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Wahlperiode 13, Band IV/1, Seiten 20 und 21
20
Protokoll der 6. Sitzung

Parteiapparat selbst. Die Information hebt hervor, daß 47,5 Prozent der 1. und
2. Sekretäre der Kreisleitungen der SED ehemalige Funktionäre der FDJ wa-
ren. Mäßig fiel mit 528 (11,9 Prozent) der Frauenanteil aus. Über allen hing
die Zuchtrute der Abberufung aus dem erlesenen Kreis. In dem Zeitraum von
1981 bis 1986 hatte es 166 Nomenklaturkader ereilt, 43 wegen „unparteilichen
Verhaltens“, 123 „wurden den Anforderungen in der Leitungstätigkeit nicht
gerecht.“

Eine weitere Frage, zu der ich mich noch abschließend äußern möchte, ist die
nach den Ergänzungsquellen des Nomenklatursystems: Wie kam man da hin-
ein, wie wurde man Nomenklaturkader? Die Antwort darauf ist in sogenannten
Kaderprogrammen zu finden, die angepaßt an den Planungsrhythmus der
Volkswirtschaft nach Fünfjahrplänen und Jahresplänen aufgebaut waren. Diese
Planwirtschaft mit Menschen überließ nichts dem Zufall, auch hier gab es fe-
ste, unumstößliche Regeln.

Exemplarisch eingesehene Kaderprogramme zeigen, daß diese vorrangig die
Entwicklung von vier Kategorien von Kadern regelten:

  1. Nomenklaturkader,
  2. Reservekader,
  3. Nachwuchskader,
  4. Kader für den Auslandseinsatz.

Die Eignungskriterien, die für besonders wichtig gehalten wurden, sind bereits
bekannt:

  1. Nach Möglichkeit Mitgliedschaft in der SED;
  2. Entstammen aus in „erster beruflicher Tätigkeit“ der Arbeiterklasse;
  3. Besuch von Parteibildungseinrichtungen, in Verbindung mit „fachlicher
    Qualifikation mit Hochschulabschluß und mit Fachschulabschluß“;
  4. Altersstruktur und Frauenanteil.

„Kader für den Auslandseinsatz“ oder „Reisekader“ sind ein durch die Mauer
bedingter Sonderfall, der natürlich in der Kaderpolitik berücksichtigt werden
mußte, zum Nomenklatursystem aber in keiner direkten Beziehung stand. Na-
türlich konnte man als Nomenklaturkader „Reisekader“ werden, ein „Reiseka-
der“ mußte aber nicht Nomenklaturkader sein.

Die unterste Stufe der Ergänzung des Nomenklatursystems waren die „Nach-
wuchskader“, die über eine „langfristige und sorgfältige Auswahl und planmä-
ßige Entwicklung“ herangezogen wurden. In einem Kaderprogramm werden
Anforderungen definiert: Sie sollten sich „in gesellschaftlichen Funktionen,
besonders in der FDJ“, bewährt haben, Mitglied der SED sein bzw. werden, zu
60 Prozent in zuerst ausgeübter Tätigkeit Arbeiter, zu 40 Prozent junge Frauen
und Mädchen, zu 50 Prozent unter 25 Jahre alt sein.

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Die Kaderpolitik der SED an Schulen und Hochschulen

Das Sprungbrett zum Nomenklaturkader war aber das Stadium des „Reserve-
kaders“, in welches man sich aus den Reihen der „Nachwuchskader“ hinein-
dienen konnte. Der Sinn der Kaderreserve wurde folgendermaßen beschrieben:
„Die Kaderreserve umfaßt Kader, die zielgerichtet ausgewählt, planmäßig auf
die Übernahme einer höheren Funktion vorbereitet werden und entsprechend
dem Bedarf eingesetzt werden.“ Der Initialzünder war offensichtlich der sich
ergebende Bedarf beim Ersatz von Nomenklaturkadern, die in Rente gingen,
wobei das Erreichen des 60. Lebensjahres das Signal für die Aufstellung eines
Reservekaders war. Die Anforderungen an Reservekader entsprachen denen
für Nomenklaturkader, das heißt Arbeiterklasse, Parteischulbesuch ab ein Jahr,
Hochschulqualifikation usw..

Ich möchte abschließend ein Fazit ziehen:

Das Nomenklatursystem, wie auch die darauf aufgebaute Kaderpolitik, war
eines der entscheidenden Machtmittel der Staatspartei SED. In seiner Enge und
Starrheit war es aber auch ein Systemdefizit. Der Strom des Lebens hat den
Damm des Unveränderlichen schließlich weggerissen. Die erstarrten Struktu-
ren waren nicht mehr integrations- und auch nicht mehr lernfähig. Aus dem
System der Nomenklaturen konnten daher schließlich keine erneuernden Im-
pulse mehr kommen, da sie auch Mittel zur Ausgrenzung von großen Teilen
der Bevölkerung von den führenden Positionen der Gesellschaft waren. Die
Gründe dafür waren vielfältig. Nicht nur Opposition zum System, auch einfach
der Sachverhalt, Verwandte in der Bundesrepublik zu haben, schlossen aus.
Die dem folgende Verkrustung zog Stagnation und Bewegungsunfähigkeit
nach sich, an der das Nomenklatursystem schließlich zugrunde ging.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herr Dr. Wagner, wir danken Ihnen für Ihr
einführendes Referat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt sind wir einge-
stimmt, jetzt wissen wir es, jetzt dürfen wir fragen. Manfred Wilke.

Sv. Prof. Dr. Manfred Wilke: Herr Wagner, ich habe nur eine Frage zur
Rolle des Parteischulsystems. Es ist ja auffällig - vor allen Dingen, wenn man
sich die Gründungsgeneration ansieht -, daß die mehr oder weniger die
Kominternschule besucht hat, und anschließend waren Besuche von Par-
teischulen der KPdSU Pflicht. Also die Frage – welche Rolle diese Par-
teischulungen in der Sowjetunion für die Übernahme von höchsten Nomen-
klaturfunktionen in diesem System gespielt haben und natürlich genauso für
Sicherheit und für die NVA.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Karl Wilhelm Fricke.

Sv. Karl Wilhelm Fricke: Herr Wagner, wenn ich richtig zugehört habe, ha-
ben Sie in Ihren Ausführungen das Ministerium für Staatssicherheit nur einmal
ganz kurz erwähnt. Ich würde das gern vertiefen wollen und fragen, welche
Rolle das Ministerium für Staatssicherheit in der Kaderarbeit gespielt hat. Gab
es Kaderentscheidungen für Positionen in der Staatssicherheit, die dem No-
menklatursystem der SED unterlagen und die ja dann bedeuteten, daß im ge-
wissen Sinne die Strukturen des Ministeriums für Staatssicherheit offengelegt