR zum Einsturz brachten. Maueröffnung
und Wende sind Folgen dieser machtvollen friedlichen Demonstrationen. Das
Bürgerkomitee Leipzig bildete sich nach einer solchen Montagsdemonstration
am 4. Dezember 1989 anläßlich der ersten Kontrollen in den Gebäuden der
Staatssicherheit. Ursprünglich sahen wir unsere Aufgabe ganz eng auf die
Staatssicherheit begrenzt. Nach 4 Wochen Kontrolle und der Auflösung des
MfS und der ersten DDR-weiten Bürgerkomitee-Versammlung am 4./5. Januar
1990 in Leipzig stellten wir jedoch fest, für die verfassungswidrige Tätigkeit
des MfS trägt die SED die Verantwortung. Von dieser Zeit an stand die
Auflösung des MfS für uns auch immer im Kontext zur Gesamtstruktur des
SED-Staates. Es blieb leider nur bei sporadischen Kontrollen und, man möchte
fast sagen, Ausflügen in die Organe der SED, Archive und Abteilung Inneres,
weil uns die Kraft fehlte. Im nachhinein läßt sich sagen, daß das MfS auch
in der Zeit der Auflösung und danach wieder Schild und Schwert der Partei

125
Erfahrungsaustausch

war. Während sich alle um das MfS kümmerten, konnte sich die SED in Ruhe
umstrukturieren. Das Problem ist bekannt. Die konzentrierte Aufklärung über
das MfS legte den Grund für die jetzige effektive Aufdeckung von Spitzeln.
Als Facette der alten Konstellation sehen wir die Konzentration heute auf
Staatssicherheit vor allem in der Presse, aber auch bei den Überprüfungen im
öffentlichen Dienst und in den Parlamenten. Die alte Konzentration hat sich
bis jetzt durchgehalten, und wir haben nach wie vor dieses falsche Gewicht.
Ich hoffe, daß die Enquete-Kommission in dieser Hinsicht ein Gegengewicht
zu halten hilft.

Die Staatssicherheit ist auch der Sündenbock für viele von uns ehemaligen
DDR-Bürgern, die die eigene Verwicklung mit dem System nicht ernst-
nehmen wollen. Bürger wenden sich an uns, die höchstwahrscheinlich gar
keine Stasiakte haben. Sie können schwer begreifen, daß Schule, volkseigene
Betriebe, Volkspolizei und Volksarmee, in denen sie oft aktiv, manchmal
auch als Handlanger mitgearbeitet haben, dazu beitrugen, mit Repressionen
Widerständler gleichzuschalten. Das Bürgerkomitee Leipzig hat sich intensiv
für den Erhalt der Stasiakten eingesetzt. Das ist Ihnen sicherlich bekannt.
Unsere Weigerung, die Akten der Auslandsaufklärung – wie vor allen Dingen
von Innenminister Diestel angewiesen – zur Vernichtung freizugeben, steht
damit im Zusammenhang. Wir begrüßen daher auch Ihren Aufruf, werte
Abgeordnete, Aktenvernichtung im nachhinein als Straftatbestand zu ahn-
den. Wir wären Ihnen, Herr Eppelmann, sehr dankbar, wenn Sie aus Ihrer
heutigen Sicht sich zu den Aktenvernichtungen äußern würden, die bei der
Nationalen Volksarmee passierten. Gegen den Widerstand der Regierungen
Modrow und de Maizière setzten sich die Bürgerkomitees für die Öffnung der
Akten ein. Wir arbeiteten im Volkskammerausschuß mit. Wir haben dann bei
diesem Gesetz mitgearbeitet, das von der Volkskammer beschlossen wurde.
Über diesen Ausschuß, geleitet von Herrn Gauck, haben dann Bürger – und
wir haben uns dort auch beteiligt –, mit unkonventionellen Mitteln darauf
dringen müssen, daß in einem Abschlußpapier in den Einigungsvertrag diese
Grundsätze wenigstens aus dem Gesetz übernommen wurden. Wir haben dann
auch an dem Stasiunterlagengesetz mitgearbeitet und haben als Bürgerkomitee
mit als Erste einen Entwurf vorgelegt und auf vielen Ebenen u. a. auch in
Gesprächen mit Ihnen als Bundestagsabgeordneten Einfluß nehmen können.
Wir sind mit diesem Gesetz nicht ganz so zufrieden. Aber die Öffnung
der Akten ermöglicht wenigstens, daß wir, soweit es die Staatssicherheit
betrifft, die Eingriffe in unser individuelles Schicksal nachvollziehen können.
Wir können Gleichschaltung und Repression etwas besser verstehen und wir
können nachvollziehen, wie hinhaltender Widerstand Freiräume erhalten und
vorauseilender Gehorsam das Leben natürlich auch vergiftet hat. Weil wir
immer wieder in der Erfahrung bestätigt wurden, daß Offenheit der beste
Schutz der Öffentlichkeit vor Willkür ist, forderten wir die Öffnung der

Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir Ihnen die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in Ihrem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen, wenn Sie auf unsere Website zurückkehren, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für Sie am interessantesten und nützlichsten sind.