schließen

Fehler melden / Feedback

Angezeigte SeitenWahlperiode 13, Band IV/1, Seiten 102 und 103 (wp13b4_1_0106)
betrifft 1)
Fehlerart 1)Seiten-Überschrift falsch
Seiten-Nummer falsch
Seiten-Nummer-Position falsch (rechts/links)
falsches Bild / Bild fehlt
Seite wird nicht angezeigt
Fehler im Text
Formatierung falsch
nicht aufgeführter Fehler / nur Feedback
Ihr Name
Erklärung/Feedback 1)
(nur erforderlich, falls
nicht aufgeführter
Fehler
oder nur Feed­back)
Ihre E-Mail-Adresse 2)
1)  erforderlich
2) für Rückfragen, empfohlen
   
Wahlperiode 13, Band IV/1, Seiten 102 und 103
102
Protokoll der 12. Sitzung

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Meine Damen und Herren, ich möchte Sie
bitten, Platz zu nehmen, damit wir beginnen können. Ganz herzlich möchte ich
Sie alle begrüßen, Sie, die Sie hierher gekommen sind, um uns zuzuhören, die
anwesenden Journalisten, diejenigen, die zu uns gekommen sind, um uns als
den Mitgliedern der Enquete-Kommission mit ihrem Wissen und ihrer Erfah-
rung ein Stück weiterzuhelfen, und auch den Kolleginnen und Kollegen in der
Enquete-Kommission gilt mein Guten-Morgen-Gruß.

Die Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im
Prozeß der deutschen Einheit“ veranstaltet ihre öffentliche Anhörung zum
Thema „Wissenschaft und Bildung in der DDR – politische Instrumentalisie-
rung und ihre Folgen“ in den Räumen einer Institution, die mit ihrer Ge-
schichte beispielhaft für die Brüche zu nehmen ist, die die deutsche Wissen-
schafts- und Bildungslandschaft geprägt haben. Der im Jahre 1700 gegründeten
Akademie ging es immer dann gut, wenn ihren oft weltweit bekannten Mitglie-
dern die Möglichkeit zu unabhängiger Forschung eingeräumt wurde. Tief-
punkte in der Geschichte der Akademie, deren wechselnde Namensbezeich-
nungen ich hier nicht aufzuzählen brauche, waren jene Epochen, in denen
totalitäre Diktaturen tief in deren innerstes Leben eingriffen. Die erste totalitäre
Diktatur in Deutschland vertrieb zahlreiche international anerkannte Akade-
miemitglieder aus dem Land und blieb ständig darum bemüht, die Akademie in
die politischen Ziele und Strukturen der nationalsozialistischen Herrschaft
einzubinden.

Als die SMAD am 1. Juni 1946, dem 300. Geburtstag von Gottfried Wilhelm
Leibniz, die „Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin“ wiedereröff-
nete, knüpfte man bewußt an das große preußische Vorbild an. Bereits 1949
begann dann allerdings eine Entwicklung, die die Akademie nach sowjeti-
schem Vorbild zur „sozialistischen Forschungsakademie“ umgestalten sollte.
Seit 1951 unmittelbar dem DDR-Ministerrat unterstellt, verlief dieser Umge-
staltungsprozeß kontinuierlich weiter, der die Forschungs- und Meinungsfrei-
heit innerhalb der Akademie beendete und erneut zum Ausschluß politisch
mißliebiger Mitglieder führte. Daß es trotzdem in der DDR-Akademie auch
zahlreiche wissenschaftliche Höchstleistungen, die Fortführung großer For-
schungsvorhaben und immer wieder auch Beweise kollegialer Solidarität
gegeben hat, darf allerdings hier nicht unerwähnt bleiben. Die ideologische
Ausrichtung auf die Beschlüsse von SED-Führung und DDR-Regierung wurde
nach dem VIII. Parteitag der SED 1971/72 auch äußerlich durch die Umbenen-
nung in „Akademie der Wissenschaften der Deutschen Demokratischen Repu-
blik“ deutlich kenntlich gemacht. Das letzte Statut von 1984 definierte als
Aufgabe der Akademie die „Verantwortung für den Fortschritt der Wissen-
schaft in Theorie und Praxis und die Anwendung der wissenschaftlichen Er-
kenntnisse für die gesellschaftliche Entwicklung der DDR“.

