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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 52 und 53
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Protokoll der 25. Sitzung

vertritt und Geschäftsführerin einer Bekleidungs-GmbH ist, mit ihrem Bericht
zu beginnen.

Martina-Elvira Lotzmann: Ich habe den Erfahrungsbericht zu Papier bringen
wollen, das ist mir ganz schlecht gelungen. Ich habe ihn trotzdem abgegeben.
Ich denke aber, daß es wichtiger ist, daß ich Ihnen einfach frei von der Leber
weg erzähle, was ich so in den letzten sieben Jahren als Unternehmer erlebt
habe, und komme damit sicherlich auf den einen oder anderen Schwerpunkt zu
sprechen, der heute früh schon angesprochen worden ist.

Zunächst vielleicht so viel: Ich bin in den letzten sieben Jahren vom Händler
zum Produzenten geworden. Nachdem ich mich also zunächst mit Groß- und
Außenhandel befaßt habe und mit Bekleidung nach Osteuropa gehandelt habe,
wollte ich das, womit ich handele auch selbst produzieren. Deshalb habe ich
zum einen einen Handelsbetrieb über Management-Buy-Out von der Treu-
handanstalt gekauft, und habe später zusätzlich eine Fabrik in Leipzig erwor-
ben, wo ich den Nachteil hatte, weil ich wie ein fremder Investor war, und
nicht wußte was ich kaufe, sondern einfach gekauft habe. Wie wir das alle ge-
macht oder auch nicht gemacht haben. Ich selbst habe die persönliche Verant-
wortung übernommen, dabei hatte ich weder Kapital noch Garantien und
Bürgschaften. Ich wurde Nutznießer von Existenzgründungsunterstützungen,
die die Bundesregierung geschaffen hatte, die ich natürlich auch genutzt habe.
Ich habe davon partizipiert, daß ich im Prinzip den vorhandenen Behördenauf-
bau genutzt habe, die schon existierenden Strukturen und auch Gesetze, die
mir zwar mit dem Neueinstieg in das große Deutschland fremd waren, aber
letztlich waren sie schon da. Wenn ich heute z. B. in Usbekistan bin und dort
vor Unternehmern über die Privatisierung meiner Unternehmen spreche, dann
sagen die als allererstes zu mir, das kann ja alles ganz schwierig sein und viel
auch übergestülpt sein, aber ihr habt wenigsten Strukturen und Regelungen.
Wir haben überhaupt gar keine Regelungen in Usbekistan, und deshalb ist es
für uns um so schwieriger. Und ich glaube genau da ist der Punkt, daß wir in
Deutschland – trotz aller Schwierigkeiten – funktionierende Strukturen und
Gesetze als Basis gehabt haben, auf der wir unsere Unternehmen aufbauen
konnten. Ich darf auch nicht verschweigen, daß ich sicherlich einer der Fälle
bin, die nicht unbedingt über die BvS oder früher über die Treuhandanstalt
schimpfen muß, weil ich eigentlich, wenn ich zunächst auch erst einmal zwei-
einhalb Jahre umsonst versucht habe, das erste Unternehmen zu privatisieren,
und das, gemeinsam mit einem westdeutschen Unternehmen, gescheitert ist.
Ich habe versucht, ein Treuhandunternehmen zu sanieren, das hat die BvS re-
spektiert und hat versucht, mir vernünftige Kaufkonditionen einzuräumen. Das
war mein Start als Unternehmerin mit vielen Hemmnissen, aber auch Erfolgen.

Heute früh wurde davon gesprochen, daß wir also im Prinzip dieses Unter-
nehmertum, daß wir den Mittelstand und flexible Unternehmen dringend brau-
chen. Es gibt eine Menge an Ostdeutschen, die 1990/91 richtig hungrig darauf
waren, Unternehmer zu sein. Ich war schon vor der Wende Betriebsdirektorin.
In dieser Funktion habe ich mir auch schon manches gedacht, was ich machen

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Mittelstand in den neuen Bundesländern

wollte, doch das paßte nicht in die vorhandenen Strukturen. Die Freiheit, un-
ternehmerisch zu beginnen, ein Unternehmen zu gründen, war eine wichtige
Grundlage für viele ostdeutsche Menschen. Wer sind eigentlich die Existenz-
gründer?

