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Wahlperiode 13, Band VI, Seiten 1406 und 1407
 

Markus Wehner

Erfahrungen bei der Arbeit in russischen Archiven

 

1.Vorbemerkung
2.Allgemeine Darstellung und Einschätzung der Entwicklung
2.1.Zur Entwicklung 1991 – 1996
2.2.Schwierigkeiten des Zugangs
2.3.Die prekäre Finanzsituation
3.Die besuchten Archive – Zugang, Nutzung, Bestände
3.1.Russisches Zentrum – ehemaliges Zentrales Parteiarchiv
3.2.Staatsarchiv der Russischen Föderation
3.3.Russisches Staatliches Archiv der Ökonomie
3.4.Archiv des FSB – ehemaliges Zentrales KGB-Archiv
3.5.Unzugängliche Archive
4.Bestehende Kontakte und institutionelle Beziehungen
5.Sonderproblem Rehabilitierungen
6.Empfehlungen für die weitere Arbeit in/und die Zusammenarbeit mit
den Archiven
Zusammenfassung
Anhang: Die föderalen Archive und Dokumentationszentren Rußlands


1. Vorbemerkung

Der folgende Beitrag beruht auf den Arbeitserfahrungen des Autors in mehre-
ren Moskauer Archiven zwischen dem Sommer 1991 und 1995 mit einer Ge-
samtdauer von 14 Monaten. Der längste, zehnmonatige Forschungsaufenthalt
dauerte vom Oktober 1992 bis zum Juli 1993. Neben den eigenen Beobach-
tungen sind Informationen aus Gesprächen mit Fachkollegen, Archiv-
angestellten sowie Interviews mit den Leitern bzw. Abteilungsleitern der Ar-
chive eingeflossen. Daneben wurden russische und westliche Publikationen zur
Situation der russischen Archive und Archivführer ausgewertet.

1407
Erfahrungen in russischen Archiven

2. Allgemeine Darstellung und Einschätzung der Entwicklung


2.1. Zur Entwicklung 1991 – 1996

In Sowjetzeiten waren die Archive für westliche Forscher so gut wie ver-
schlossen; allenfalls drittrangige Materialien wurden ausgehändigt. Erst ab
1989 durften die ersten westlichen Forscher in den Archiven arbeiten. Die ei-
gentliche Öffnung der Archive begann mit dem Ende des Kommunismus im
Jahre 1991. Am 24. August 1991, wenige Tage nach dem gescheiterten Putsch
der Moskauer Altkommunisten, erließ Rußlands Präsident Boris Jelzin ein
Dekret, kraft dessen er die Archive der KPdSU und des KGB der russischen
Regierung unterstellte. Vor russischen wie ausländischen Forschern eröffneten
sich nun Arbeitsperspektiven, von denen sie früher nicht zu träumen wagten.1

Das zentralisierte sowjetische Archivsystem wurde seitdem grundlegend re-
formiert: Die alte Archivverwaltung GLAVARCHIV wurde nach dem Ende
der Sowjetunion durch ROSKOMARCHIV, das Komitee für Archivange-
legenheiten bei der Regierung der Russischen Föderation, ersetzt. Seit Dezem-
ber 1992 nennt sich die Institution ROSARCHIV, ein Kürzel, das für „Staatli-
cher Archivdienst der Russischen Föderation“ steht.2 Der Behörde unterstehen
alle etwa 2.200 staatlichen Archive Rußlands3 mit Ausnahme der Militärar-
chive, des Archivs des Außenministeriums und des Präsidenten-Archivs im
Kreml. Der Kampf um die Bewilligung staatlicher Mittel, die Suche nach
westlichen Partnern und die grundlegende Neuorganisation des russischen Ar-
chivwesens waren die wichtigsten Arbeitsfelder von ROSARCHIV. Das im
Herbst 1991 eingebrachte Archivgesetz, das den Archivbetrieb verbindlich re-
geln sollte, wurde nach mehreren Anläufen im Juli 1993 vom Obersten Sowjet
Rußlands verabschiedet. Die rechtliche Gleichstellung von ausländischen und
russischen Forschern, die Freigabe von Dokumenten nach Ablauf von
30 Jahren und eine Sperrfrist für personenbezogene Akten von 75 Jahren wur-
den darin festgelegt. Allerdings haben Archivleiter kritisiert, daß das Gesetz
allenfalls ein „Manifest“ sei, entscheidende Fragen hingegen nicht regle. Die
Situation der Archive in Rußland ist jedenfalls trotz des Archivgesetzes ziem-
lich uneinheitlich. Die folgenden Einschätzungen sind daher nicht ohne
weiteres auf alle russischen Archive übertragbar.

Die für die Benutzer beste Zeit in den beschriebenen Archiven waren die Jahre
1992 und 1993. Die neuen, liberal gesinnten Archivdirektoren, die im Laufe
des Jahres 1992 eingesetzt wurden, konnten weitgehend selbständig über die
Herausgabe von Dokumenten entscheiden. Sie taten dies häufig zum Nutzen
der Forschenden. Die ersten Ergebnisse der freizügigen Forschungsmög-

 

  1. Zur Situation der sowjetischen bzw. russischen Archive bis Ende 1991 vgl. den Aufsatz von Patricia Kennedy Grimsted: Beyond Perestroika: Soviet-Area Archives after the August Coup. In: American Archivist, Vol. 55, Number 1 (Winter 1992), S. 94-122.
  2. Die Satzung von ROSARCHIV ist abgedruckt in „Otevčestvennye Archivy“ (weiterhin: OA), 1993/2, S. 3-7.
  3. Die Zahl bezieht sich auf den 1.9.1992. Siehe R. G. Pichoja: Sovremennoe sostojanie archivov Rossii. In: Novaja i novejšjaja istorija 1993/2, S. 3-10.