schließen

Fehler melden / Feedback

Angezeigte SeitenWahlperiode 13, Band VI, Seiten 148 und 149 (wp13b6_0153)
betrifft 1)
Fehlerart 1)Seiten-Überschrift falsch
Seiten-Nummer falsch
Seiten-Nummer-Position falsch (rechts/links)
falsches Bild / Bild fehlt
Seite wird nicht angezeigt
Fehler im Text
Formatierung falsch
nicht aufgeführter Fehler / nur Feedback
Ihr Name
Erklärung/Feedback 1)
(nur erforderlich, falls
nicht aufgeführter
Fehler
oder nur Feed­back)
Ihre E-Mail-Adresse 2)
1)  erforderlich
2) für Rückfragen, empfohlen
   
Wahlperiode 13, Band VI, Seiten 148 und 149
148
Protokoll der 44. Sitzung

daß Sie aus Ihren Parteidokumenten zitiert haben, daß Aufarbeitung bei einer
Partei, die sich neu definierte, höchst defizitär ist zur Zeit. Ich bin sehr dank-
bar, daß nicht immer nur ich das sage, sondern das Sie das sagen.

Ich muß noch zu Frau Gleicke etwas sagen, obwohl ich gar nicht angesprochen
bin. Frau Gleicke, ich weite das aus, was Sie wollen. Ich finde das eine sehr
interessante Frage, wer finanziert in Deutschland was. Und wir fragen ja bei
dem, was sich diese Kommission zum Thema gesetzt hat: Wie sichern wir für
die Bewußtmachung der Werte und Inhalte der Demokratie die Erfahrungen,
die wir in der Vergangenheit gemacht haben? Und dann ist es eben wichtig,
daß wir begreifen: zur demokratischen Erinnerungskultur gehört das Wissen.
Und die Demokratiegeschichte der ganzen Nation wurde auch im Osten ge-
schrieben und darum müssen Bund und Länder das als einen nationalen Iden-
titätsgewinn sehen. Es ist ein nationaler Gewinn, daß wir im Osten alle Frei-
heitstraditionen erneuert haben, die nur sehr spärlich 1848 in Südwestdeutsch-
land usw. geflossen sind. Es gibt authentische Verbindungen des deutschen
revolutionären Südwestens des vorigen Jahrhunderts zu den Revolutionären,
die es noch nicht sein konnten, aber gerne wollten, vom 17. Juni 1953 und de-
nen von 1989. Das gehört in die gesamtdeutsche Freiheits- und Demokratietra-
dition hinein und darum können nicht ein paar Kommunen an der Grenze oder
diese verarmten östlichen Bundesländer dies alleine tun. Sondern es müssen
die, denen die Traditionsbildung der freiheitlichen Demokratie am Herzen
liegt, hier eine gemeinsame kulturelle Aufgabe erblicken. Das wollte ich noch
einmal sagen.

Vorsitzender Siegfried Vergin: Ich danke Ihnen beiden, daß Sie, ich glaube
einen sehr, sehr nachdenklich machenden, aber auch wegweisenden, beden-
kenswert erscheinenden Vormittag mitgestaltet haben, der für die Berichter-
stattergruppe Gedenkstätten der Kommission wichtige Hinweise gegeben hat.
Zum Verfahren selbst will ich nur Sie beide darüber informieren: wir werden
nun, nachdem wir heute die letzte öffentliche Anhörung für die Gedenkstätten
haben, an die Hausarbeiten im Stillen gehen, um dann einen Bericht über die-
ses Thema der demokratischen Erinnerungskultur und die Stellung der Ge-
denkstätten zu erarbeiten, zu formulieren – hoffentlich in großer Übereinstim-
mung. Es gibt nur ein Thema, das diese Übereinstimmung immer wieder in
Gefahr bringt und das ist die Finanzierung. Da werden wir auf einmal dann
Opposition und Koalition; für alle, die in der Politik sind, völlig normal. Aber
ich hoffe, daß wir trotzdem einen wichtigen Beitrag zu dem leisten werden,
was heute hier von den Grundsätzen her gesagt wurde. Herzlichen Dank, die
Mittagspause dauert 30 Minuten, länger geht es nicht, und dann gehen wir an
die sehr praktischen Fragen des Nachmittags.

