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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 16 und 17
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Protokoll der 25. Sitzung

werden darum Sie und Halle an der Saale ganz gewiß in freundlicher Erinne-
rung behalten.

Herr Professor Paraskewopoulos, wir haben Sie gebeten, uns zur systemati-
schen Demontage des Mittelstandes in der DDR und den damit zusammenhän-
genden Problemen heute einführend ein Referat zu halten. Ich bitte Sie ums
Wort.

Prof. Dr. Spiridon Paraskewopoulos: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr
geehrte Damen und Herren der Enquete-Kommission. Es ist für mich eine Eh-
re, heute hier referieren zu dürfen. Eine Ehre deshalb, weil ich als nicht echter
Deutscher (ich bin naturalisierter Deutscher, inzwischen auch naturalisierter
Ossi, da ich seit 1991 in Ostdeutschland bin) die Thematik, mit der wir es
heute zu tun haben und allgemein das Thema Zentralverwaltungswirtschaft
und ihre Folgen, jahrelang als Forschungsthema bearbeitet habe. Deshalb freue
ich mich, heute etwas über den Mittelstand und seine Entwicklung in der ehe-
maligen DDR sagen zu dürfen. Wie ich sagte, ich bin naturalisierter Deutscher,
ich lebe seit 1961 in Deutschland, ich habe in Deutschland studiert und meine
berufliche Laufbahn auch hier gemacht und wie Sie sehen, ich bin hiergeblie-
ben und freue mich darüber. Vielleicht ist es auch gut, daß ich über dieses
Thema rede. Ich möchte sagen, daß ich etwas neutraler sein kann und nicht so
emotionell rede wie ein echter Deutscher, eventuell ist das auch ein Pluspunkt,
das werden wir nachher sehen. Zum Mittelstand, für diejenigen, die sich mit
dieser Thematik nicht beschäftigen, vielleicht ein paar einführende Bemerkun-
gen:

Der Mittelstand allgemein in einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist die Basis
der Volkswirtschaft. Über 70 % leistet der Mittelstand sowohl im Bereich des
Bruttoinlandprodukts, aber auch was den Bereich der Beschäftigung anbetrifft.
Die Lebensbasis einer Volkswirtschaft, die marktwirtschaftlich strukturiert und
orientiert ist, ist der Mittelstand. Dieser Mittelstand war in Mitteldeutschland
bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sehr ausgeprägt und Mitteldeutsch-
land war die Region Deutschlands, die eine Spitzenposition in Deutschland
gehabt hat, was die industrielle Leistungsfähigkeit anbetrifft. Ein paar Zahlen,
um das zu verdeutlichen:

Die durchschnittliche industrielle Leistung je Einwohner war 1939 in Mittel-
deutschland nicht nur höher als die durchschnittliche industrielle Leistung in
Gesamtdeutschland, sondern auch höher als die Leistung Westdeutschlands.
Im einzelnen betrug die industrielle Nettoproduktion im Jahr 1939 pro Kopf
der Bevölkerung in Berlin 855 Reichsmark (RM), in Mitteldeutschland 725
RM, im Gebiet der alten Bundesländer ohne Berlin 609 RM. Im Gebiet östlich
der Oder/Neiße 249 RM und der Durchschnitt Gesamtdeutschlands war 600
RM. Das Gebiet Mitteldeutschland, ehemaliger Raum DDR, lag mit 725 RM
also weit über dem Durchschnitt.

Diese kurzen einleitenden Bemerkungen sollten zum einen das Ausmaß der
Folgen der Abkoppelung der mitteldeutschen Wirtschaft von der marktwirt-

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Mittelstand in den neuen Bundesländern

schaftlichen und der technologischen Entwicklung Westdeutschland andeuten,
und zum anderen auch zeigen, daß man es hier eindeutig mit systembedingten
Entwicklungen zu tun hat, die zu der wirtschaftlichen Rückständigkeit geführt
haben. Die steht im Gegensatz zu der immer wieder vorgebrachten Auffas-
sung, es habe nicht das System, sondern die Menschen hätten irgendwie ver-
sagt. Das stimmt nicht, wir haben es mit einer systembedingten Rückständig-
keit zu tun.

Fehler bei wirtschaftlicher Planung, Irrtümer oder auch das individuelle Ver-
sagen einzelner können nur dann zu volkswirtschaftlichen Störungen führen,
wenn sie eine Massenerscheinung werden. Dies kann man nicht ernsthaft für
die Erwerbsbevölkerung und für die verantwortlichen Manager der ehemaligen
DDR behaupten. Die wirklichen Ursachen liegen tief in dem praktizierten
Wirtschaftssystem einer Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs, das
die Menschen zwingt, zwar einzelwirtschaftlich, nicht aber gesamtwirtschaft-
lich rational zu handeln.

Den Grundstein für diese wirtschaftliche Rückständigkeit hat die sowjetische
Besatzungsmacht 1945 gelegt. Bereits in dieser Zeit der unmittelbaren Besat-
zung durch die Sowjetunion (1945-1949) hat man auf dem Gebiet Mittel-
deutschlands [sowjetische Besatzungszone (SBZ)] mit der schrittweisen Ein-
führung eines Wirtschaftssystems einer Zentralverwaltungswirtschaft sowjeti-
scher Prägung begonnen, welches später mit der Gründung der DDR (1949)
seine massive Fortsetzung fand.

Mit der Einführung der Zentralverwaltungswirtschaft wurden sowohl die ord-
nungspolitische Gestaltung des Wirtschaftssystems als auch das wirtschafts-
politische Entwicklungsmuster in der ehemaligen DDR festgelegt. Die hiermit
verwirklichte Zentralisierung der Willensbildung wirtschaftlicher Art wirkte
sich unvermeidlich auf alle Lebensbereiche aus.

Ordnungstheoretisch und -politisch betrachtet wurde dies durch die Konstituie-
rung einer hierarchisch gegliederten staatlichen Organisation, die für die Pla-
nung, Allokation und Kontrolle der Güterproduktion und -verteilung verant-
wortlich war, erreicht.

Damit waren auch de facto die staatliche Kontrolle und weitgehend auch die
Verfügung über das Produktionsmitteleigentum eingeführt.

In dieser wirtschaftspolitischen Konzeption einer Zentralverwaltungswirtschaft
sowjetischer Prägung war bereits die dominante Unternehmensform des
„Staatsbetriebes“, des sogenannten volkseigenen Betriebes (VEB), in allen Be-
reichen der Volkswirtschaft angelegt.

Entsprechend diesem Modell haben bereits 1945 die Sowjets mit Enteignun-
gen, vor allem des NS-Vermögens sowie der Banken und Sparkassen, der Ver-
sicherungen und der Betriebe des Energiesektors, begonnen. Auch landwirt-
schaftliches Großvermögen über 100 ha wurde in dieser Zeit entschädigungs-
los enteignet und verstaatlicht.