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Spezialisten. Man blieb sozusagen unter sich. Daraus resultieren zu einem gro-
ßen Teil die Probleme heute, diese wissenschaftsgeschichtlich auch dringend
notwendige Zusammenführung zustande zu bringen. Hier gibt es einen erheb-
lichen Nachholbedarf, und die West- und Mitteleuropäer müssen sich nach
dem Ende des Ost-West-Konflikts daran gewöhnen, daß Osteuropa ein we-
sentlicher Bestandteil Europas ist. Die gegenwärtige Konjunktur der DDR-
Forschung wird auf absehbarer Zeit nachlassen. Ihre Verbindung mit der ver-
gleichenden Osteuropaforschung und auch mit einer umfassender konzipierten
Deutschlandforschung kann dem vielleicht entgegenwirken und ist um so
dringlicher.
Damit komme ich zu dem zweiten und letzten Punkt, der nämlich auf Proble-
me und künftige Perspektiven der zeithistorischen DDR-Forschung hinweist.
Ziel einer kritischen Historiographie kann in Zukunft nicht sein, die DDR-Ge-
schichte umstandslos in die gesamtdeutsche Geschichte einzugliedern, die
dann sozusagen teleologisch auf das Datum 1990, die Wiedervereinigung, aus-
gerichtet ist. Das wäre in meinen Augen eine neue Variante von ideologisierter
Geschichtskonstruktion. Ebensowenig läßt sich die eingebürgerte historiogra-
phische Trennung von zwei Staaten weiterführen. Beide Staaten waren, wenn
auch mit unterschiedlichem Gewicht, in ein dreifaches Koordinatensystem
eingefügt. Auch das ist schon angedeutet worden. Einmal in die globale Kon-
stellation des Kalten Krieges, zum anderen waren beide Staaten aber auch ei-
genständige Subjekte von Politik, und ihre Gesellschaften entwickelten eine
eigene Dynamik. Schließlich drittens, und darauf kommt es mir hier an, waren
beide Staaten durch Konfrontation und Kooperation stärker miteinander ver-
flochten als sie lange Zeit wahrhaben wollten. Und diese deutsch-deutsche
Verflechtung und ihre jeweilige Negation des Konkurrenzstaates macht den
stärksten Unterschied der DDR mit den osteuropäischen Staaten aus. Das
deutsch-deutsche Verhältnis blieb stets von einer starken Asymmetrie geprägt,
aber es bestimmte die innere und äußere Geschichte beider Staaten nachdrück-
lich und ich glaube, das Verständnis für diesen Sachverhalt ist nach 1990 er-
heblich gewachsen. Die DDR ist ohne das Magnetfeld der Bundesrepublik
überhaupt nicht verständlich. Umgekehrt, und das wird sehr viel weniger the-
matisiert, wirkten aber auch die Existenz und natürlich die Einflußversuche der
DDR in die Bundesrepublik hinein sehr intensiv auf die innere Entwicklung
der Bundesrepublik. Hier gibt es noch viel an empirischen Einzelthemen auf-
zuarbeiten, was die Kirchen, was die Frauenpolitik, was die Sozialpolitik, aber
auch die Wissenschaftsgeschichte anbelangt. Wie, und damit komme ich zum
Schluß, die historiographische Verbindung beider Teilgeschichten konzeptio-
nell aussehen kann, das scheint noch ziemlich unklar zu sein. Vielleicht kön-
nen wir ja darüber noch einmal diskutieren. Eine neue Nationalgeschichte mit
dem Ziel der Identitätsstiftung halte ich für sehr problematisch. Zunächst ein-
mal ist diese Dialektik von Abgrenzung und Verflechtung empirisch auf unter-
schiedlichen Themenfeldern zu erforschen und da gibt es ja bereits auch einige
sehr ergiebige Beispiele, etwa wenn man an die Praxis der Vergangenheitspo-
litik in beiden Staaten denkt. Fortbestehende Verbindungen, Wechselwirkun-
gen und dezidierte Abgrenzung auf beiden Seiten müssen in einem solchen
Konzept, was weder gesamtdeutsch ist noch der alten Arbeitsteilung folgt,
richtig ausbalanciert und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Damit
bleibt deutsche Nachkriegsgeschichte ein sperriger Gegenstand, aber das
macht vielleicht gerade ihren wissenschaftlichen Reiz und ihre politische Be-
deutung und Problematik aus. Dankeschön.