[Unterbrechung der Sitzung]

Vorsitzender Siegfried Vergin: Nun, wir beginnen jetzt mit dem zweiten
großen Block unserer heutigen Anhörung. Ich darf dazu Herrn Professor Rürup
aus Berlin und Herrn Professor Dr. Schäfer aus Bonn begrüßen, die uns ein-
führen werden in die Grundlagen zur praktischen Arbeit, die dann im dritten

149
Demokratische Erinnerungskultur

Teil behandelt wird. Die Diskussion wird Herr Professor Bernd Faulenbach
leiten. Ich darf Sie bitten, Herr Professor Rürup, zu beginnen. Ab jetzt bin ich
schweigsam, und Herr Professor Faulenbach wird alles Weitere machen.

Prof. Dr. Reinhard Rürup: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, es
ist in der Bundesrepublik heute erfreulicherweise unstrittig, daß die politische
Kultur einer demokratischen Gesellschaft auf ihre historische Dimension nicht
verzichten kann. Das gilt ebenso für die negativen wie für die positiven
Aspekte der gemeinsamen Geschichte. Es gilt einerseits, das reiche Erbe unse-
rer Geschichte zu bewahren und insbesondere die menschenfreundlichen und
freiheitsliebenden Traditionen zu sichern. Und es geht andererseits darum, die
Erinnerung an Fehlentwicklungen und Katastrophen, an Leid und Terror
wachzuhalten, um möglichen Rückfällen, aber auch einer naiven Selbstge-
rechtigkeit der Spätergeborenen vorzubeugen. Je größer das Tempo des techni-
schen Fortschritts und der mit ihm verbundenen wirtschaftlichen und sozialen
Veränderungen unserer sozialen Lebenswelten ist, desto bedeutsamer wird die
Geschichte als ein Gegengewicht und als ein mögliches Korrektiv allzu zu-
kunftsgläubiger Beschleunigungen. Die gesellschaftliche Bedeutung der Ge-
schichte wird daher auf absehbare Zeit mit Sicherheit nicht ab- sondern zu-
nehmen. Im vereinigten Deutschland kommt hinzu, daß die kritische Ausein-
andersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit seit 1990 an Ge-
wicht gewonnen und nicht verloren hat. Die Bundesrepublik würde innen- wie
außenpolitisch einen großen Fehler machen, wenn sie diese Auseinanderset-
zung nicht geradezu demonstrativ fördern würde, wie es ja auch bei einem Teil
der KZ-Gedenkstätten, dem Denkmal für die ermordeten Juden und einigen
anderen Einrichtungen bereits geschieht.

Ähnliches gilt für die unverzichtbare Auseinandersetzung mit dem Erbe der
SED-Herrschaft bzw. der kommunistischen Herrschaft in einem Teil Deutsch-
lands seit 1945. Hier geht es natürlich in erster Linie um Berlin und die neuen
Bundesländer, doch handelt es sich ohne Zweifel um eine nationale Aufgabe
und nicht um eine regionale Angelegenheit. Ohne die sorgfältige Aufarbeitung
auch dieser Geschichte würde der politischen Kultur der Bundesrepublik ein
wichtiger Teil ihres Fundaments fehlen. Man mag es deshalb wenden wie man
will, unsere demokratische Ordnung braucht Geschichte, und sie braucht nicht
zuletzt die mahnende Erinnerung an die Tiefpunkte dieser Geschichte.

Ein zweiter Punkt: Die Erinnerungskultur einer Gesellschaft kennt viele Aus-
drucksformen, die Literatur, die bildenden Künste oder die auf historische Er-
eignisse bezogenen Veranstaltungen und Feste. Vor nicht langer Zeit waren
auch noch volkstümliche Lieder oder historische Balladen wichtig. Vieles ent-
steht spontan, über anderes wird in unterschiedlich geregelten Verfahren ent-
schieden. Ausstellungen und Museen haben seit langem Konjunktur, und die
ständig wachsende Anzahl von Besuchern zeigt, daß dieses Angebot auf ein
breites Interesse stößt. Die Zahl der Gedenkstätten und zeitgeschichtlichen
Erinnerungsorte hat sich in den letzten 15 bis 20 Jahren erheblich vermehrt.
Und die Diskussionen über Denkmäler oder über die Benennung oder Umbe-