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Wahlperiode 13, Band VII, Seiten 116 und 117
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Protokoll der 48. Sitzung
  1. ist die DDR-Oppositionsgeschichte in die demokratischen Traditionen der
    deutschen Geschichte einzuordnen, in die Geschichte, die vom Vormärz bis
    zum NS-Widerstand reicht.
  2. Innerhalb der DDR-Oppositionsgeschichte sind stärker Fragestellungen zu
    thematisieren, die nach generationellen Prägungen, nach sozialen Herkünf-
    ten, nach prägenden individuellen und kollektiven Grundsatzerfahrungen,
    nach ideellen Leitmustern, nach regionalen Unterschieden usw. fragen. Die
    DDR-Opposition ist als Monolith aufzulösen, weil es diesen Monolithen
    niemals gab. DDR-Opposition als einheitliche Größe ist eine Fiktion ihrer
    Gegner. Eine Fiktion, die heute als Legende zu überdauern scheint und die
    über solide Forschung ihrer Grundlage beraubt werden sollte.
  3. Ein wichtiges zu erforschendes Themenfeld stellen die konkreten Zielvor-
    stellungen der Oppositionellen dar. Dazu ist es notwendig, die Texte zu de-
    codieren und sie als historische zu begreifen, deren Inhalte oftmals in einem
    anderen Kontext stehen, als es dem heutigen Leser auf den ersten Blick er-
    scheinen will. Dieser Punkt ist deshalb eminent, um dem immer wieder
    vorgetragenen Vorwurf, „die“ DDR-Opposition wäre am Erhalt des Sozia-
    lismus oder der DDR interessiert gewesen, stichhaltig und differenziert ent-
    gegenzutreten.
  4. Schließlich ist die gesamte DDR-Oppositions- und Widerstandgeschichte
    nicht nur in den Kontext der DDR und der realen Kommunismusgeschichte
    einzuordnen, sondern ebenso sind die außen- und deutschlandpolitischen
    Einflüsse herauszuarbeiten. Oppositionsgeschichte spielte sich nicht im
    luftleeren Raum ab, sondern war von diesen Einflüssen genauso geprägt
    wie die vermeintlich hohe Politik. Dazu zählt auch, daß die sich wandelnde
    Einstellung der bundesdeutschen Politik, der bundesdeutschen Parteien und
    Verbände zur DDR und zur Opposition in der DDR intensiv erforscht und
    dargestellt werden müssen. Solche Forschungen sollten gerade im Mittel-
    punkt der Bemühungen stehen, die ost- und westdeutsche Teilungsge-
    schichte stärker zu synthetisieren, stärker miteinander zu verzahnen.
  5. Schließlich komme ich noch zu dem Punkt, der mir ganz beiläufig ange-
    hängt wurde – die Geschichte der Repression. Ich will mich nun nicht lange
    bei der Frage aufhalten, was war eigentlich Repression oder noch besser,
    was eigentlich nicht zur Repression in der DDR zählt. Wenn man darunter
    alles versteht, was einem abverlangt wurde, was man aber nicht wollte,
    wenn man zu etwas gezwungen wurde, wenn der eigene Wille nicht zählte
    bzw. die Durchsetzung des eigenen Willens Sanktionen zur Folge hatte,
    dann könnte man sich auf die einfache und simple Formel einigen, es gab
    nichts, was nicht auch repressiv angewandt werden konnte. Die Mauer war
    insofern nur der manifeste Ausdruck eines umfassenden Kontroll-, Steue-
    rungs-, Disziplinierungs- und Unterdrückungssystems. Nun haben dies frei-
    lich viele Zeitgenossen so nicht aufgefaßt, was aber wiederum den Histori-
    ker nicht daran hindern sollte, gegen die lebensgeschichtlichen Erfahrungen
    zu bürsten. Denn nur weil viele Menschen eine Diktatur nicht als solche
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Forschung zur DDR-Geschichte
  1. wahrnehmen, wird sie ja nicht weniger Diktatur. Und wenn man sich darauf
    einigen kann, daß die SED-Diktatur vom Anspruch her im hohen Maße ein
    Erziehungsdiktatur darstellte, dann wird man sich auch darauf einigen kön-
    nen, daß eine Erziehungsdiktatur nur nach dem simplen Modell von Lob
    und Tadel, von Integration und Ausgrenzung, von Beförderung und Repres-
    sion funktionieren kann. Insofern steht die gesamte Historische DDR-For-
    schung vor der Aufgabe, die DDR-Gesellschaft als ein Modell zu analysie-
    ren, in dem rascher politischer und sozialer Aufstieg ebenso möglich war
    wie der lautlose Fall ins Unendliche. Bislang ist der Repressionscharakter
    der SED-Diktatur vor allem am Justizwesen, am MfS und an ähnlichen In-
    stitutionen erforscht worden. Die lautlose Repression aber, die an den
    Schulen, an den Universitäten, in der Berufsausbildung und Weiterbildung,
    in der Armee usw. tagtäglich stattfand, ist bislang viel zu wenig thematisiert
    worden. Wenn heute Sozialwissenschaftler und Historiker vor allem den
    Grenzen der Diktatur nachspüren wollen, so darf dies nicht zu einem Bild
    führen, das eine Idylle hinter Stacheldraht heraufbeschwört, die es nicht
    gab. Opposition und Widerstand sind im engen Wechselverhältnis mit Re-
    pression zu erforschen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß beide Phänomene
    nicht einander bedingten. Es ist zu analysieren, warum aus den umfassen-
    den Repressionen des Systems keine adäquate Oppositionsbewegung ent-
    stand, warum die SED stets gegen die Mehrheit des Volkes regierte, sich
    aber immer nur eine Minderheit offen gegen die SED artikulierte und auf-
    lehnte.

Opposition und Widerstand in der DDR, in der Diktatur, haben historisch er-
wiesen, daß es sich stets lohnt, die geistige Freiheit gegen jeden totalitären
Verführungsanspruch zu verteidigen. Wenn die Beschäftigung mit Geschichte
nicht zum Selbstzweck verkommen soll, sondern Geschichte als humanitäre
Bildungsmacht in die Gegenwart und Zukunft ausstrahlen soll, dann gehört die
Geschichte von Opposition und Widerstand in der DDR nicht nur zu dem be-
sten, was die neuere deutsche Geschichte hervorgebracht hat, sondern dann
gehört sie auch als eines der wichtigsten Lehrthemen in die Lehrbücher an den
Schulen und in die Lehr- und Forschungsprogramme an den Universitäten. Ich
hoffe sehr, daß ich dies schon in den Schulbüchern meines Sohnes, der im Jah-
re 2000 eingeschult wird, widergespiegelt finde. Vielen Dank.

Gesprächsleiter Prof. Dr. Peter Maser: Herzlichen Dank. Ob diese Hoff-
nung, die zum Schluß ausgesprochen wurde, sich tatsächlich erfüllen wird, ist
vielleicht auch Gegenstand der Diskussion, die wir jetzt zu führen haben. Ich
habe bisher als erste Meldungen die von Ihrem Kollegen Jacobsen, dann von
Herrn Kollegen Wilke, danach Kollege Hilsberg und Kollege Mocek. Herr Ja-
cobsen bitte.

Sv. Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Adolf Jacobsen: Eine Frage an Herrn Weber und
eine an Herrn Kowalczuk. Herr Weber: wichtig für uns wäre im weiteren Ver-
lauf von Ihnen noch einmal dezidiert zu hören, welche Desiderata Sie für so
wesentlich halten, daß sie in unsere Empfehlungen aufgenommen werden