Durch den Einigungsvertrag 1990 wurde ein Neubeginn der traditionsreichen
Forschungseinrichtung eingeleitet, der mit dem Staatsvertrag zwischen den

103
Instrumentalisierung von Wissenschaft/ Bildung

Ländern Berlin und Brandenburg zur Gründung der „Berlin-Brandenbur-
gischen Akademie der Wissenschaften“ weitergeführt wurde. Ich danke deren
Leitung dafür, daß wir heute hier Gast sein dürfen.

In unserer heutigen Anhörung steht nun aber nicht die Berlin-Brandenbur-
gische Akademie im Mittelpunkt des Interesses, sondern der Bereich von
Wissenschaft und Bildung ganz allgemein. Die Enquete-Kommission interes-
siert sich dabei besonders für die politische Instrumentalisierung dieser Berei-
che in der DDR durch die SED-Führung und deren Folgen bis heute. Ich danke
den sachkundigen Gästen, die sich von uns einladen ließen. Wir werden uns
mit unserem Thema nur ausschnitthaft beschäftigen können. Wissenschaft und
Bildung sind gewiß mehr als Schule und Hochschule. Hier müßte beispielswei-
se auch über die berufliche Ausbildung, die unterschiedlichen Formen der
Weiter- und Erwachsenenbildung, die politische Bildungsarbeit und die Tätig-
keit von wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen außerhalb der Universi-
täten gesprochen werden. Aber unsere Enquete-Kommission hat es gelernt, den
Mut zur Lücke zu praktizieren. Außerdem bieten die Fragerunden und die
Fachkompetenz unserer Gäste gewiß Gelegenheit dazu, den Horizont der durch
die Tagesordnung vorgegebenen Themen noch auszuweiten.

Heute sind auch im Blick auf Wissenschaft und Bildung in den neuen Bundes-
ländern eher Klagen über Finanzierungslücken, das Weiterwirken alter Seil-
schaften, Standortnachteile und mannigfache andere Schwierigkeiten als die
Anerkennung des schon Erreichten zu hören. Wir werden darüber nachher
noch sehr genau sprechen müssen. In der Vorbereitung zu dieser Veranstaltung
habe ich versucht, mir ein Bild davon zu verschaffen, was bisher tatsächlich
geleistet wurde. Und ich muß sagen, trotz aller noch immer zu registrierenden
Unzulänglichkeiten haben wir keinen Anlaß dazu, das bisher Erreichte gering-
zuschätzen. Der Bund, die Länder und unzählige Menschen in den neuen, aber
auch viele in den alten Bundesländern haben hier intensiv und erfolgreich
zusammengearbeitet.

Ich nenne thesenartig nur einige Fakten, die mir besonders erwähnenswert zu
sein scheinen: Wissenschaft und Bildung waren in der DDR zentral organisiert,
dem „sozialistischen Erziehungsauftrag“ verpflichtet und einer vollständigen
ideologischen Kontrolle unterworfen. Der Anteil der Abiturienten an einem
Altersjahrgang erreichte in der DDR der achtziger Jahre rund 13,5 Prozent und
betrug damit nur die Hälfte der in der Bundesrepublik zur gleichen Zeit übli-
chen Quote. Die föderale Organisation von Wissenschaft und Bildung auf der
Grundlage eines weltanschaulichen und gesellschaftlichen Pluralismus ist
heute – und damit in einem sehr kurzen historischen Zeitraum – in den neuen
Bundesländern weitgehend abgeschlossen. Zu Beginn des Schuljahres 1990
wurden den neuen Bundesländern rund 2,5 Millionen Schulbücher im Wert
von mehr als 60 Mio. DM zur Verfügung gestellt. Der Erneuerungsbedarf
allein im Bereich der Schulen (Gebäude und Einrichtungen) wurde von der
Kultusministerkonferenz auf nicht weniger als 18 Mrd. DM geschätzt. Solche