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Wahlperiode 13, Band IV/1, Seiten 138 und 139
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Protokoll der 12. Sitzung

Humboldt-Universität waren (Heiterkeit), aber es ist klar, worum es da geht: Es
gab einen obligatorischen Bestandteil, und der wurde einfach erledigt, abge-
hakt. Das besagt noch nichts, weder in der einen noch in der anderen Richtung.
Es ist auch sehr viel davon hängen und wirksam geblieben. Darauf hat ja der
Apparat mit seiner Propaganda immer gesetzt, daß etwas hängen bleibt.

Das zweite – die Erziehung zum Citoyen: Ich gebe Ihren Bedenken recht. Ich
glaube, das ist weitgehend eine Frage der Vorführung und der Haltung, also der
gelebte Respekt eines Lehrers auch vor andersdenkenden Schülern. Das ist das,
was ich bei Lehrern erlebt habe – ich nehme an, Bernd-Reiner Fischer wird
darüber etwas sagen –, das ist viel wirkungsvoller als irgendein abstrakt ver-
mitteltes Wissen in dieser Frage; das muß gelebt werden. Es ist natürlich
ungeheuer kompliziert, das von den Lehrern zu verlangen – ich will jetzt nicht
zitieren, was Biermann über die Lehrer in der DDR gesungen hat. Wo soll es
herkommen? Wie soll das Verhalten eines Citoyen vermittelt werden von
Leuten, die es selbst nur zum geringen Teil sind? Das ist nun die Frage nach
der Erziehung der Erzieher – da bin ich auch etwas ratlos, wie man das be-
werkstelligen soll, wobei ich hier nicht unbedingt behaupten will, daß die
West-Berliner Lehrer – ich habe eine Tochter in West-Berlin in der Schule –
nun die prinzipiellen Unterschiede in dieser Frage repräsentieren.

Eine Frage, die ich wirklich nicht beantworten kann, ist die, ob die Erbeaneig-
nung die DDR stabilisiert hat. Das kann ich wirklich nicht sagen. Erstens ist
dazu noch eine erhebliche Forschung notwendig, die untersucht, was davon
wirklich rezipiert worden ist und in welchem Sinne. Das hat etwas mit der
Frage der Formelaneignung zu tun, da wissen wir einfach noch zuwenig dar-
über. Es gibt einen Punkt, der mir damals wirklich sehr aufgestoßen war, das
war der explizite Rekurs von SED-Funktionären auf die preußischen Sekun-
därtugenden, also auf das Hochhalten von Disziplin, Leistung, Ordnungssinn –
die Schulen waren ein Ausdruck davon. Herr Eppelmann könnte da sicher über
die NVA einiges erzählen, auch über die Mühelosigkeit, so einen Apparat zu
transportieren, das hat ja etwas mit dem preußischen Untertanen zu tun, der da
existierte, in allen Poren funktionierte. Das machte natürlich einige Vorgänge
1989/90 bedeutend einfacher – das muß ich mal anmerken.

Die letzte Bemerkung – Wissenschaft und Kritik: Ich würde mich Ihnen da
völlig anschließen. Gerade was die Historiker betrifft, sind Wissenschaft und
Kritik in Deutschland nicht unbedingt Zwillingsbrüder. Die Historiker sind das
vielleicht ungünstigste Beispiel, und daß Historiker das kritische Potential
gegenüber der Obrigkeit werden, das ist im akademischen Betrieb der deut-
schen Historiographie vielleicht erst ein Ergebnis der sechziger Jahre. Das ist
arg zugespitzt, aber Sie verstehen den Trend, den ich da beschreibe, und inso-
fern ist die DDR vielleicht viel weniger die Ausnahme in ihrer Entwicklung als
die Bundesrepublik.

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Instrumentalisierung von Wissenschaft/ Bildung

Gesprächsleiter Prof. Dr. Rainer Ortleb: Danke, Herr Dr. Florath. Ich danke
den Vortragenden und den Fragestellern. Wir sind damit am Ende dieses Ab-
schnitts.

Pause von 12.30 bis 13.05 Uhr.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Wir hören als ersten jetzt Herrn Professor
Neidhardt aus Berlin. Da ich weiß, daß nicht jeder von Ihnen seine biographi-
schen Daten hat, lassen Sie mich folgendes sagen: Geboren 1934, Promotion
1962, Habilitation 1968, zunächst Ordentlicher Professor in Hamburg und in
Köln am Institut für Soziologie der dortigen Universität. Interessant für uns –
und deswegen wohl auch eingeladen: ab 1988 Direktor im Wissenschaftszen-
trum in Berlin und seit 1994 Präsident des Wissenschaftszentrums für Sozial-
forschung. Ich bitte Sie jetzt um Ihren Einführungsvortrag, Herr Professor
Neidhardt.

Prof. Dr. Friedhelm Neidhardt: Danke schön, Herr Eppelmann. Mein The-
ma: Evaluierung und Erneuerung – die Umwandlung der DDR-Hochschulen
im deutschen Einigungsprozeß:

Das Hochschulsystem der DDR war Bestandteil des politischen und ideologi-
schen Systems der SED und ist mit diesem gescheitert. Zur Konkursmasse
gehörten neben 45 Fach- und Spezialhochschulen neun Universitäten. Es gab
zwingende Gründe, diesen Bestand entweder aufzulösen oder gründlich zu
sanieren; der status quo ante war nicht haltbar. Handlungsbedarf ergab sich aus
mindestens drei Gründen:

  1. Die Zerstörung der Hochschulautonomie und eine weitgehende ideologische
    Steuerung universitärer Rekrutierungs-, Lehr-, Forschungs- und Verwal-
    tungsprozesse beschädigten in der DDR die wissenschaftliche Qualität wei-
    ter Bereiche der Hochschularbeit. Sie beschädigten auch die persönliche
    Integrität eines nicht geringen Teils der Hochschullehrer und Hochschul-
    verwalter.
  2. Forschung und Ausbildung waren planwirtschaftlich eng an die spezifischen
    Praxisbedürfnisse sozialistischer Ökonomie und Verwaltung gebunden. Der
    Zusammenbruch des Regimes und seiner Institutionen machte die auf deren
    Sonderprobleme bezogenen Orientierungsgrößen für Forschung und Lehre
    obsolet.
  3. Die starke Konzentration der Forschung in den außeruniversitär plazierten
    Akademien der Wissenschaften beeinträchtigte die wissenschaftliche Ei-
    genproduktion der Hochschulen.

All dies erzwang nach der Wende radikale Eingriffe in das bestehende Hoch-
schulsystem. Die DDR-Umstände hatten allerdings sowohl die wissenschaftli-
che Qualität der verschiedenen Fakultäten und Disziplinen als auch die persön-
liche Integrität ihrer Mitglieder in unterschiedlichem Maße belastet. Je weniger
ideologisierbar die Wissenschaftssubstanz der Fakultäten, je weniger regime-