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soliden Forschungsergebnissen zur DDR-Geschichte vorhanden war, – insbe-
sondere sind hier die Arbeiten von Herrn Weber und Herrn Fricke zu nennen,
ich nenne sie nicht, weil beide anwesend sind, sondern weil das meines Er-
achtens unumstritten ist –,
(Zwischenruf Sv. Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke: „Wir bekommen auch schon
rote Ohren.“)
auf die in der völlig neuen Situation aufgebaut werden konnte. Ich betone, es
war eine völlig neue Situation. Das pluralistische Wissenschaftsverständnis
führte jedoch auch dazu, daß vor dem Hintergrund dieser neuen Situation hef-
tige wissenschaftspolitische Auseinandersetzungen geführt wurden, wobei es
darum ging, welchen Stellenwert in der Hauptsache die Untersuchung des po-
litischen Systems in der DDR respektive im gesamten sozialistischen System
hatte. Dabei lag der Schwerpunkt oftmals darauf, die plötzlich zur Verfügung
stehenden erheblichen finanziellen Mittel für sich zu reklamieren. Meines Er-
achtens befinden wir uns heute in einer Phase, in der diese wissenschaftspoliti-
schen Auseinandersetzungen durch die Verteilung der Mittel als abgeschlossen
betrachtet werden kann. In der wissenschaftlichen Diskussion haben sich aber
die Grenzen eines sozialwissenschaftlichen Ansatzes, der oftmals nur eine
Fortsetzung der systemimmanenten Betrachtungsweise ist, zumindest aber an
diese systemimmanente Betrachtungsweise anknüpft, deutlich gezeigt. Ebenso
gibt es aber keine Arbeiten von Historikern, die sich der Totalitarismustheorie
verpflichtet fühlen, die ein entscheidend neues Bild von der DDR geprägt ha-
ben. Beide Richtungen haben sich eher aufeinander zubewegt, was hier in den
Diskussionsbeiträgen deutlich zum Ausdruck kam, ohne daß die prinzipiell
gegensätzlichen Standpunkte verwischt worden sind. Deutlich ist allerdings
geworden, daß der Untersuchung des Herrschaftssystems weit mehr Raum
eingeräumt werden muß, als dies vor 1989 der Fall war. Aus welchen Gründen
auch immer, eine Reihe davon sind hier genannt worden. Dies ist aber meines
Erachtens in erster Linie nicht Historikern zu verdanken. In erheblichem Maße
denjenigen, die 1989 nicht nur auf die Straße gegangen sind, sondern auch oh-
ne professionellen Hintergrund sich vorrangig mit der Geschichte des Herr-
schaftssystems in der DDR beschäftigt haben. Ich spreche von den vielen In-
itiativen, die sich zur Erforschung der DDR-Geschichte bildeten und in ganz
entscheidender Weise die Forschung vorangetrieben haben. Ihnen ist es zu
verdanken, und das wird häufig vergessen, daß wir heute in den ehemaligen
DDR-Archiven so exzellente Zugangsbedingungen vorfinden. Diese Initiativen
haben deutlich gemacht, daß die Erforschung der zweiten Diktatur nicht nur
eine Angelegenheit der akademischen Forschung sein kann, sondern ganz ent-
scheidend das Zusammenwachsen zwischen Ost und West prägt. Von Seiten
der akademischen Forschung hat man diese Initiativen nur zögerlich zur
Kenntnis genommen. Ausdrücklich möchte ich darauf verweisen, und jetzt,
Herr Fricke, kriegen Sie auch wieder rote Ohren, daß insbesondere Herr Fricke
und Herr Weber sich von der Mehrheit ihrer Fachkollegen unterschieden ha-
ben und auf vielfältige Weise diese Initiativen unterstützten. Außerdem gilt das
auch für die unterschiedlichen Einrichtungen der politischen Bildung. Also,
die Heinrich-Böll-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung ebenso wie die
Friedrich-Ebert-Stiftung und die Naumann-Stiftung. Aber auch die Bundes-
zentrale für politische Bildung und die Landeszentralen für politische Bildung
haben in den vergangenen Jahren diesen Initiativen oder Personen immer wie-
der ein großes Podium eröffnet. Dagegen wurde von akademischer Seite oft-
mals versucht, mit dem Hinweis auf mangelnde Professionalität diesen Initia-
tiven deren Wissenschaftlichkeit abzusprechen und deren Arbeiten als Ergeb-
nis von politisch-moralisch rigorosen Standpunkten geprägt abzuqualifizieren.
Meines Erachtens in erster Linie, um einer substantiellen Auseinandersetzung
von vornherein aus dem Wege gehen zu können. Statt dessen wurde die Zu-
sammenarbeit mit ehemaligen SED-Historikern gesucht, die versuchten, an die
wissenschaftstheoretischen Positionen im Westen zu kommen und bereit wa-
ren, um des eigenen Überlebens willens, diese bedingungslos zu akzeptieren.
Innovatives Denken ist von diesen Historikern nur begrenzt zu erwarten gewe-
sen, und es ist auch so gekommen, es ist nur begrenzt eingetroffen. Tatsächli-
che Innovation kann meines Erachtens aufgrund der nunmehr reduzierten
Mittel kaum stattfinden. Das stärkt eindeutig die hierarchisch gegliederte aka-
demische Forschung. Man muß sich vorstellen, natürlich hat ein Professor
mehr Macht, wenn er über die knappen Mittel verfügt und natürlich auch die
Institutionen entsprechend viel stärker von oben nach unten diktieren. Es ist
eben sehr schwierig, für den außerakademischen Kreis überhaupt an solche
Fördermittel heranzukommen.
(Zwischenrufe...)
Also das ist meines Erachtens fast unumstritten. Gefragt ist eine breite Diskus-
sion in der Öffentlichkeit; deshalb ist es notwendig, gerade im Osten Deutsch-
lands diese außeruniversitären Initiativen finanziell zu unterstützen. Für die
akademische Forschung sind genügend Mittel zur Verfügung gestellt worden
in den letzten Jahren. Es geht jetzt darum, deren Verteilung transparenter zum
machen und vor allen Dingen die Kriterien dafür. Inhaltlich müßte noch viel
stärker empirisch argumentiert werden, um den jeweiligen theoretischen oder
methodischen Ansatz zu exemplifizieren. Es darf nicht bei Absichtserklärun-
gen bleiben. Es ist deutlich geworden, daß das vorhandene theoretische In-
strumentarium nicht ausreicht, und ich glaube da sind sich alle einig, um ent-
scheidend die Forschung voranzubringen. Vielen Dank.
Gesprächsleiter Prof. Dr. Clemens Burrichter: Schönen Dank, Armin Mit-
ter. Tatsächlich bist Du unterhalb der Zeitvorgabe geblieben. Ich möchte die
Diskussion damit eröffnen, daß ich den letzten Gedanken von Herrn Mitter
noch einmal aufgreife, mit einer ergänzenden Anregung. Es ist sicherlich rich-
tig, daß hier zwei verschiedene Welten sich mit der DDR-Vergangenheit je
nach ihrer Profession oder ihrer Betroffenheit beschäftigt haben. Wenn wir
daraus Folgerungen ziehen wollen, Armin, denke ich, und darüber sollte man
diskutieren, ob man sie nicht auseinanderdividiert, sondern ihnen versucht, den
Weg zu ebnen, aufeinander zuzugehen. Ich kann mir vorstellen, eine akademi-
sche Forschung kann sehr wohl auf diese Initiativen zurückgreifen, die wie-