Gesprächsleiter Prof. Dr. Clemens Burrichter: Schönen Dank, Herr Kleß-
mann. Bitte Armin Mitter.
Dr. Armin Mitter: Meine Damen und Herren, ich bin versucht, den Spruch
von Herrn Kleßmann, also den Letzten, den Vorletzten beißen die Hunde, um-
zudrehen und zu sagen: „Der Letzte beißt und er könnte diejenigen beißen, die
vor ihm ausgeführt haben.“ Also ich möchte das auf keinen Fall tun, aber ich
möchte auch nicht all das wiederholen, was hier an Forschungsprojekten ge-
nannt worden ist. Vielem kann ich mich anschließen. Vielen meiner früheren
oder noch jetzigen Kontrahenten würde ich vorbehaltlos zustimmen, insbeson-
dere dem, was Herr Kleßmann gesagt hat. Nur möchte ich nur am Rande be-
merken, es sollte eben nicht immer nur bei Konzeptionen bleiben, sondern man
sollte dann doch zu den Tatsachen übergehen, diese Dinge dann wirklich auch
initiieren und nicht immer große Forschungsprojekte schreiben für irgendwel-
che Stiftungen und irgendwelche Förderungen, wo dann der Antrag eigentlich
schon das Ergebnis vorwegnimmt, sondern es sollte dann auch wirklich mit
den Dingen einmal begonnen werden. Es ist eben schon sieben Jahre her, als
ich die erste Konzeption gelesen habe, in der dieser osteuropäische Vergleich
formuliert worden ist, der auch von anderen Seiten angemahnt worden war. So
könnte man verschiedene andere Dinge, die hier auch von anderen Referenten
genannt wurden, auch nennen. Ich möchte mich ganz pointiert mit einem ganz
bestimmten Punkt beschäftigen und ich verspreche Ihnen, ich werde die Zeit
100 %ig einhalten, ich bemühe mich sogar, sie zu unterschreiten.
Und zwar geht es mir darum, das Verhältnis zwischen akademischer For-
schung und außerakademischer Forschung ein wenig zu beleuchten, und zwar
aus der Perspektive von 1989 und der sich daraus entwickelnden Situation, wie
wir sie heute vorfinden. Der Zusammenbruch der DDR bedeutete auch für die
Historiker eine völlig neue Situation. Dabei standen für beide Seiten Deutsch-
lands unterschiedliche Bilanzen zu Buche. Im Osten war mit dem Zusammen-
bruch des Sozialismus auch die Legitimationsbasis der Zeitgeschichtshistori-
ker weggebrochen. Ich glaube, ich brauche die Gründe dafür überhaupt nicht
auszuführen, das ist längst geklärt. Im Westen Deutschlands mit einem plurali-
stischen Wissenschaftssystem waren die Zeitgeschichtshistoriker gezwungen,
ihren unter den Bedingungen der Zweistaatlichkeit entstandenen Standort
ebenfalls neu zu bestimmen. Es ging dabei entweder um die Verteidigung oder
die Verbesserung der eigenen strategischen Position in der Wissenschaftsland-
schaft. Die Standorte prägten in nicht unerheblicher Weise die inhaltliche for-
schungspolitische Diskussion. Zunächst ist festzuhalten, und da stimme ich
vorbehaltlos dem, was Herr Prof. Weber ausgeführt hat, zu, daß eine Basis von