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Wahlperiode 13, Band III/3, Seiten 2630 und 2631
 

Isolde Stark

Wirtschafts- und sozialpolitische Vorstellungen der neu-
en Parteien und Bewegungen in der Zeit vom Sommer
1989 bis zum Oktober 1990

 

1.Einleitung
2.Die ersten Aufrufe von Demokratischer Aufbruch, Demokratie Jetzt,
Initiative Frieden und Menschenrechte, Neues Forum, Grüne Partei in
der DDR, Sozialdemokratische Partei (in der DDR) und Vereinigte
Linke
3.Wirtschafts- und sozialpolitisches Engagement bis zur Volkskam-
merwahl am 18. März 1990 (ohne Berücksichtigung der Aktivitäten
am Zentralen Runden Tisch)
3.1.Die Erste Wirtschaftskonferenz des Neuen Forum
3.2.Die Zweite Wirtschaftskonferenz des Neuen Forum
3.3.Das Treuhand-Konzept von Demokratie Jetzt
4.Versuche der politischen Machterhaltung der SED auf wirtschaftli-
cher und sozialer Ebene
4.1.Das populistische Zurückweichen vor dem Subventionsabbau
4.2.Der Umgang mit dem Volkseigentum
4.3.Die Bildung der Treuhandanstalt
4.4.Die Vergabe von SED-Vermögen für die wirtschaftliche Existenz-
gründung von Funktionären
5.Die Volkskammerwahl am 18. März 1990
5.1.Das Programm der Listenverbindung Bündnis 90
5.2.Das Programm der Listenverbindung Grüne Partei/Unabhängiger
Frauenverband
5.3.Das Programm der Listenverbindung Vereinigte Linke/ Die Nelken
6.Ausblick bis zum 3. Oktober 1990
7.Politisches Résumé und Empfehlungen
Literaturverzeichnis
Anlagen
2631
Vorstellungen der neuen Parteien und Bewegungen

1. Einleitung

Im Herbst und Winter 1989/90 konstituierten sich erstaunlich viele Gruppie-
rungen, Bewegungen, Verbände und Parteien, die sich als Opposition zu der
bis dahin allein – jedoch mit Hilfe des pseudo-demokratischen Dekors anderer
Parteien und Massenorganisationen kaschiert – herrschenden SED verstanden.
Viele von ihnen waren und blieben bedeutungslos; einige hatten nur kurzfristig
eine politische Relevanz, und nur wenige hatten damals eine breite Resonanz
und entwickelten eine differenzierte Programmatik. Bei letzteren handelt es
sich um meist seit längerem agierende Oppositionsgruppen, die nun aus dem
Kreis der Kirche oder des Privaten1 an die Öffentlichkeit traten bzw. damit
überhaupt erst das im Ansatz schufen, was man als politische Öffentlichkeit
bezeichnen kann. Denn die SED hatte mit ihrem totalen Machtanspruch gerade
diese politische Öffentlichkeit weitgehend beseitigt und damit gewissermaßen
das Ende des Politischen2 in der DDR herbeigeführt. Das Pendant dazu war
wiederum – und das ist kein Gegensatz – eine permanente Politisierung des
Privaten, da auch privates Denken und Handeln potentiell der Reglementie-
rung und der Kontrolle durch die SED unterlag. Auf diese Weise konnte von
der geforderten Norm abweichendes Verhalten schon Repressionen hervorru-
fen.3 Auch wenn an die Stelle von Herrschaftszuweisung und -begrenzung der
Befehl und an die Stelle von Willensbildung die Akklamation trat, eine materi-
ell nicht allzu sehr differenzierte Existenz sozial nivellierend wirkte und der
einfache SED-Genosse wie der Parteilose letztlich nichts anderes als Unterta-
nen waren, so bildete sich zwar ein gewisses Gemeinschafts- und Zusammen-
gehörigkeitsgefühl heraus, aber nicht die ‘sozialistische Menschengemein-

 

  1. Über die Bedingungen der Oppositionsgruppen liegt das materialreiche Buch von Erhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR 1949 – 1989, Bonn 1997 (Bundeszentrale für politische Bildung. Schriftenreihe Bd. 346), vor. Wer keinen Zugang zur Evangelische Kirche hatte oder haben wollte, ahnte von den vielfältigen oppositionellen Aktivitäten unterm Kirchendach genauso wenig wie von denen privater Kreise.
  2. Ich folge hier wegen der strukturellen Vergleichbarkeit der Begriffsbestimmung von Egon Flaig: Weisheit und Befehl. Platons „Politeia“ und das Ende der Politik, in: Saeculum 45 (1994), S. 34.f.: „Das Politische hat zwei Dimensionen: 1. Es besteht aus einem spezifischen Raum, in dem Herrschende und Beherrschte gemäß bestimmten Regeln und über bestimmte Themen miteinander kommunizieren, Autorität erteilen und Gehorsam festlegen. [.....] Der zeremonielle Rahmen der Kommunikation erstreckt sich von kultischen, sonstigen festlichen und gerichtlichen Veranstaltungen bis hin zu Versammlungen, in denen forma- lisiert Herrschaftsbefugnisse distribuiert werden. Gibt es diesen Raum – mit seinen Regeln, Interaktionsformen und Themen – nicht mehr, dann existiert kein Forum für die regularisierte (nicht gewaltsame) Kommunikation zwischen Herrschenden und Beherrschten, für Politik zwischen ihnen. 2. Es besteht ferner aus einem Raum, in dem die unterschiedlichen Interessen sich artikulieren – bis hin zur Gegensätzlichkeit –, die Willensbildung stattfindet und für die gesamte Gemeinschaft verbindlich entschieden wird, sei es innerhalb der herrschenden Gruppe alleine oder innerhalb der Bürger. Gibt es diesen Raum [.....] nicht mehr, dann verschwindet das Politische: die Gemeinschaft löst sich entweder auf, oder – das ist der andere extreme und zugleich unmögliche Fall – sie kennt keine unterschiedlichen Interessen mehr. In beiden Fällen endet die Politik.“
  3. Daraus ergab sich das latente Gefühl von individueller Bedeutung, weil man als potentieller Kritiker trotz oder gerade wegen des Untertanenstatus für die SED-Hierarchie wichtig sein konnte, auch wenn man sich stets unauffällig verhielt. Das erklärt das jetzt vielfach festzustellende Gefühl des ehemaligen DDR-Bürgers, bedeutungslos zu sein: denn er kann in politischer Hinsicht nun nahezu alles tun, nur interessiert das keinen, d. h. keine beobachtende Obrigkeit, mehr.