Mit der Entscheidung, selbständig zu werden, lebe ich in dem Bewußtsein, und
das ist ja eigentlich der Mittelstand, ich bin der Mittelständler, der mit Haut
und Haaren für sein Vermögen haftet. Im Unterschied zu allen anderen, die
irgendwo in unserem Lande irgend etwas zu sagen haben. Und wenn ich sage,
ich hafte mit meinem ganzen Vermögen, dann ist das mein Vermögen und das
meiner Familie. Im Moment besteht das Vermögen ja eigentlich nur aus Bank-
schulden. Die Bank läßt sich alles erst einmal übertragen und wenn es schief
geht, stehe ich als mittelständischer Unternehmer vor dem Nichts. Wenn es gut
geht, bin ich sicherlich irgendwann ein gemachter Mann oder eine gemachte
Frau. Nur diese Risikoentscheidung ist natürlich eine Entscheidung, die nicht
einfach mit Risiko zu bezeichnen ist. Denn wenn man sich ansieht, wie unsere
Wirtschaft funktioniert, so steht der Unternehmer eigentlich im Zentrum, da
alle sich absichern und auf den Unternehmer zielen, und letztlich der Unter-
nehmer mit seiner unternehmerischen Entscheidung immer in allen Richtungen
die Konsequenzen selbst tragen muß. Ob nun Gewerkschaften irgend etwas
erkämpfen oder nicht, der Unternehmer muß es selbst tragen, und wenn er
Mittelständler ist, der mit seinem privaten Vermögen haftet, dann ist es schon
ein Thema für sich. Warum spreche ich gerade die Gewerkschaften an? Ich
habe mit den beiden Unternehmen einen sehr schweren Weg hinter mich ge-
bracht. Zunächst ging alles nur bergauf, in diesem Jahr ging alles bergab. Es
gibt in Weißrußland einen Präsidenten, der heißt Lukaschenkow. Er hat fast
einen Bürgerkrieg verursacht, das haben Sie alle erlebt. Ich selbst hatte einen
Handelsbetrieb – unsere 100 %ige Tochterfirma – in Weißrußland angesiedelt.
Wenn man nicht mehr konvertieren kann und die Gläubiger nicht mehr warten
wollen, dann gibt es nur noch den Weg zur Gesamtvollstreckung. Ob man da
etwas dafür kann oder nicht, spielt dabei wirklich gar keine Rolle.

In dem Bekleidungsbetrieb hatten wir 110 Leute beschäftigt. Es waren 75, als
ich den Betrieb kaufte. Ich habe den Betrieb innerhalb von einem Jahr saniert,
habe ihn umgebaut, habe ihn entwickelt, habe dann eine neue Kollektion, also
eine Eigenkollektion entworfen, weil der Betrieb, als ich ihn kaufte, aus reiner
Lohnarbeit bestand für einen einzigen westdeutschen Betrieb. Was die eigene
Kollektion betrifft, habe ich mir erlaubt, Ihnen meinen Katalog mitzubringen,
damit Sie zumindest eine Vorstellung haben, was wir selbst machen.

Als im Sommer diesen Jahres dieser westdeutsche Betrieb eine sehr schlechte
wirtschaftliche Lage hatte, hat er ohne Vorankündigung seine Aufträge kom-
plett storniert, weil er seine eigene Kollektion eingestampft hat, mit dem Er-
gebnis, daß unser Unternehmen, das gerade in dem Moment auf dem Stand
war, richtig Geld zu verdienen und auch Leuten Beschäftigung zu garantieren,
mußte dieser Betrieb um die Hälfte schrumpfen. Ich stand vor der Frage, wenn
ich 90 % Kapazitätsausfall habe, kann ich dann überhaupt weiterleben oder